Ministerinnen-Rücktritt in Österreich: Altlasten des Ex-Kanzlers

In Österreich geben zwei Vertraute des früheren Kanzlers Kurz ihr Ministerinnen-Amt auf. Die von Skandalen belastete ÖVP will sich nun erneuern.

Köstinger im weißen Kleid neben der Fahne Österreichs

Eine von zweien, die am Montag ihren Rücktritt erklärt hat: Tourismusministerin Elisabeth Köstinger Foto: Georg Hochmuth/dpa

WIEN taz | „Elli, es ist vorbei!“, mit diesem Zuruf hatte Matthias Strolz, Gründer und Ex-Vorsitzender der liberalen Partei Neos, einen der Sätze des Jahres 2021 geliefert. Gefallen ist er letzten Oktober bei einer TV-Diskussion über die Skandale der Ära Sebastian Kurz. Der Abgang von Elisabeth Köstinger (ÖVP), einer der engsten Vertrauten von Kurz, erfolgte jetzt mit sechsmonatiger Verspätung. In einem kurzen Statement erklärte sie am Montagvormittag ihren Rücktritt als Landwirtschafts- und Tourismusministerin.

Schon als Sebastian Kurz im Herbst zuerst als Bundeskanzler, dann auch als ÖVP-Obmann abtrat, sei für sie festgestanden, „dass ich dieses Kapitel schließen werde“. Kanzler Karl Nehammer habe sie aber gebeten, eine Anzahl von Projekten abzuschließen. Das sei jetzt gelungen. Köstinger, die aus der Kärntner Landjugend kommt, hatte über den konservativen Bauernbund politische Karriere gemacht, zunächst im Europäischen Parlament.

2017 holte sie Sebastian Kurz nach Wien und machte sie zur ÖVP-Generalsekretärin und Wahlkampfleiterin. In der darauf folgenden Koalition mit der FPÖ übernahm sie das Landwirtschafts- und Umweltministerium. Nach dem Platzen dieser Regierung infolge des Ibiza-Skandals, Neuwahlen und einer Koalition mit den Grünen blieb sie Ministerin, musste aber die Umweltthemen an den Koalitionspartner abgeben. Dafür bekam sie Tourismus, Telekommunikation und Zivildienst.

Auffällig wurde sie vor allem durch stete Querschüsse gegen die Grünen und als Befürworterin der schnellen Öffnung für Tourismus und Gastronomie während der Pandemie. Fragen beantwortete Köstinger nach ihrem Auftritt keine. Laut ihrem Büro wird sie zunächst Urlaub machen und dann „in die Privatwirtschaft“ gehen. Auch Wirtschafts- und Digitalministerin Margarete Schramböck (ÖVP) verkündete am Montag per Videobotschaft ihren Rücktritt.

In Umfragen stürzte die ÖVP deutlich ab

Die zeitliche Nähe zum ÖVP-Parteitag am kommenden Samstag, bei dem Karl Nehammer offiziell zum Nachfolger von Sebastian Kurz gewählt wird, ist kein Zufall. Nehammer, der einen Neustart anstrebt, hebt sich zwar durch seinen verbindlicheren Stil von Kurz ab, schleppt aber noch einen Ballast von Kurz-Loyalistinnen mit. Köstinger und Schramböck sind jetzt ihrer Ablösung zuvorgekommen. Wer ihre Nachfolge antreten wird, ist noch unklar.

Die ÖVP ist durch immer neue Skandale und den Abgang von Kurz in Umfragen von annähernd 40 Prozent auf nur mehr knapp über 20 Prozent abgestürzt. Sie hätte heute weder mit den Grünen noch mit dem früheren Wunschpartner FPÖ eine Mehrheit und müsste den ersten Platz an die SPÖ abgeben. Auch eine Rückkehr von Sebastian Kurz würde daran wohl nichts ändern.

Der politisch entzauberte Kurz arbeitet jetzt für den Tech-Mogul, Trump-Fan und Milliardär Peter Thiel als „Global Strategist“. Eine Rückkehr schloss er aus. Derzeit ermittelt die Justiz gegen ihn wegen falscher Aussage vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss und in Zusammenhang mit der „Inseratenkorruptionsaffäre“ – mit Steuergeldern wurden zugunsten von Kurz manipulierte Umfragen und Berichte in Boulevardzeitungen gekauft.

Karl Nehammer ist durch die ÖVP-Korruptionsaffären nicht direkt belastet, blieb einen politischen Neustart aber bisher schuldig. In einem Interview hat er bestritten, die ÖVP hätte ein Korruptionsproblem. Beim bevorstehenden Parteitag wird er mit dieser Aussage voraussichtlich gut ankommen.

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