Mitbestimmung bei Amazon in den USA: Gewerkschaft fürchtet Sabotage
Amazon-Beschäftigte in den USA stimmen zum zweiten Mal über eine Arbeitervertretung ab. Dem Internet-Giganten wird vorgeworfen, das zu hintertreiben.
„Wir sehen die gleiche systematische Sabotage und Unterdrückung, die wir auch bei der ersten Wahl gesehen haben“, sagte Stuart Applebaum, Präsident der amerikanischen Einzelhandelsgewerkschaft RWDSU, der taz. Laut Gewerkschaft hat der Internetriese Hunderte von Personen engagiert, deren einzige Aufgabe es sei, innerhalb der Belegschaft Zweifel an der Formierung einer Arbeitervertretung zu schüren. Laut RWDSU zählt dazu sowohl die Einschüchterung von Mitarbeitern:innen als auch die Verbreitung falscher Informationen. So soll es bei einem Beitritt angeblich zu einer Reduzierung der Belegschaft oder gar zur Schließung des Standorts kommen.
Applebaum bezeichnete das als völlig „abwegig“. Nichtsdestotrotz stimmten bei der ersten Wahl im vergangenen Jahr mehr als 70 Prozent der Arbeiter:innen gegen die Einführung einer Arbeitervertretung. Das war ein herber Rückschlag für die Arbeiterbewegung in den Vereinigten Staaten, die während der Pandemie deutlich an Fahrt aufgenommen hatte. „Die Niederlage motiviert uns noch mehr“, sagte Amazon-Lagerarbeiterin Kristina Bell in einem Gespräch mit Journalisten. US-Präsident Joe Biden, Politiker und Prominente hatten sich im Vorfeld für die Arbeitervertretung in Alabama starkgemacht.
Eine Untersuchung der amerikanischen Arbeitsschutzbehörde NLRB ergab, dass Amazon während der ersten Wahl unlautere Praktiken angewandt hatte. Unter anderem kritisierte die Behörde die Platzierung einer Wahlurne. Diese wurde direkt vor dem Gebäude aufgestellt. Es konnte der Eindruck entstehen, dass Amazon bei der Auszählung der Stimmen mitwirke. Das Ergebnis: Neuwahlen.
Zwei weitere Standorte wollen Arbeitervertretung
Amazon hat sich seit der Gründung 1994 zum zweitgrößten privaten Arbeitgeber in den USA entwickelt. Trotzdem gibt es bis heute in keinem der mehr als 100 Amazon-Logistiklager eine Arbeitervertretung. „Uns war von Anfang an klar, dass dies ein harter Kampf werden wird“, sagte Applebaum.
Die Amazon-Belegschaft in Alabama hat seit Freitag die Möglichkeit, per Briefwahl über die Bildung einer Arbeitervertretung abzustimmen. Mit einem Ergebnis wird spätestens Ende März gerechnet. Mehr als 6.100 Angestellte arbeiten im Amazon-Logistikzentrum in der Kleinstadt Bessemer. Aufgrund der hohen Fluktuation waren viele bei der ersten Abstimmung nicht im Unternehmen. Ob das ein Vorteil ist oder ein Nachteil, wird sich zeigen.
„Die Arbeiterbewegung kann es sich nicht leisten, Amazon einfach so ziehen zu lassen“, sagte Applebaum Die Firma verändere eine Industrie nach der anderen. „Bei dieser Wahl geht es um mehr als nur ein einziges Warenlager“, sagte er. „Es geht vielmehr um die Zukunft des Arbeitens.“ Die Mitarbeiter von zwei weiteren Amazon-Logistiklagern haben ebenfalls die Absicht, eine Arbeitervertretung zu installieren. Beide Lager befinden sind im New Yorker Stadtteil Staten Island.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert