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Mittelerhöhung für die SPK gesperrtKein Weiter-so für Preußenpolitik

Julia Hubernagel
Kommentar von Julia Hubernagel

Die größte deutsche Kultureinrichtung muss dringend reformiert werden. Im internationalen Vergleich liegen die Besucherzahlen weit hinten.

Museumsinsel mit Blick auf das Humboldt-Forum und den Berliner Dom Foto: Jürgen Ritter/ imago

D ass es schnell gehen würde, die dringend notwendige Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) voranzutreiben, hat niemand ernstlich erwartet. Nun macht die Ampelkoalition allerdings Druck: Die geplante Mittelerhöhung in Höhe von 6 Millionen Euro für die Stiftung wurde in den Haushaltsverhandlungen gesperrt und an „Bedingungen geknüpft“. Wie diese Bedingungen aussehen, weiß die Stiftung noch nicht, nur dass sie „mit dem Reformprozess zusammenhängen“, wird vermutet.

Die Opposition prescht trotzdem schon mal vor: Der begonnene Reformprozess sollte nicht grundsätzlich infrage gestellt werden, ließ die CDU verlauten, mit der Sperrung werde gewachsenes Vertrauen zerstört. Wo im Reformprozess zuletzt Vertrauen gewachsen sein soll, bleibt jedoch fraglich. Die größte Kultureinrichtung Deutschlands ist derart unbeweglich, dass der Wissenschaftsrat 2020 ihre Zerschlagung empfahl.

Das wollte die Stiftung nachvollziehbarerweise verhindern und schlug ein Jahr später Reformen vor, die man bedenkenlos „Reförmchen“ nennen kann oder aber: einen Witz. Die schon dem Namen nach mindestens eingestaubte Stiftung ist dysfunktional, unterfinanziert und zu zentralistisch, um den Anforderungen gerecht zu werden, die an die fünf ihr unterstellten Einrichtungen gestellt werden.

Mit insgesamt 4,9 Millionen Be­su­che­r:in­nen 2019 gehören die 15 (!) staatlichen Museen Berlins im internationalen Top-Vergleich zu den Schlusslichtern. Der Pariser Louvre allein kommt auf gut doppelt so viele, London ist gleich viermal unter den Top 10 der meistbesuchten Museen vertreten. Zahlen sind nicht alles, klar. Die Museen brauchen mehr Autonomie, mehr Geld und mehr Entscheidungsgewalt, um eigene Schwerpunkte zu setzen, um den Anschluss an museumspolitische Debatten, wie die postkoloniale, nicht zu verpassen.

Die Sperre kann somit als Warnschuss von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) verstanden werden und als entschiedenes Nicht-mehr-weiter-so in Richtung der Politik ihrer Vorgängerin Monika Grütters (CDU). Die hatte sich in ihrer Amtszeit bevorzugt mit teuren Neubauprojekten beschäftigt und kann getrost zu den Anhängern der Preußenrenaissance gezählt werden.

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Julia Hubernagel
Kulturredakteurin
Studium der Geschichte und deutschsprachigen Literatur in Bochum und Berlin. Redakteurin im Kulturressort.
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4 Kommentare

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  • Das was die Besucher in Berlin suchen, wollen wir ihnen ja gerade nicht zeigen.

  • Naja, wenn die Redakteurin hier mal nicht die argumentative Büchse der Pandora öffnet. Wenn man Besucherzahlen als Maßstab für die Förderung heranzieht, dann kann man viele Förderungen gleich auf 0 zusammenstreichen. Zudem sind Paris und London auch stark durch den Tourismus getrieben. Wenn Berlin ähnliche Besucherzahlen hätte, dann würde die Autorin wahrscheinlich in das Horn des Overourism planen.



    Irgendwie wirkt der Artikel auf mich auch insgesamt unrund. Es scheint hier wurde das Pferd von hinten aufgezäumt. Kernforderung ist mehr Autonomie und mehr Geld, aber der Aufhänger und die Argumentation dreht sich um die Streichung der Mittelerhöhung. Oder ich hab den Artikel nicht verstanden, kann auch sein.

  • Wieder mal ein Punkt, wo man sieht: Grüne Politik macht einen Unterschied.

    Ich persönlich hätte gerne noch mehr umgesetzt, aber Baerbock, Habeck, und nun auch Roth trauen sich, offensichtlich Falsches zu korrigieren.



    Das hat(te) Deutschland dringend nötig.

  • Also so wie ich das mitbekomme sagen erfolgreiche Museen recht breitbeinig “hier gibt's den geilsten Scheiß, scheiße geil präsentiert, das musst du gesehen haben“. Dieser Auftritt geht den hiesigen Museen dann doch deutlich ab. Der postkoloniale Schwerpunkt ist dann doch eher für die bewertende Zunft wichtig und nicht für die 10+ Mio Besucher, die man gern hätte.