Münchner Sicherheitskonferenz 2021: Der Westen unter sich
In der Pandemie stellt auch die Siko auf Homeoffice um. Joe Biden verteilt aus dem Weißen Haus Nettigkeiten. Russland und China fehlen diesmal.
„Ich sende eine klare Botschaft: Amerika ist zurück. Das transatlantische Bündnis ist zurück“, sagt er gleich zu Beginn seines 15-Minuten-Auftritts. Unter ihm, so Biden, werden die USA eng mit ihren Bündnispartnern zusammenarbeiten. Konsultationen mit den Verbündeten seien für ihn selbstverständlich. Und Artikel 5 des Nato-Vertrags, in dem sich die Bündnispartner für den Kriegsfall gegenseitige Unterstützung zusichern, stehe für ihn nicht zur Diskussion. Dieser Sound, er ist das Gegenprogramm zu dem, was Bidens Vorgänger Donald Trump vier Jahre lang gesendet hat.
Zumal Biden die Konfliktthemen, die es auch zwischen ihm und den europäischen Verbündeten gibt, auf dem Münchner Online-Event höchstens ganz vorsichtig streift. Die Militärausgaben zum Beispiel, die die Europäer nach Willen der USA noch stärker erhöhen sollen: Er begrüße, dass andere Nato-Staaten mittlerweile mehr investierten, sagt Biden dazu nur.
Die Forderung, die Zwei-Prozent-Quote der Nato bitte bald zu erreichen, lässt er aus. Ähnlich zurückhaltend bleibt er mit Blick auf die westliche Politik gegenüber China und Russland, wo sich eigentlich auch die neue US-Regierung mehr europäische Härte wünscht.
Rechtfertigung von Merkel
Etwas anderes hatte man in der Bundesregierung vorab allerdings auch nicht erwartet. Dort weiß man: Die neue US-Administration sortiert sich noch. Wichtige Positionen im Regierungsapparat werden, wie in Washington üblich, erst nach und nach besetzt. Detaillierte Strategien, konkrete Erwartungen gibt es in vielen Bereichen einfach noch nicht.
Als Angela Merkel direkt nach Bidens Auftritt aus dem Kanzleramt zugeschaltet ist, rechtfertigt sie sich trotzdem – dafür, dass Deutschland von der Zwei-Prozent-Quote der Nato immer noch deutlich entfernt ist. „Wir fühlen uns natürlich diesem Zwei-Prozent-Ziel weiter verpflichtet und werden auch daran weiter arbeiten“, versichert sie. So habe die Bundesregierung ja auch die Militärausgaben schon stark erhöht.
Und neben den reinen Ausgaben komme es ja auch darauf an, „was wir dann in die transatlantische Partnerschaft einbringen“, betont Merkel und erwähnt als Beispiele die deutsche Beteiligung am Afghanistan-Einsatz, Bundeswehr-Truppen im Baltikum und deutsche Soldat:innen in Mali. So oder ähnlich hat man das in München auch schon in den Vorjahren von deutschen Regierungsvertreter:innen gehört.
Anders als sonst
Ansonsten ist bei dieser Siko allerdings kaum etwas wie sonst. Normalerweise reisen zu der mehrtägigen Konferenz Hunderte Teilnehmer:innen an, darunter zahlreiche Staats- und Regierungschef:innen sowie Außen- und Verteidigungsminister:innen. Aufgrund der Coronapandemie beschränkt sich das Treffen diesmal jedoch auf eine rund dreistündige Onlineveranstaltung. „MSC Special Edition 2021“ hat sich Konferenzleiter Wolfang Ischinger als Namen dafür ausgedacht. Nach seinen Vorstellungen soll es aber auch noch eine „richtige“ Siko zu einem späteren Zeitpunkt in diesem Jahr geben. Ein genauer Termin steht jedoch noch nicht fest.
Was bei der Online-Version unter anderem fehlt: spontane Nachfragen aus dem Publikum. Biden und Merkel müssen sich gar keinen Fragen stellen, sie klinken sich nach ihren Ansprachen direkt wieder aus. Das gilt auch für Großbritanniens Premier Boris Johnson.
Andere Teilnehmer:innen – mit dabei sind unter anderem Bill Gates, Ursula von der Leyen, John Kerry und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron – bekommen nur knappe vorbereitete Fragen von ausgewählten Nachwuchsführungskräften gestellt. Spontane Diskussionen oder Konkretisierungen bleiben daher aus.
Weniger Vielfalt
Und auch die Podien selbst sind weniger vielfältig besetzt als sonst. Der Westen ist unter sich und beschwört die neue Einheit. Vertreter:innen Russlands, des Irans oder Chinas sind anders als in den letzten Jahren nicht dabei – obwohl angesichts der aktuellen Weltlage gerade das sehr interessant gewesen wäre.
So gesehen kehrt die Konferenz damit ein Stück weit zurück zu ihren Wurzeln. Die Tagung findet seit 1963 in der bayrischen Landeshauptstadt statt. Damals nannte sich das Event noch „Internationale Wehrkunde-Begegnung“. Nicht nur in ihren Anfangszeiten – stark geprägt vom Kalten Krieg – war die Siko noch eine ausschließlich westliche Veranstaltung.
Demo am Samstag
Wegen der starken Prägung durch geopolitische Großerzähler:innen, aber auch weil sie gerne von der Rüstungsindustrie hinter den Kulissen als formidabler Ort zur Geschäftsanbahnung genutzt wurde, stößt sie bis heute bei Friedensbewegten auf heftige Kritik. So gehört zur Siko stets auch der Protest dagegen. Das ist selbst in Coronazeiten nicht anders.
Wie in den vergangenen Jahren findet auch diesmal wieder parallel eine „Internationale Münchner Friedenskonferenz“ statt – allerdings wie die Siko rein digital. „Wir wollen mit der Friedenskonferenz für ein Umdenken und ein Umsteuern werben“, sagt Thomas Rödl, eine:r der Organisator:innen, in seiner Eröffnungsrede am frühen Freitagnachmittag. Sicherheit für die Menschen erfordere eine Politik der gemeinsamen Sicherheit, Interessenausgleich und internationale Zusammenarbeit, so das Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK).
Unter dem Motto „Lockdown für Rüstung, Militär und Krieg“ hat auch das „Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz“ wieder zur traditionellen Antikriegsdemonstration aufgerufen – und zwar nicht nur digital. „Für unsere Demo haben wir ein detailliertes Infektionsschutzkonzept, an das sich alle Teilnehmer halten werden“, versichert Aktionsbündnissprecher Claus Schreer.
Coronaregelkonform wollen die Friedensbewegten am Samstag vom Marienplatz zum Bayerischen Hof ziehen, wo in Nicht-Coronazeiten die Siko stattfindet. Dank abwesender Feindbilder dürfte es allerdings diesmal eine wesentlich kleinere Demonstration werden als in den Vorjahren, in denen jeweils mehrere Tausend Menschen teilnahmen.
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