Münchner Sicherheitskonferenz: Bundespräsident als Mahner
Zur Eröffnung warnt Frank-Walter Steinmeier vor einer destruktiven Dynamik. Er fürchtet einen neuen Rüstungswettlauf zwischen den Ländern.
Mit Blick auf die Befreiung von Auschwitz und das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren wiederholte Steinmeier seine Worte von vor drei Wochen in Yad Vashem: „Ich wünschte, sagen zu können: Wir Deutsche haben für immer aus der Geschichte gelernt. Aber das kann ich nicht sagen, wenn Hass und Hetze sich ausbreiten.“ Heute zeigten sich die bösen Geister der Vergangenheit in neuem Gewand: völkisches Denken, Rassismus, Antisemitismus. So seien wir nicht nur in Deutschland aufs Neue gefordert, „unser elementares Verständnis von der Würde eines jeden Menschen zu verteidigen und für unsere offenen Gesellschaften zu kämpfen“.
Er wünsche sich auch, fuhr Steinmeier fort, „sagen zu können: Wir haben auch als Staatengemeinschaft für immer aus der Geschichte gelernt, nach 1945 und dann nach 1989“. Doch stattdessen präge inzwischen wieder Idee der „Konkurrenz der großen Mächte“ die Wirklichkeit. Die Spuren ließen sich bis in die endlosen, opferreichen Kriege im Mittleren Osten und in Libyen verfolgen.
Mit ungewöhnlich deutlichen Worten kritisierte der Bundespräsident die Supermächte Russland, China und die USA. So habe Russland „militärische Gewalt und die gewaltsame Verschiebung von Grenzen auf dem europäischen Kontinent wieder zum Mittel der Politik gemacht“. China akzeptiere das Völkerrecht ebenfalls „nur selektiv, wo es den eigenen Interessen nicht zuwiderläuft“.
Den USA warf Steinmeier vor, dass sie unter der Regierung Donald Trumps „der Idee einer internationalen Gemeinschaft eine Absage“ erteilten. „Great again“ – notfalls auch auf Kosten der Nachbarn und Partner, laute die fatale Devise. Dabei biete allein die Idee einer globalen Ordnung die Chance, „auf die Herausforderungen des Anthropozän überzeugende Antworten zu formulieren“. Der Rückzug ins Nationale führe hingegen in eine Sackgasse, „in eine wirklich finstere Zeit“.
Steinmeier bekennt sich zu 2-Prozent-Ziel der Nato
Die Welt sei dabei, in das klassische Sicherheitsdilemma zurückzufallen, konstatierte Steinmeier: „Mehr Misstrauen, mehr Rüstung, am Ende weniger Sicherheit, das sind die zwangsläufigen Folgen.“ Dazu zähle auch ein neuer nuklearer Rüstungswettlauf, „der nicht nur mehr Waffen, sondern vor allem mehr nuklear bewaffnete Mächte hervorbringen“ werde.
Steinmeier mahnte, dass sich der Verlust von Diplomatie, von tragenden Säulen der bisherigen Sicherheitsarchitektur, von Rüstungskontrollverträgen und internationalen Abkommen sich auch „bei noch so großen Anstrengungen nicht durch Panzer, Kampfjets und Mittelstreckenraketen kompensieren“ ließe.
Gleichwohl bekannte er sich ausdrücklich zu dem Ziel der Nato, dass die Militärausgaben jedes Mitgliedstaat mindestens zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts betragen sollten. „Ich halte die Anstrengung, es zu erreichen, für richtig und notwendig“, sagte er. Für die Bundesrepublik würde das eine drastische Steigerung des Verteidigungsetats bedeuten.
Die Münchner Sicherheitskonferenz dauert noch bis Sonntag. Mit Spannung erwartet werden die Auftritte des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron sowie des US-amerikanischen Außenministers Mike Pompeo und seines russischen Kollegen Sergei Lawrow am Samstagmittag. Insgesamt nehmen nach Veranstalter:innenangaben „über 500 hochrangige internationale Entscheidungsträger“ an der Tagung teil, die als das wichtigste Forum für internationale Sicherheitspolitik gilt.
Ebenfalls am Samstagmittag findet auch in diesem Jahr wieder die traditionelle Demonstration des Aktionsbündnisses gegen die Nato-„Sicherheits“konferenz statt. Die Organisator:innen gehen von bis zu 4.000 Menschen aus, die unter dem Motto „Alles muss sich ändern! Nein zu Krieg und Umweltzerstörung!“ durch die Münchner Innenstadt ziehen wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid