Mini-Demo der Islamfeinde in Wien: Ösi-Pegida schleicht sich
Pegidisten demonstrierten in Wien und stießen auf eine antifaschistische Blockade. Tausende gingen für Toleranz und Vielfalt auf die Straße.
WIEN taz | Viel hat nicht gefehlt und auf der ersten Pegida-Demonstration in Wien wäre am Montagabend Blut geflossen. Eine stundenlange Konfrontation zwischen Pegida-Anhängern und einem Antifa-Block wurde aber mit Sprechchören ausgetragen. Die in mehreren Hundertschaften ausgerückte Polizei verhinderte einen Zusammenstoß und löste die Pegida-Demo schließlich auf.
„Wir sind das Volk“, tönte es zwischen Schottenkirche und Palais Kinsky auf der Wiener Freyung. Da wurden nicht nur österreichische Fahnen geschwungen, sondern auch deutsche. Einer, der das serbische Banner auspackte, suchte offenbar Rache für das Amselfeld, wo die Türken 1389 den serbischen König Lazar töteten.
„Ick jebe keen Interview“, zischte ein Bärtiger, der hörbar nicht aus Wien kam, am Revers ein Stahlhelm-Anstecker. Gesprächiger war der Bürolehrling Linus Schark aus Wien. Man müsse aufpassen, „dass das nicht überhand nimmt“. Der Islam komme aus Arabien und dort solle er auch bleiben.
Neben bulligen Glatzköpfen in Tarnhosen und Motorradjacken standen auch szenefremde Demonstranten. Frau Rosa etwa, die sich in der Gesellschaft der Glatzen gar nicht wohl fühlte. Aber es gehe um die Sache, so die Arbeitslose. In zehn Jahren, so ist sie überzeugt, werde es in Europa keine Christen mehr geben.
„Prügeln werden wir nicht“
Der „Spaziergang“ der Österreich-Pegida war für 250 Teilnehmer angemeldet. Es dürften etwas mehr gewesen sein. Doch viele verflüchtigten sich, als es zum vorgesehenen Marsch durch die Innenstadt kommen sollte. Der Weg war inzwischen von etwa ebenso vielen linken Gegendemonstranten versperrt. „Nieder, nieder, nieder, nieder mit Pegida!“, hieß deren Botschaft.
Ein doppelter Polizeikordon verhinderte Handgreiflichkeiten. Pegida-Sprecher Georg Immanuel Nagel, ein ehemaliger DJ, telefonierte nervös und verkündete schließlich, man werde sich Versammlungsfreiheit und das Recht auf Meinungsäußerung nicht nehmen lassen. Die Polizei hatte aber keine Anweisung, den Weg mit Gewalt zu bahnen. „Prügeln werden wir sicher nicht", sagte einer der mit Helm und Plastikschild ausgerüsteten Ordnungshüter, „wir sollen nur die Stellung halten“ – bewährte Deeskalationstaktik angesichts der teils vermummten Gegendemonstranten, die keine Anstalten zeigten, zurückzuweichen. „Wir sind die Mauer, das Volk muss weg!", so der etwas gruselige Sprechchor.
Zwei Stunden dauerte das Patt bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Dann wurde es auch der Polizei zu kalt. Sie schickte die Pegida-Anhänger nach Hause. Zum Hitlergruß erhobene gestreckte Arme lieferten dafür den willkommenen Anlass. Nächste Woche, so verkündete Nagel noch, soll der nächste „Spaziergang“ stattfinden.
Völlig friedlich lief indes ein Anti-Pegida-Marsch von rund 5.000 Menschen ab, der von der Offensive gegen Rechts und verschiedenen muslimischen Vereinen angeführt wurde.
Vorbild Dresden
Pegida-Wien orientiert sich am Dresdner Vorbild. Via Facebook wurden Vernetzungen hergestellt und Parolen abgekupfert. Deutsche leisteten offensichtlich auch Entwicklungshilfe beim ersten Aufmarsch.
Heinz Christian Strache, Chef der rechtspopulistischen FPÖ, unterstützt das Anliegen, doch hütete er sich, persönlich auf der Demo zu erscheinen. Aus seiner Partei wurde nur der ehemalige Nationalrats-Vizepräsident Martin Graf, ein bekennender Nationaler, gesehen. Denn der harte Kern der Austro-Pegida steht weit rechts.
Rechtsextremismus-Experte Andreas Peham, der die Szene seit Jahren beobachtet, weiß von extremistischen Fanklubs, die sich eingeklinkt hätten. „Unsterblich“ nennt sich der mittlerweile verbotene Fanclub der Austria Wien, der regelmäßig für Randale auf den Tribünen gesorgt hat. Aber auch Hooligans von Rapid Wien hatten sich für die Demo angemeldet. Pläne, die Hooligans aller Wiener Clubs unter dem Namen „Eisern Wien“ zu einer gemeinsamen, schlagkräftigen Gruppe zusammenzuführen, könnten über die Pegida-Plattform Gestalt annehmen.
Eine breite Wutbürger-Bewegung dürfte aus Pegida-Wien allerdings nicht werden. Teilnehmerinnen vom Schlage einer Frau Rosa dürften zukünftigen Veranstaltungen fernbleiben.
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