piwik no script img

Missbrauch in PolenDer Täter in der Soutane

Ein Film über Missbrauch in der Katholischen Kirche löst heftige Debatten aus. Der Regierungspartei PiS kommt das vor der Wahl sehr ungelegen.

Tempel der Göttlichen Vorsehung in Warschau: Die Missbrauchs-Debatte ist keine gute PR für Polens Katholische Kirche Foto: ap

Warschau taz | Schamrot sind die Gesichter der drei missmutig-arrogant dreinschauenden Erzbischöfe zwar nicht, doch der rosarote Farbton auf dem Schwarz-Weiß-Titelbild des Nachrichtenmagazins Newsweek Polska gibt die Stimmung in Polen gut wieder: Entrüstung und tiefe Scham.

Über acht Millionen Polen haben seit Samstag bereits den zweistündigen Dokumentarfilm „Nur sag es bloß keinem“ gesehen. Es geht um sexuellen Kindesmissbrauch durch katholische Geistliche in Polen und die jahrzehntelange Vertuschung dieser Verbrechen durch Bischöfe und Erzbischöfe.

Das Thema ist nicht neu, doch in diesem Film wagen sich zum ersten Mal Opfer vor die Kamera, berichten von ihrem kindlichem Entsetzen beim Missbrauch, von verzweifelten Versuchen, ihren Peinigern zu entkommen und von ihrem zerstörten Leben. Der Film macht klar: Alle konnten es wissen, die es wissen wollten – die Bischöfe und Gläubigen, die Staatsanwälte und Richter, die Journalisten und die Politiker.

Ob die Diskussion wahlentscheidend sein wird, wagt niemand vorherzusagen. Doch für die seit 2015 allein regierenden Nationalpopulisten von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) kommt die Debatte über die Sexualstraftäter in der Soutane höchst ungelegen. Denn eigentlich sollte die katholische Kirche im PiS-Wahlkampf eine entscheidende Rolle spielen.

„Linkes Lumpenpack“

Politiker wie der PiS-Chef Jarosław Kaczyński, erzkonservative Priester, Publizisten und Bischöfe spielen sich schon seit einiger Zeit die Bälle zu. So teilt die PiS sowohl die kirchliche Genderideologie gegen Feministinnen als auch diejenige vom „Homoterror“. Angeblich würden Schwule, Lesben, Feministinnen und das „linke Lumpenpack“ die katholische Kirche Polens angreifen und damit die ureigenste Identität der Polen, wettert Kaczyński in seinen Wahlkampfauftritten.

Die PiS aber, so versicherte der faktisch mächtigste Mann Polens bislang, werde die Kirche verteidigen: „Wer die Hand gegen die katholische Kirche erhebt, erhebt die Hand gegen Polen!“

Ob die Debatte die Wahl entscheiden wird, wagt keiner vorherzusagen

Der Film ändert alles. Er macht klar, dass die Bischöfe und Erzbischöfe die Sexualstraftäter oft einfach nur in eine ­andere Gemeinde versetzten, wo sie vielleicht keinen Kontakt mehr mit Kindern haben sollten, dann aber doch Kommunionskinder betreuten, Messdiener hatten – und erneut Kinder missbrauchten.

Obwohl das Episkopat vor einigen Wochen schon seine Schuld eingestand und Besserung versprach, wollte doch keiner der Bischöfe mit dem bekannten Investigativjournalisten Tomasz Sekielski vor der Kamera sprechen. Und als sich jetzt der Danziger Erzbischof Sławoj Głódź zum Film äußern sollte, ließ er die Journalistin abblitzen: „Ich schaue mir nicht irgendwas an. Attackieren Sie mich nicht. Ich bin nicht so naiv, wie Sie, Frau Redakteurin, zu denken scheinen!“

Die PiS kann sich nun nicht mehr als Verteidigerin der Kirche aufspielen, und auch das „Hände weg von unseren Kindern!“, mit dem Kaczyński vor wenigen Tagen noch gegen die Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare gewettert hatte, trifft ihn nun wie ein Bumerang.

