Mit Flutlicht gegen Verbrechen: Wer hat Angst vor dunklen Ecken?
Im Hamburger Schanzenpark und am Bremer Bahnhof sollen mit Licht vermutet kriminelle Elemente vertrieben werden – wegen des „Sicherheitsgefühls“.
Es folgte eine bürgerliche Regierungskoalition der postmodernen Art mit Ole von Beust als großstädtisch-liberalem CDU-Bürgermeister von rechtspopulistischen Gnaden. Die Mehrheit nämlich beschaffte der eingangs genannte Ex-Richter Ronald B. Schill mit seiner „Partei Rechtsstaatlicher Offensive“.
Wesentlich für den Erfolg dieses Polit-Hasardeurs war, wie gut er die Klaviatur kleinbürgerlichen Unbehagens zu bespielen wusste: Mal mehr, mal weniger von der Wirklichkeit gedeckt, beschwor er einen drohenden Kollaps von Recht und Ordnung, bemühte mal mehr, mal weniger wahre Kriminalitätszahlen und kitzelte unbekümmert die Angstlust eines auf dem Boulevard in Autoritätsglauben geschulten Publikums.
Die vielleicht allzu lange allzu selbstgefällig der Macht sich sicher wähnende SPD kam daran nicht mal vorbei, indem sie auf den letzten Wahlkampfmetern noch einen neuen Innensenator installierte, einen roten Gegen-Hardliner sozusagen – einen gewissen Olaf Scholz. Der 1995 vom Briten Tony Blair geprägte Ausspruch, Recht und Ordnung, das sei Sache seiner Labour Party, verfing nicht mal mehr im sich so anglophil vorkommenden Hamburg.
Polit-Hasardeure im Laternenschein
All das mag den SPD-Granden im Kurt-Schumacher-Haus – der örtlichen Parteizentrale – kürzlich wieder sehr aktuell erschienen sein: Im Frühjahr erschien, erst mal eine Nummer kleiner, wieder so ein betont politikapparatsfremd sich gebender Jurist auf der Bildfläche. Und setzte auf ein Thema, das auch Schill schon zu melken verstanden hatte: Den angeblich eskalierenden Drogenhandel im Schanzenpark solle die Politik beenden, forderte nun also dieser Rechtsanwalt – andernfalls werde er per Bürgerbegehren den Volkszorn von der Kette lassen.
Der taz sage er jetzt, man habe ihn bloß missverstanden, und wenn auch längst nicht alles, was ihm vorschwebte, am Ende Widerhall gefunden hat, so kann der Mann doch einen Erfolg verbuchen: Zumindest die heutigen Oppositionsparteien – die einst mit Schill im ausschließlich sprichwörtlichen Bett lagen – machten sich seine Ideen zu eigen. Und die tatsächlich Verantwortlichen nahmen, nach anfänglichem Drucksen und Zögern und Hinweisen auf diese und jene Technikalität, dann doch ein bisschen Geld in die Hand – gerade erst bewilligte man die Mittel für etwas mehr Licht wider die ach so dunklen Geschäfte im Park.
Das aber ist ein echter Klassiker unter den pseudo-einleuchtenden (!), zuallererst dann aber doch symbolischen Moves konjunkturgetriebener Politikschaffender, längst nicht nur in Hamburg oder Bremen. Dass mehr Licht unerwünschtem Treiben ein Ende setzt, es zumindest verringert oder auch bloß aus der öffentlichen Wahrnehmung vertreibt: So plausibel das klingt, so wenig ist es auch belegt.
Mindestens seit dem 19. Jahrhundert aber lässt sich der Glaube an einen Zusammenhang von Licht und Sicherheit nachweisen, da kann empirische Sozialforschung noch so oft ihre Zweifel anmelden; 2015 erst kamen britische Wissenschaftler einmal mehr zu dem Schluss: Aus Kostengründen gedimmte, in ihrer Anzahl reduzierte oder gleich ganz eingesparte Straßenlaternen haben keine eindeutigen Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit, geschweige denn die Kriminalität.
Freilich sind Tatsachen – wie etwa auch die regelmäßigen Kriminalitätsstatistiken – das Eine, die gefühlte Wirklichkeit aber ist ein Anderes. Einen Zusammenhang von „Unsicherheitsgefühlen im öffentlichen Raum“ und „Dunkelheit und Verlassenheit“, den gibt es eben doch, schreiben etwa Diana Ziegleder, Dominic Kudlacek und Thomas Fischer 2011 in der Schriftenreihe des interdisziplinären „Forschungsforums Öffentliche Sicherheit“ der FU Berlin – allerdings unter Hinweis auch auf ganz andere Faktoren: „Mit zunehmendem Alter steigt bei männlichen Befragten die Häufigkeit vermeidender Schutzmaßnahmen, was – ebenso wie bei älteren Frauen – auch mit Entfremdungsprozessen und Ressentiments gegenüber dem sozialen Wandel in Zusammenhang steht.“
Ein paar Lumen mehr sind auch keine Lösung
Ist der Hamburger Park mit dem markanten, zum Hotel gemachten alten Wasserturm darin nun zum „Angstraum“ geworden, wie es mancher wahrnimmt – in auffälliger Anlehnung an entsprechende Diskussionen um den Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg?
Nehmen wir mal an, es ist so: Muss dann nicht auch gesprochen werden von anderen Parallelen zwischen den beiden einst als alternativ gelesenen Quartieren um diese Grünanlagen herum, von Veränderung und Verdrängung, von Touristenströmen und Betongeld-Investitions-Hype? Von Verunsicherungen also, die ihrerseits Angst machen – und denen sich nicht einfach beikommen lässt mit ein paar Lumen mehr.
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