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Mit Vollgas in die KlimakatastropheFliegen wird wieder billiger

Union und SPD wollen die Extrasteuer auf Flüge abschaffen, die erst 2011 eingeführt wurde. Sie beugen sich damit dem Druck der Industrie.

Kein Verkehrsmittel ist umweltschädlicher. Bild: ap

BERLIN taz | Die Verhandler von Union und SPD haben sich offenbar auf die Abschaffung der Luftverkehrssteuer geeinigt. Ein Aus der Abgabe sei „nicht unwahrscheinlich“, erfuhr die taz aus dem Umfeld der bei den Berliner Koalitionsverhandlungen tagenden Arbeitsgruppe Verkehr.

Ähnliche Informationen haben Umweltverbände: „Das Ende der Luftverkehrssteuer wurde uns von Christ- wie Sozialdemokraten bestätigt“, sagt Werner Reh, verkehrspolitischer Sprecher des Umweltverbands BUND.

Durch die Verbilligung des extrem umweltschädlichen Verkehrsmittels Flugzeug seien die möglichen Großkoalitionäre dabei, den „Klimaschutz zu verkaufen.“ Das sei ein „Freiflug in die Klimakatastrophe.“ Mit einem Urlaubsflug von Deutschland nach Teneriffa bläst ein einziger Passagier so viel klimaschädliches Kohlendioxid in die Luft wie ein durchschnittlicher Autofahrer im ganzen Jahr.

Die Luftverkehrssteuer war von CDU, CSU und FDP 2011 aus rein fiskalischen Gründen eingeführt worden, um mehr Geld in den Bundeshaushalt zu spülen. Aktuell werden auf Kurzstreckentickets 7,50 Euro pro Fluggast fällig. Bei Mittelstrecken beträgt die Abgabe 23,43 Euro, auf Langstrecken sind 42,18 Euro zu zahlen. Hinzu kommt die Mehrwertsteuer von 19 Prozent.

Derzeit bringt die Steuer Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) knapp eine Milliarde Euro im Jahr. Auf die wollen die Verkehrspolitiker von CDU, CSU und SPD offenbar verzichten, obwohl sie die chronische Unterfinanzierung des Verkehrssektors bei ihren Verhandlungen immer wieder beklagt haben.

Luftfahrtindustie macht Druck

Denn im Hintergrund macht sich die Luftfahrtindustrie für eine schnelle Abschaffung der Steuer stark: Wegen der Zusatzkosten wichen gerade in grenznahen Gebieten Fluggäste auf ausländische Flughäfen aus, argumentierte etwa der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftfahrt (BdL), Klaus Peter Siegloch, erst am Dienstag. Die Folge seien rote Zahlen bei deutschen Airlines und Flughäfen und damit Arbeitsplatzverluste.

Interessengesteuert und nicht seriös seien entsprechende vom BdL in Auftrag gegebene Studien, konterte dagegen am Mittwoch ein Bündnis von Nichtregierungsorganisationen wie dem BUND, dem Verkehrsclub VCD, Greenpeace und Brot für die Welt in Berlin. Die NGOs präsentierten eine Studie des Volkswirts Friedrich Thießen von der TU Chemnitz.

Flugverkehr massiv subventioniert

Laut Thießen liegt der Grund für die von der Industrie beklagten schlechte Geschäfte im deutschen Luftverkehr nicht an der Steuer, sondern an Konzentrationsprozessen: „Der Trend geht zu internationalen Drehkreuzen, kleinere Flughäfen und Airlines verlieren.“

Insgesamt aber wachse der Luftfahrtindustrie so stark wie sonst nur die IT-Branche, sagte Thießen. „Beschäftigungsverluste“ könne er nicht erkennen. Über die BdL-Untersuchungen habe er sich „maßlos geärgert“, betonte der Inhaber eines Lehrstuhls für Finanzwirtschaft: „Sie müssen sich immer fragen, wo dabei gerade manipuliert wird.“

Schließlich wird der Flugverkehr wird schon heute massiv subventioniert: Im Gegensatz zu Auto und Bahn werden bei Flügen weder Energie- noch Mehrwertsteuer fällig. „Das bedeutet Vergünstigungen von mehr als zehn Milliarden Euro“, rechnete Alexander Mahler vom Forum ökologisch-soziale Marktwirtschaft vor.

Eine Frage der „Klimagerechtigkeit“

Für Hilfsorganisationen wie Brot für die Welt ist die Luftverkehrssteuer schlicht eine Frage der „Klimagerechtigkeit“: Durch den Klimawandel hervorgerufene Katastrophe träfen wie zuletzt auf den Philippinen „Entwicklungs- und Schwellenländer“ – dabei nutzten aktuell nur die reichsten zwei Prozent der Weltbevölkerung Flugzeuge.