„Hände weg von unseren Kindern“, ruft nun ­Robert Biedroń, der Gründer der sozialdemokratisch-alternativen Partei Wiosna (Frühling). Doch der erste sich zu seinem Schwulsein bekennende Politiker in Polen meint die Sexualstraftäter in den Soutanen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Das christliche Kirchenvermögen in Polen?

    Das unchristliche Kirchenvermögen in Deutschland: nur 400 Milliarden Euro?

    Vgl. web.de/magazine/wi...utschland-33621932

  • Es geht bei dieser sexualisierten Gewalt darum die Betroffenen gefügig zu machen, zu unterwerfen, es geht nicht um Sexualität!

  • Wer dachte, polnische Priester hätten keinen Sexualtrieb, war auf einem Holzweg. Vielleicht eine Gelegenheit, die irrationalen und der Naziideologie nahestehenden Verantwortlichen der polnischen Regierung loszuwerden. Wer sich an der Wortwahl stört, sollte einmal die Berichte in vielen verschiedenen Medien über Kaczyński und Spießgesellen lesen und dann urteilen. Der Demokratie stehen sie jedenfalls nicht nahe! Auch Opfer des Missbrauchs von polnischen Geistlichen verdienen Gerechtigkeit!

    • @fvaderno:

      das zöllibat erweist sich überall in der welt und auch in polen als ein fehler--und wird zu recht kritisiert es sollte abgeschafft werden,damit die katholischen priester ihren sexualtrieb nicht mehr verdrängen und verleugnen müssen

      vielleicht schaden die missbrauchsskandale in der katholischen kirche polens dem ansehen der allzueng mit ihr verbundenen regierungspartei

      aber beim beleidigen des politischen gegners sollte man nicht lügen sondern wahres besonders unhöflich und undiplomatisch sagen:







      die polen hatten zwischen den beiden weltkriegen ihre eigene version des reaktionären nationalismus und sie haben sie auch jetzt.



      man muss sie nicht gutfinden um sie nicht mit der nazi-ideologie zu vergleichen.



      ein solcher vergleich wäre sehr unfair und Sie sollten ihn nicht ziehen:

      ein prominenter repräsentant des reaktionär-konservativ-nationalistischen polens war Josef Pilsudski

      auf wikipedia ist über ihn folgendes zu lesen:



      " Notable appreciation for Piłsudski was expressed by Poland's ethnic and religious minorities. Eastern Orthodox, Greek Orthodox, Protestant, Judaic and Islamic organizations expressed condolences, praising Piłsudski for his policies of religious tolerance. His death was a shock to members of the Jewish minority, who even years after remembered him as a "very good man" who "protected Jews"."

      en.wikipedia.org/w...ki#Religious_views

      das reaktionär konservativ-nationalistische lager in polen ist sehr katholisch.die katholische kirche hat sich (im gegensatz zu einigen sogenannten protestantischen kirchen in deutschland oder auch in südafrika ) zu keiner zeit ihrer geschichte eine rassistische weltanschaung zu eigen gemacht.

      damit soll aber nicht pauschal bestritten werden dass es in polen einen religiösen antijudaismus gab

    • @fvaderno:

      "Wer sich an der Wortwahl stört, sollte einmal die Berichte in vielen verschiedenen Medien über Kaczyński und Spießgesellen lesen und dann urteilen."

      Die "vielen verschiedenen Medien" haben oft zu "vielen verschiedenen" Sachen gleiche Meinung.

      Was die Proester in der KK betrifft - sogar linksliberaler Guardian sieht da nicht mehr Missbrauch als in den anderen Berufsgruppen:

      www.theguardian.co...olic-abuse-priests

      Welche "Erfolgschancen" die Filme zu diesem Thema haben, kann man am besten am Beispiekl von Amy Berg sehen, deren Film ("Deliver Us fro Evil") über den Missbrauch in der KK zum Oscar nominiert wurde und der Film über Pädophilie unter den Hollywood-Liberalen ("An Open Secret") keinen Distributor fand.