Missbrauch in der katholischen Kirche: Transparenz ist nötig
Auch die Ordensgemeinschaften haben nun eine Missbrauchsstudie vorgelegt. Die Zahlen zeigen: Entschädigung und Transparenz sind angebracht.
E s hört einfach nicht auf: Die Zahl der bekannt werdenden Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche steigt unaufhörlich. Zu den von der Deutschen Bischofskonferenz bislang ermittelten mehr als tausend Taten, begangen vor allem von Priestern und Diakonen, kommen jetzt weitere Fälle in Orden und Klöstern hinzu. Die Deutsche Ordensoberenkonferenz spricht nach einer jetzt veröffentlichten Umfrage in den eigenen Reihen allein von 1.412 Opfern und 654 Täter*innen. Damit steigt die Zahl der Opfer in katholischen Einrichtungen auf über 5.000, die der Täter*innen auf über 2.200.
Die jetzt publik gewordenen Fälle reichen bis weit in die 1950er Jahre zurück, die meisten der beschuldigten Mönche, Nonnen und anderen Ordensleute sind bereits verstorben. Was heißt das für die Opfer? Und was für die Aufarbeitung?
Viele Fälle sind nach geltendem Straf- und Zivilrecht verjährt. Das ist ein Problem, denn sobald etwas juristisch keine Rolle mehr spielt, haben Opfer keine Chance auf Wiedergutmachung – falls es so etwas bei als Kind erlebter sexueller Gewalt überhaupt gibt. Auch für die Aufarbeitung ist das fatal.
Die katholische Kirche hat sich oft genug mit Verjährungen herausgeredet. Angesichts dieses mehr oder weniger laxen Umgangs der katholischen Kirche mit massiver Gewalt an Kindern und Jugendlichen erscheinen entschuldigende Worte, wie sie jetzt auch wieder gefallen sind, etwas wohlfeil.
Wie wäre es stattdessen mit einer „Wiedergutmachung“, die den Opfern mehr hilft: Entschädigungssummen, mit denen sie Therapien, Rollstühle und ihr oft infolge von Arbeitslosigkeit und Einsamkeit prekäres Leben leichter finanzieren könnten? Mit Berufsverboten für Täter*innen? Mit ehrlich gemeinter Transparenz durch vollständige Öffnung der Kirchenarchive?
Und: Wer Kinder heute ernsthaft schützen will, muss dafür sorgen, dass Kindergottesdienste, Ferienfahrten und alle anderen Aktivitäten, bei denen Kinder mit Geistlichen zusammen sind, komplett gewaltfrei sind. Um das zu erreichen, helfen vor allem Transparenz und das vollständige Aufdecken des „Systems Missbrauch“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist