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Möglicher US-Truppenabzug aus der BRDZu früh gefreut

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Trump will Teile seiner Truppen aus Deutschland abziehen und in Polen stationieren. Das könnte den Ost-West-Konflikt weiter eskalieren lassen.

Ramstein in Rheinland-Pfalz ist ein wichtiger Stützpunkt für das US-Militär Foto: Boris Roessler/dpa

D ie Stationierung von US-Truppen in Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten nicht viel zum Weltfrieden beigetragen. Die US-Armee nutzt ihre hiesigen Stützpunkte als Drehscheibe für desaströse Kriege wie den im Irak und als Funkstation für völkerrechtswidrige Drohnenangriffe auf der halben Welt. Mit Unterstützung von Bundeswehr und Nato bevorratet sie hierzulande zudem Waffen für einen potenziell apokalyptischen Atomkrieg. Die amerikanischen Medienberichte, denen zufolge Präsident Donald Trump Tausende seiner Soldat*innen aus Deutschland abziehen will, sind daher zunächst einmal erfreulich.

Die Ernüchterung folgt allerdings schon auf den zweiten, dritten und vierten Blick. Ob Trump an seinen Plänen, wenn er sie denn wirklich hegt, auch tatsächlich festhalten wird, ist erfahrungsgemäß unsicher. Selbst wenn: Den größeren Teil der US-Truppen will er den Berichten zufolge in Deutschland belassen. Die für die US Army so wichtige Militärinfrastruktur in Deutschland wird er nicht aufgeben.

Vor allem aber will er die Solda­t*in­nen den Berichten zufolge nicht nach Hause zurückholen, sondern zu­mindest einen Teil von ihnen künftig in Polen stationieren. Näher also an ­Russland und dessen Ostsee-Enklave Kaliningrad. Die Eskalationsgefahr im Ost-West-Konflikt könnte damit steigen.

Komplett neu wäre diese Entwicklung allerdings nicht. In den letzten zwanzig Jahren hat die Nato zunächst ihr Bündnisgebiet schrittweise nach Osten erweitert und dann auch ihre Truppenpräsenz erhöht. Sollte es für diese Entwicklung keine Haltelinie ­geben, sollten die USA irgendwann auch Kampftruppen fest in Polen stationieren oder gar ihre Atomwaffen dorthin verlagern, wäre die Chance auf Entspannung dauerhaft verbaut. Für den Truppenabzug aus Deutschland würde das bedeuten: zu früh gefreut.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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11 Kommentare

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  • Die EU-Mitgliedschaft Polens (auch Ungarns) ist ein Missverständnis, das früh oder spät (um so früher, desto besser) zu Ende gehen wird. Sei es, sie treten aus, sei es, sie müssen rausgeschgmiessen werden. Von antisemitischen fremendenfeindlichen nationalistichen Regierungen direkt aus der Vorkriegszeit, die die Grundrechte mancher Bevölkerungsgruppen und den Rechtsstaaaten ständig verletzen, die sich durch das Feindbild des bösen Russen ständig rechtfertigen, ist wohl nichts anderes zu erwarten, als den Trump um mehr Soldaten zu bitten. Noch ein Grund zur Trennung, die, wie die GB, ein Segen wäre, insofern daher mehr Union entstehen kann.

  • Was hier an Kommentaren zu dem Thema kommt, ist erhellend. Deutschland hat gar keinen Nachteil durch die US-Truppenpräsenz. Man erinnere sich daran, daß beide Länder NATO-Partner sind. Ob es für Deutschland wirklich besser wäre, wenn die Atomwaffen verschwänden vs. daß sie bleiben, ist fraglich.

    Aber Rußland kann sich alles erlauben. Wessen Soldaten tauchen denn in False-Flag-Operationen in europäischen Ländern auf, wer betreibt denn Trollfabriken, um westliche Demokratien zu destabilisieren?Wer fährt denn Cyberangriffe auf den Bundestag? Wer hat denn den größten Stapel von Atomwaffen auf dem europäischen Kontinent?

    Viele haben echt 'ne rosa Brille auf, wenn es um Rußland geht. Aber die Amis sind Imperialisten, die mit ihrer Nato das arme Rußland provozieren. Schon 'ne schiefe Weltsicht.

    Ich bin auch gegen die Drohnenangriffe, und der Irakkrieg war falsch, aber das heißt nicht, daß die Amis jetzt per se die Bösen sind. Die Welt ist komplexer.

  • "Das könnte den Ost-West-Konflikt weiter eskalieren lassen."

    Ist doch den USA / Trump egal! Die Provokation ist doch auch der Sinn der Sache.



    Das die Folgen andere ausbaden, who cares? Hier gilt nicht: USA first, sondern not on my home ground

  • Kaliningrad ist eine russische Exklave, aus deren Sicht, keine Enklave. Man könnte natürlich sagen, es sei eine russische Enklave in der EU, was aber auch nicht ganz richtig wäre, weil ja eine Seeverbindung über internationale Gewässer nach Petersburg besteht... jedenfalls stehen da auch reichlich Atomwaffen umher, was die ganze Idee der Verlegung der Amerikanischen Truppen nach Polen nicht besser macht, genau wie im Artikel beschrieben.



    Ach, und die Drohnenangriffe, das sind die Air Force oder gleich die "Dienste", nicht die US Army. Die Atomwaffen: auch überwiegend im Beritt der Air Force, jedenfalls in diesem Teil der Welt. Da die Marines (und die atomare U-Boot-Waffe) zur Navy gehören, ist das Heer inzwischen aus unserer Sicht wohl die harmloseste Teilstreitkraft...

