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Rechenzentrum in PotsdamFür den Erhalt der DDR-Architektur

Weniger DDR, mehr Preußen: Gegen diese Umwandlung Potsdams richtet sich die aktuelle Debatte um den Abriss des Rechenzentrums.

„Der Mensch bezwingt den Kosmos“: Mosaik von Fritz Eisel am Rechenzentrum Potsdam Foto: Martin Müller/imago

Schwere Vorwürfe erheben die Architects for Future gegen die Stadt Potsdam. Bei einem Pressegespräch am Dienstag stellte die Ortsgruppe Gutachten vor, wonach der Abriss des Rechenzentrums gar nicht notwendig sei.

Es entstehe der Eindruck, dass die baurechtliche Situation rund um das Rechenzentrum, das die Moderne der DDR repräsentiert, „bewusst und gezielt“ fehlerhaft dargestellt worden sei, um den politischen Entscheidungsprozess zu beeinflussen und den Abriss durchzusetzen, heißt es.

Das städtische Planungsbüro befand 2020 klar: „Ein dauerhaftes Nebeneinander von Garnisonkirche und Rechenzentrum ist bauordnungsrechtlich unzulässig.“ Die vorgebrachten Gründe seien fachlich nicht korrekt dargestellt, sagt Frauke Röth, Architektin und Sprecherin des Rechenzentrums. Da auf ihre Hinweise nicht reagiert worden sei, hat Röth zusammen mit dem Architekten Philipp Oswalt Beschwerde eingelegt.

Als wichtiges Argument für den Abriss galt der unzulängliche Brandschutz. Nur 1,70 Meter trennen das Rechenzentrum, Bauzeugnis der DDR-Moderne, von dem erst halb fertigen Turm der Garnisonkirche. Baurechtlich in Ausnahmefällen in Ordnung, sagt Prüfingenieur Helmuth Bachmann, sofern dazwischen eine Brandschutzwand stehe. Diese sei bereits realisiert. Überhaupt: Wäre der Brandschutz nicht gesichert gewesen, hätte man mit dem Bau nicht beginnen können.

Nutzung als Kunsthaus

Weiterer Streitpunkt ist die Kostenfrage. Zuletzt stand ein Teilabriss des Gebäudes zur Debatte. Doch dieser sei teurer als ein Erhalt und könnte so die Hintertür öffnen zum Kom­plett­abriss, vermutet Oswalt. Denn bei einem Teilabriss entfiele der Bestandsschutz, sodass für das Rechenzentrum die Anforderungen an einen Neubau gelten würden. Außerdem: Sind Abriss und Neubau im 21. Jahrhundert noch eine angemessene Haltung, fragt die Ortsgruppe von Architects for Future. Zudem bleibt unklar, wo Mie­te­r:in­nen des Rechenzentrums, das seit sechs Jahren als Kunsthaus genutzt wird, ähnlich günstig unterkommen.

Es sind große Streitfragen, die sich an dem Bauvorhaben in der Altstadt entzünden. Der Vorwurf der Tilgung jüngerer Geschichte zugunsten einer Preußenrenaissance steht ebenso im Raum wie bei dem über 600 Millionen teuren Wiederaufbau des Berliner Schlosses. Vielleicht wiegt er in Potsdam noch schwerer, war die Garnisonkirche doch Symbol der militärischen Macht Preußens und 1933 Ort des Handschlags zwischen Hitler und Hindenburg.

Besonders umstritten ist das rekonstruierte Glockenspiel der Garnisonkirche, die seit 1991 wieder nahe ihrem historischen Standort steht. Der Grund: Die Inschriften der Glocken verbreiten rechtes Gedankengut. Eine der Glocken ziert etwa das lateinische „Jedem das Seine“, das auch über dem Tor zum KZ Buchenwald prangte.

Einseitiger Denkmalschutz

Doch weil das Glockenspiel „eigenständiges Denkmal der jüngeren Zeitgeschichte“ sei, steht es unter Denkmalschutz. „Das gilt doch umso mehr für das Rechenzentrum“, meint Oswalt. Die Potsdamer Linkspartei hat deshalb vor Kurzem einen entsprechenden Antrag gestellt, bislang stehen jedoch nur die Kosmos-Mosaike von Fritz Eisel unter Denkmalschutz.

Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert weist den Vorwurf der „einseitig gezielten Beeinflussung der politischen Entscheidungsprozesse“ übrigens zurück, kommentieren will er die Kritik jedoch nicht. Man wolle sich die Argumente anschauen, erklärte der SPD-Politiker.

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8 Kommentare

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  • 1G
    14390 (Profil gelöscht)

    „Eine der Glocken ziert etwa das lateinische „Jedem das Seine“, das auch über dem Tor zum KZ Buchenwald prangte.“

    Fehlende Kenntnis preußischer Geschichte oder bewußte Uminterpretation von Geschichte, mit dem Ziel geschichtspolitischer Diskreditierung:



    „SUUM CUIQUE“ („Jedem nach seinem Verdienst“) ist die Devise des Hohen Ordens vom Schwarzen Adler, Preußens höchstem Orden. Als Teil der Darstellung des Bruststerns dieses Ordens ziert sie übrigens auch heute noch in Berlin die Tore, durch die Besucher das Schloß Charlottenburg betreten.

