Missionen der Bundeswehr: Bundestag kennt nicht alle Einsätze
80 bewaffnete Soldaten pro Jahr für die Mongolei? Viele Auslandseinsätze werden ohne Parlamentsauftrag ausgeführt. Der Linken passt das nicht.
BERLIN taz | Groß war die Aufregung, als in der Ukraine jüngst eine Handvoll deutscher Soldaten entführt wurde, die im Namen der OSZE unterwegs waren: Was hatte die Bundeswehr dort zu suchen und wo war das dazugehörige Bundestagsmandat?
Es gab keines. Sehr viele Bundeswehreinsätze im Ausland kommen ohne Parlamentsauftrag aus. So geht es aus einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, die der taz vorliegt. Darin zählt das Ministerium weit über hundert Einsätze aus den Jahren 2009 bis 2014 auf, die nicht unter die Zustimmungspflicht fielen.
Dazu gehören nicht nur diverse UN-Missionen – etwa zur Vorbereitung des Mali-Einsatzes 2013 mit 75 deutschen Soldaten. Besonders lang fällt die Liste der Beratungs- und Schulungsgruppen für alle Welt aus. Darunter: Einer, drei oder auch sieben Leute für Saudi-Arabien zur Ausbildung am Drohnensystem „Luna“ und zum „Schießen mit dem Kampfpanzer“ sowie „Erprobungsschießen des Panzers Leopard“ von 2010 bis 2012.
Die größten dieser Schulungseinsätze aber sind Kontingente von zweimal 40 bis 45 Soldaten pro Jahr, die seit 2011 in die Mongolei geschickt werden. Dort bilden sie in der Tundra bei Ulan-Bator mongolische Streitkräfte aus. Sie sollen die Bundeswehrlager in Afghanistan bewachen, wie das Heer auf seiner Internet-Seite erläutert. Die Bundeswehrsoldaten tragen „Handwaffen zur Ausbildung“ bei sich, schreibt das Ministerium.
Ihr Einsatz fällt damit formal zwar nicht unter das Parlamentsbeteiligungsgesetz, das eine Zustimmung des Bundestags verlangt, wenn deutsche Soldaten in „bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind“. Für die Abgeordnete Sevim Dagdelen überschreiten Missionen dieser Größe und Art aber die Grenze zur Zustimmungspflicht. „Es ist unhaltbar, dass die Bundesregierung bewaffnete Ausbildungsmissionen der Bundeswehr einfach am Parlament vorbei entsendet“, sagte Dagdelen zur taz.
Es dränge sich der Verdacht auf, dass es sich speziell beim Mongolei-Einatz „um den Versuch einer geopolitischen Einflussnahme handelt“, erklärte Dagdelen. Sie verlangt, dass Bundestag und Öffentlichkeit „im Vorfeld“ über solche Einsätze aufgeklärt würden, „und nicht erst auf Nachfrage.“
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