  • Bitte nicht vergessen: Unseren heutigen Wohlstand verdanken wir in großem Maße der Lage nach dem zweiten Weltkrieg, dass die USA ihren wichtigsten Frontstaat im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion nicht verkommen lassen wollte. Der Kalte Krieg begann spätestens mit der Berlin-Blockade 1948-49, und dann wurde von den USA massiv in Westdeutschland investiert und u.a. die Kriegsschulden weitgehend erlassen. Als "Preis" dafür wären wir als Erste vernichtet worden, falls der Krieg "heiß" geworden wäre. Nun sind wir zum Glück "von Freunden umzingelt", und die Frontlinie hat sich gen Osten verschoben. Klar, dass die USA weiterhin ihre strategischen Interessen verfolgen, genau wie Russland.

    • @steschlieb:

      Tja, die Kriegsschuld(en) erlassen und Österreich hat’s auch als neutraler Staat zu ähnlichem Wohlstand gebracht. Die Möglichkeit zum einem friedlichen neutralen Deutschland vorsätzlich verhindert und den vermeintlichen eigenen Vorteil auf Kosten vieler Anderer Skrupellos vorangestellt....



      So ziemlich alles was sie als „verdanken“ abliefern, ist höchst fragwürdig.

      • @guzman:

        Der Vergleich mit Österreich hinkt ja wohl gewaltig: kleines Land in strategischer Randlage, außerdem nicht in Besatzungszonen geteilt. Da war Deutschland mit ca. zehnfacher Bevölkerung im strategischen Zentrum eine ganz andere Nummer. Österreich, Finnland, Schweden konnten aus Sicht der USA politisch neutral sein, Hauptsache kapitalistisches Wirtschaftssystem, das sie im Ernstfall eh zu Verbündeten gemacht hätte. Welches Wirtschaftssystem hätte denn ein neutrales Deutschland bekommen? Agrarland gemäß Morgenthau-Plan? Stalins vergiftete Offerte hätte eh nur drauf gezielt, Deutschland nach einigen Jahren zu kassieren. In Berlin wurde das 1948-49 ja schon mal mit fast einjähriger Blockade getestet, zum Glück vergeblich.

        • @steschlieb:

          Österreich war sehr wohl in Besatzungszonen geteilt, die letzten Sowjetischen Einheiten wurden 1955 abgezogen. Die "immerwährende Neutralität" war der Preis für die territoriale integrität Österreichs.



          Die "strategische Randlage" ist natürlich auch so ein Ding... richtig, wenn man sich in der BRD ganz traditionell als das Zentrum der Relevanz sieht. Donautal- und -Ebene, das Marchfeld sind nicht die Fuldaer Lücke, aber wie auch dort gab es Pläne des Warschauer Paktes und der NATO - die einen wollten ggf. durchmarschieren, die anderen den Weg mit Atomwaffen ungangbar machen. Woraus man auch sieht, was "Neutralität" einem hilft, wenn man ein paar günstig gelegene Verkehrswege hat.



          Beim Wirtschaftssystem Ähnliches. Das klassische Beispiel ist Finnland - jahrzehntelang wurde in der Außenpolitik mehr oder weniger explizit den Wünschen der Sowjetunion in einer Weise nachgekommen, daß das Wort "Finlandisation" zumindest im Englischen für derartige Abhängigkeiten immer noch Verwendung findet.

    • @steschlieb:

      Vielen Dank für diese Zusammenfassung!

      Wir haben vieles an demokratischen Strukturen in (West-)Deutschland den USA zu verdanken, aber auch ein Teil des guten, bunten, spaßigen Lebens mit Jeans, Kaugummi und Rock 'n' Roll kam mit den Soldaten nach West-Germany, als hier noch brav Zöpfe geflochten wurden.

      Öffentlich-rechtlicher Rundfunk mit Landesmedienanstalten, (Bildungs-)Förderalismus, Landes- und Bundeszentrale(n) für politische Bildung usw.

      Ich bin dankbar dafür.

      (Und Trump ist ja vielleicht auch irgendwann mal nicht mehr Präsident)

  • "Die für die US Army so wichtige Militärinfrastruktur in Deutschland wird er nicht aufgeben."

    Und das wird auch nicht passieren, also leb damit das sie hier sind.

    Wie ich anderweitig schon mal schrieb, es gibt nur zwei Möglichkeiten warum die USA hier abziehen sollten.

    Erstens, sie können ihre imperiale Präsens in Deutschland nicht mehr aufrechterhalten, dazu brauchen wir einen Zusammenbruch der USA, ähnlich dem der UDSSR, wird eher nicht passieren, zumindest nicht zeitnah.

    Zweitens, wir werden uninteressant, wird nicht passieren, dafür liegen wir strategisch zu günstig.

    Also, lebt damit.

    • @Marcus Dresden:

      "dazu brauchen wir einen Zusammenbruch der USA, ähnlich dem der UDSSR, wird eher nicht passieren, zumindest nicht zeitnah."



      Das dachte die SED vier Wochen vor dem Zusammenbruch der DDR auch. Vielleicht zerfleischen sich Süd- und Nordstaaten der USA in Kürze wieder und Trump weiss nicht, auf welche Seite der eigenen Bevölkerung die Militärs zuerst schiessen sollen und schwuppdiwupp sind die USA Geschichte. Wer weiss? Ich nicht.