  • Tut mir leid, Schuhschachtel-Architektur aus dem 20. Jahrhundert wie dieses Rechenzentrum ist nunmal ästhetisch nichts wert. Ich finde es keine gute Idee, so etwas schützen zu wollen.

    Die Garnisonkirche dagegen ist ein Bauwerk, das die Stadt zieren kann. Zudem sind die politischen Einwände dagegen Unsinn.

    Zum Vergleich: Der Dom in Speyer gilt ja auch gemeinhin nur als eine beeindruckende Kirche, die zur Ehre Gottes dient, obwohl Konrad II., Heinrich III. und Heinrich IV. im Vorfeld bzw. während des Investiturstreites sicherlich den Hintergedanken hatten, mit diesem Monumentalbauwerk kirchenpolitische Macht zu demonstrieren. Trotzdem denkt kaum jemand beim Anblick des Speyerer Domes an die politischen Hintergründe des 11. und des frühen 12. Jahrhunderts, sondern die Leute gehen dort hin, um zu beten, die Messe mitzufeiern, Konzerte zu hören oder schlicht, um etwas beeindruckendes zu sehen und ein paar schöne Photos zu machen. Es handelt sich um eine Kirche, nicht um ein politisches Denkmal.

    Ebenso wird auch die Garnisonkirche lediglich von einer überschaubaren Szene, die dazu neigt, alles politisieren zu wollen, für ein (unliebsames) politisches Denkmal gehalten. Jeder vernünftige Mensch wird sie als Kirche oder als bauliches Schmuckstück wahrnehmen.

    Dem wiederaufgebauten Glockenspiel wegen des Spruches "jedem das Seine" vorzuwerfen, es verbreite "rechtes Gedankengut" ist auch weit hergeholt. Der Spruch steht nämlich nicht nur am KZ Buchenwald, sondern wurde von Platon geprägt, der ihn nicht so gemeint hat, wie ihn die Nazis zynisch aus dem Zusammenhang gerissen missbraucht haben. Außerdem ist das historische Vorbild des rekonstruierten Glockenspiels meines Wissens lang vor dem KZ Buchenwald entstanden. Da sucht jemand also nach Argumenten, die keine sind.

    Um den Wiederaufbau der Garnisonkirche zu befürworten, muss man (anders, als gern polarisierend behauptet wird) kein preußengeiler Reichsbürger oder Nazi sein. Es reichen ästhetische und/oder religiöse Gründe.

    • @Ein alter Kauz:

      Sie haben es auf den Punkt gebracht!

  • Dann muss eben die Garnisonskirche weg.

    Der Wiederaufbau ist eh eine rückwärtsgewandte Zumutung.

    • @J_CGN:

      Ach, jetzt ist ein Gebäude einer untergegangenen Diktatur zukunftsgewandter als ein Gotteshaus des nach wie vor bestehenden protestantischen Christentumes?

      Aber bevor wir hier Diskussionen darüber führen, was jetzt dem Zeitgeist entspricht oder nicht (was mir eigentlich egal ist, weil ich auch nicht prinzipiell mit dem Zeitgeist einverstanden bin): Schauen Sie sich mal an, wie hässlich dieses Rechenzentrum ist. Die Taz hat zur Illustration des vorliegenden Artikels ein, naja, ganz passables Mosaik abgebildet, das man, wenn man denn unbedingt will, auch ex situ in irgendeinem Museum erhalten könnte. Das Gebäude als solches ist aber einfach nur ein abgeranzter Quader, mehr nicht.

  • Erhalten!



    Da ja am RZ kein Flußbad vorhanden ist bin ich für Rekonstruierung und unbedingten Erhalt des Mosaik "Der Mensch bezwingt den Kosmos" von Fritz Eisel .



    www.pnn.de/potsdam...saik/25233024.html



    Außerdem finde ich sollte auch dem Bestreben von Günter Jauch und Kons..Bekannten*in(mit viel Geld und Einfluß) die Preußenrenaissance in Potsdam durchzuziehen ,entgegen gewirkt werden.



    Kleine Drift aber ich empfehle - Ruf und Widerruf



    Der Streit um den Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam - zu lesen.



    www.deutschlandfun...6e565bf2a3f39b.pdf



    Interessante Personen oder eben nicht kommen darin vor.

  • Das ist eben auch immer ein politisches Thema. Steht man der DDR nahe oder doch eher dem alten Preussen. Ich bin für die moderne BRD. Aber damit hier möglicherweise in der Minderheit.

    • @Anna Schneider:

      Moderne BRD? Ist mir in 30 Jahren Teilhabe an dieser noch nicht begegnet. Könnten Sie mal bitte ein Beispiel nennen?