Die Verbände wollen deshalb Druck für eine Erhaltung der Steuer machen. Sollten die Sozialdemokraten bei ihrer Linie bleiben, droht Werner Reh, werde der BUND seine 500.000 Mitglieder mobilisieren und die SPD-Basis beim Mitgliederentscheid fragen: „Wollt ihr diesen Koalitionsvertrag wirklich?“

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9 Kommentare

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  • VS
    Verona Silbereisen

    Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) muß jetzt handeln weil es eigentlich um die wünschenswerte MAUT geht, für die Ramsauer immer noch kein Konzept vorgelegt hat. Der Ramsauer ist meines Erachtens total ungeAIGNERt und muß weg, wie Meldungen über die Abschaffung der Luftverkehrssteuer zeigen. Gott sei Dank steht das vereinbarte Ziel unter Finanzierungsvorbehalt. Da die Luftverkehrssteuer jährlich rund 1 Milliarde Euro in Deutschland in die Staatskasse bringt, ist die Abschaffung sehr unwahrscheinlich, was auch die Verkehrspolitiker selbst zugeben. Die Luftfahrt ist schon wegen fehlender Besteuerung des Kerosins stark subventioniert und hat nicht zu rechtfertigende Vorteile gegenüber klimafreundlicheren und lärmärmeren Verkehrsträgern. Weitere Wettbewerbsvorteile darf es unter gar keinen Umständen geben. Eine Abschaffung wäre nur dann denkbar, wenn gleichzeitig die Steuerbefreiung des Kerosins aufgehoben würde.

     

    Verona Silbereisen

  • G
    Gastname

    Die Abschaffung der Luft- verkehrssteuer ist schon deshalb gerecht, weil es auch keine Bodenverkehrssteuer und Wasserverkehrssteuer gibt.

     

    Ich habe es auch langsam satt, ständig vom Staat bevormundet zu werden.

  • MK
    Modifizierter Kapitalfaschismus

    Die bürgerliche Demokratie, die keine Volksdemokratie ist, ist eine Diktatur des Kapitals. Eine Diktatur der herrschenden Finanz- und Monopolbourgeoisie. Die bürgerlichen Parlamentsparteien (CDU-SPD-CSU etc.) in der Bundesrepublik Deutschland sind ein wesentlicher Teil der gesellschaftspolitischen Administration im staatsmonopolistischen Kapitalismus ("Soziale Marktwirtschaft" des herrschenden Finanz- und Monopolkapitals).

  • F
    FreiFlug

    Wenn dies so kommen sollte wäre es mehr als zu begrüssen. Das Argument der "Klimakatastrophe" zog vielleicht noch vor 25 Jahren. Aber heute nicht mehr. Es ist so unwahr wie hilflos. Aber man kennt das ja von Linken. Das ganze Jahr von Arbeit fasseln, wenn es aber um konkrete arbeitssschaffende und -sichernde Schritte geht, dann ist man höchst selten dafür. Dies ist insofern ein sehr gutes Beispiel.

    • @FreiFlug:

      Unwahr und hilflos ist eigentlich nur Ihr Kommentar. Beschäftigen Sie sich mal intensiv, ich meine wirklich intensiv, mit dem Klima und den gesamten Einflussfaktoren und Auswirkungen. So gut wie jeder intellektuell auch nur durchschnittlich begabte Mensch wird dann schnell zu dem Schluss kommen, dass das Einzige, was gegen Klimaschutz wirklich angebracht werden kann, der Egoismus jedes Einzelnen ist.

      • G
        Gastname
        @anteater:

        Der Begriff der Reisefreieheit sagt Ihnen also nichts?

        Der "Antifschische Schurtwall" hat ja auch jede Flugreise gen Westen, Norden oder Süden verhindert.

         

        Also, Anteater: Ein neuer "AntiEgoistische Schutzwall" gegen Kerosin-CO2?

    • IB
      Inge Borg
      @FreiFlug:

      Grundsätzlich sollte man ja nur Kommentieren, was man auch gelesen hat. Das die Abschaffung der Steuer Arbeitsplätze gefährdet, ist nach seriöser Ansicht keineswegs der Fall. Jedenfalls nicht direkt. Indirekt könnte der Ausfall erwarteter Gewinne jedoch wiedermal als günstiges Argument zum Stellenabbau dienen. Und wer diese widerwärtige Strategie für legitim erachtet, der hält wohl Kaviar auch für ein Lebensmittel.

  • S
    serbmem

    Union und SPD beugen sich der Industrie? Für wen ist denn die Industrie da? Willy Brandt soll ja mal gesagt haben, die Wirtschaft sei für die Menschen. Gilt vll auch für die Industrie. Ich glaube, dass es im Selbstverständnis der meisten Menschen so ist, dass sie glaube, sie seinen für die Industrie da. Um dieser zu dienen und sorge dafür zu tragen dass es dieser gut geht. Wenn man misshandelt wurde und diese Misshandlung nicht gründlich genug aufarbeiten konnte, beginnt man sich mit dem Täter zu indentifieren. Das machen glaube ich auch Sklaven und Proletarier so. Das ist die große Chance der Kapitalisten: die Abhängigkeiten so konsequent auszubauen, dass alle davon überzeugt sind, dass muss so sein. Die Menschen hatten wohl schon immer vor sich selbst die größte Angst.

    • @serbmem:

      Eine weit verbreitete große Angst ist heutzutage noch der Verlust oder die Einschränkung des persönlichen Wohlstands.