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■ Die Grünen wollen die Mineralölsteuer drastisch erhöhen. Ein paar Vorschläge, wie sie der Propaganda der Autolobby begegnen könnenMit fünf Mark sind Sie dabei?

Wenn es um kurzfristigen Profit geht, legt sich die Autolobby kräftig ins Zeug. Jahrelang wurde die Einführung des Katalysators verschleppt. Scharen von Lobbyisten verbreiteten die schauerlichsten Gerüchte über Schädlichkeit und Kosten des Kat – für den „armen kleinen Mann“ natürlich unzumutbar. Ganz vorne in der Anti-Kat- Front war die Adam Opel AG. Nur wenige Jahre später stellte Opel als erster deutscher Hersteller die gesamte Palette auf geregelten Kat um und pries sich dafür mit ganzseitigen grünen Anzeigen.

Verteufeln und hinhalten, um sich nachher an die Spitze des Fortschritts zu stellen – das ist eine beliebte Taktik zur Wahrung des maximalen Profits. Die Öffentlichkeit ist dafür anfällig: Hin- und hergerissen zwischen dem Drang nach Automobilität und einem nur schwer zu verdrängenden Bewußtsein von den sozialen und ökologischen Folgekosten der Autogesellschaft ist sie empfänglich für jedes pseudowissenschaftlich untermauerte „Es geht nicht anders, und außerdem ist es gar nicht so schlimm“. Geht „es“ nach längerem Hinhalten dann doch anders, ist die Erleichterung um so größer. Nicht umsonst leitete die Einführung des Kats den größten Boom auf dem Automarkt ein.

Gegenwärtig sind wir wieder in der Verunsicherungsphase. Die Forderung nach der stufenweisen Einführung von einem ökologisch gerechten Spritpreis von fünf Mark eint ein Spektrum von bekennenden Autogegnern bis hin zum Formel-1-Piloten Michael Schumacher. Beim Publikum weckt dieselbe Forderung Mobilitätsverlustängste, die von der Autolobby und ihren politischen Helfern genüßlich verstärkt werden.

Die CDU-Plakate bei der baden-württembergischen Landtagswahl 1996, die Rot-Grün mit fünf Mark für den Liter Benzin gleichsetzten, transportierten wirkungsvoll die populistische Botschaft: Die wollen euch euer Auto wegnehmen! Die SPD wurde auch wegen dieser Kampagne kräftig gerupft, und die zwölf Prozent starken Bündnisgrünen erreichten dieses Ergebnis nicht wegen, sondern trotz der CDU-Kampagne. Ein halbes Jahr vor der Wahl standen sie noch erheblich besser da. Was also tun, wenn eine im Prinzip richtige Forderung ihre Gegner unverdient zu stärken droht?

Entlastung kommt von unerwarteter Seite. Die japanischen Autokonzerne, von massiven Absatzschwierigkeiten gebeutelt, entdecken jetzt das „grüne“ Auto. So verkauft zum Beispiel Toyota seit Dezember 1997 in Japan das Modell „Prius“, dessen Daten vor kurzem noch als utopisch gegolten hätten. Das mit allen als unverzichtbar gepriesenen Komfort- und Sicherheitsextras ausgerüstete Fahrzeug, in der Größe zwischen Golf und Passat angesiedelt, verbraucht weniger als vier Liter Benzin auf 100 Kilometer. Möglich macht dies die vollautomatische Koppelung von Benzin- und Elektromotor, die zusammen etwa 100 PS entwickeln. Der Wagen ist mit 31.000 Mark nicht teurer als die konventionelle Konkurrenz.

Eine weitere Schützenhilfe kommt ebenfalls unverhofft: In führenden Autozeitschriften setzt sich langsam die Erkenntnis durch, daß die automobile Gesellschaft nur überlebt, wenn sie sich massiv ändert. Die logische Forderung nach einer Spritpreiserhöhung taucht vorläufig nur als Minderheitenmeinung auf – aber immerhin. Auch der Chef der deutschen Shell lehnte jüngst einen Spritpreis von fünf Mark nicht mehr grundsätzlich ab – wenn auch direkte Steuern und Abgaben gesenkt würden, wie es die Bündnisgrünen fordern. Das Tabu ist gebrochen.

Die deutschen Autokonzerne behindern bisher eine sachliche Debatte, weil sie die Rendite der von ihnen getätigten Investitionen in veraltete Konzepte sichern wollen. Und natürlich fürchten sie den Zorn ihrer KundInnen, die für viel Geld ein Produkt erworben haben, das in Windeseile überholt ist – weil „es“ nun eben doch ganz anders geht. Andererseits ist es kein Geheimnis, daß die deutsche Autoindustrie ebenfalls supersparsame Modelle entwickelt und schneller als geplant marktreif machen könnte. Sie wird es fraglos auch tun, nachdem die japanische Konkurrenz vorgeprescht ist und auch die französischen und die US- Mitbewerber aufgewacht sind.

Die Bündnisgrünen müssen aufpassen, daß ihnen nicht wie bei der Kat-Diskussion wieder die Butter vom Brot genommen wird: Am Ende werden sich die größten politischen Bremser – ADAC, CDU/ FDP und Schröder-SPD – wieder als die wahren Menschenfreunde in Szene setzen. Es ist eine sichere Wette: Eine drastisch höhere Spritsteuer wird in wenigen Jahren zum quasi naturgesetzlichen „Sachzwang“, um das Steueraufkommen zu retten – und natürlich, um den Verkauf der dann verfügbaren Sparautos anzuheizen. Gegen die zu erwartende Heuchelei können die Bündnisgrünen ebenso beharrlich wie gelassen auf die absehbare Entwicklung hinweisen und begründen, daß ihre Programmatik einer schrittweisen Spritpreisverteuerung den technischen Fortschritt beschleunigt, ökologisch effizient und zudem ökonomisch sinnvoll ist.

Dies wird ihnen um so leichter fallen, je differenzierter ihre Argumente sind. Es wäre fahrlässig, das fachlich unbeleckte Publikum zu überfordern und mit plakativ verkürzten Fünf-Mark-Forderungen Wasser auf die Mühlen der Gegner zu leiten. Unverzichtbar ist daher der Hinweis, daß eine Spritsteuererhöhung nur moderat stattfinden soll – nach grüner Programmlage in zehn bis elf Jahren. Das heißt: auch bei „Grün pur“ wird der Spritpreis erst 2010 bei von fünf Mark liegen. Am Ende der nächsten Wahlperiode liegt der Benzinpreis damit noch unter drei Mark, obwohl gleichzeitig die Kfz-Steuer abgeschafft wird. Wer sich halbwegs vernünftig verhält und keinen Spritsäufer fährt, lebt durch die von den Bündnisgrünen geplante Entlastung für Pendler und bei den Sozialabgaben unter dem Strich günstiger. Und wer frühzeitig auf ein Drei-Liter-Auto umsteigt, hat sogar geringere Spritkosten als bisher.

Am Ende haben sowohl die Umwelt als auch die Volkswirtschaft den Nutzen. Da der ökologische Lenkungseffekt aber vermutlich sehr schnell eintritt, können die zusätzlichen Einnahmen aus der Mineralölsteuer nur bescheiden angesetzt und verplant werden. Auch von einer weiteren Illusion heißt es Abschied nehmen: Der Spritpreis taugt nicht als Hebel, um eine neue Verkehrspolitik durchzusetzen. Es bleibt realpolitisch nichts anderes übrig, als die Attraktivität des Autos hinzunehmen und ihr mit einer Steigerung der Attraktivität anderer Verkehrsmittel zu begegnen. Thomas Poreski

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