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Mindestlohn in DeutschlandExperiment mit offenem Ausgang

Ein Mindestlohn von 8,50 Euro brächte jedem sechsten Arbeitnehmer plötzlich mehr Geld. Doch der Mindestlohn hat Tücken, die niemand abschätzen kann.

Mehr Brutto: Auch in der Gastronomie könnte der Mindestlohn helfen. Bild: ap

BERLIN taz | Das Argument mit den Iren und ihren Kneipen kann Dirk Ellinger nicht mehr hören. Die Iren haben einen nationalen Mindestlohn von 8,65 Euro die Stunde. Und da sollten sich die Deutschen nicht so haben mit ihren 8,50 brutto, um die man derzeit streitet, sagen Gewerkschafter. Aber Ellinger, Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga in Thüringen, sieht das ziemlich anders.

„Die Iren haben ein anderes Preis- und Einkommensniveau und weniger Sozialleistungen. Für unsere Branche hier wäre ein Mindestlohn von 8,50 Euro dramatisch“, sagt Ellinger. „Das Kneipensterben wäre vorprogrammiert.“ Er vertritt über 1.400 Hotels, Gaststätten, Restaurants, Bahnhofskneipen in Thüringen. „Viele kleine Betriebe haben nicht die Ertragskraft für einen solchen Lohn“, meint er.

Der Streit über den Mindestlohn lässt die Gefälle in der Wirtschaft hervortreten – nicht nur zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten, sondern auch zwischen großen und kleinen Betrieben, zwischen West und Ost, zwischen exportstarker Industrie und kleinen Dienstleistern. 8,50 Euro die Stunde als untere Lohnuntergrenze: Das wird ein Experiment mit Verschiebungen, Verzerrungen, Gewinnern und auch ein paar Verlierern.

Auf geht’s

Suche: Am Mittwoch beginnen die Verhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD zur Bildung einer Großen Koalition.

Zugeständnisse: Im Vorfeld haben die Sozialdemokraten deutliche Zugeständnisse der Union bei Themen wie dem gesetzlichen Mindestlohn angemahnt.

Wünsche: Unionspolitiker fordern im Gegenzug, dass die SPD auf ihren Wunsch nach Steuererhöhungen verzichtet.

Fünf Millionen Menschen in Deutschland verdienen weniger als 8,50 Euro brutto in der Stunde, schreibt das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle. Keinesfalls handelt es sich dabei fast nur um hinzuverdienende RentnerInnen, Schüler oder Hausfrauen. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) gibt es unter den Kleinverdienern mit weniger als 8,50 Euro die Stunde immerhin 40 Prozent Vollzeitkräfte.

Typische Branchen für Niedriglöhne

In bestimmten Branchen und Regionen häufen sich die Niedrigverdiener: So ackern im Gastgewerbe im Osten zwei Drittel des Personals zu einem Lohn von unter 8,50 Euro die Stunde. Auch in der Land- und Forstwirtschaft und im Handel arbeiten überproportional viele Kleinverdiener. Dazu gehören auch die Zeitungszusteller. Aus den Vorgaben zum Stücklohn errechnet sich etwa in München „ein Stundenlohn zwischen 3,50 Euro und 7,50 Euro“, sagt Helmut Thanner, Mitglied der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und Betriebsrat in einem Münchner Zustellunternehmen.

Käme es zu einem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde, müsste laut DIW ein Sechstel aller Arbeitnehmer einen höheren Stundenlohn erhalten. Ein gesetzlicher Mindestlohn hebt zudem in manchen Betrieben das gesamte Lohngefüge.

„Die angelernten Kräfte in der Küche und im Reinigungsbereich bekommen laut Tarif 7,30 Euro“, rechnet Ellinger vor. Gelernte Kellner kriegen 8,50 Euro. Wenn man die unterste Stufe anhebt, müsste man auch den Lohn der Kellner etwas steigern, um einen Unterschied beizubehalten.

„Wir kommen damit auf lineare Tariferhöhungen von 20 Prozent“, sagt der Dehoga-Hauptgeschäftsführer. Umgerechnet ergebe dies etwa einen Preisaufschlag von 7 Prozent. Ellinger befürchtet: „Steigen die Preise, sagen die Leute: Dann gehe ich eben nicht in die Kneipe.“

Doch in welchen Bereichen höhere Preise vom Kunden akzeptiert werden und wo nicht, ist eine offene Frage. Immerhin steigt mit einem Mindestlohn auch die Kaufkraft, wenn auch nicht erheblich. Laut DIW kommt es bei einer Lohnuntergrenze von 8,50 Euro zu einer Bruttolohnsteigerung von durchschnittlich 3 Prozent.

Kaum Arbeitsplatzabbau

Zudem gibt es noch andere Möglichkeiten, höhere Personalkosten zu kompensieren. Dazu hat man Erfahrungen mit den Mindestlöhnen in bestimmten Branchen. In Wäschereien mit gewerblichen Kunden etwa wurde ein Mindestlohn eingeführt. Daraufhin musste ein Drittel der Betriebe die Löhne erhöhen. Nennenswerte Auswirkungen auf die Beschäftigung konnten bei den Wäschereien „nicht festgestellt werden“, heißt es in einem Überblick des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Die Betriebe senkten an anderen Stellen die Kosten und versuchten, die Produktivität zu erhöhen. Auch für die seit 16 Jahren existierenden Mindestlöhne im Bauhauptgewerbe ließen sich „keine oder nur sehr geringe Folgen“ für die Beschäftigung inländischer Arbeitnehmer nachweisen, schreibt das IAB.

Dabei rechnen Experten mit Ausweichbewegungen in den Arbeitsverhältnissen, um den höheren Lohnkosten für abhängig Beschäftigte zu entgehen. Möglicherweise halten sich viele Imbisse dann nur noch als Ein-Mann-Betrieb am Markt, und die nächste Diskussion über Scheinselbständigkeit entsteht.

„Es gibt dann vielleicht auch mehr Familienbetriebe“, sagt Remzi Kaplan, Dönerproduzent in Berlin und im Vorstand der Türkisch-Deutschen Unternehmervereinigung. Betriebe mit „mithelfenden Familienangehörigen“ müssen der Verwandtschaft keinen gesetzlichen Mindestlohn zahlen.

Unbezahlte Überstunden

Branchen, die mit Stücklöhnen arbeiten, könnten zudem durch überhöhte Vorgaben indirekt die Entlohnung drücken: Die Vorgaben müssten dann mit unbezahlten Überstunden abgearbeitet werden. Dies passiert derzeit in der Gebäudereinigung, die bereits einen Branchenmindestlohn hat, aber nach geputzten Quadratmetern abrechnet. Bei den Zeitungszustellern müssten im Falle eines Mindestlohnes die Berechnungssysteme nach realistischen Vorgaben „angepasst werden“, betont Betriebsrat Thanner.

In Irland sind mit dem Mindestlohn keine Jobs verloren gegangen, der Lohnabstand zwischen Frauen und Männern verringerte sich, berichtete John Douglas, Präsident des Irish Congress of Trade Unions, unlängst in Berlin. Die Iren stiegen im Jahr 2000 allerdings mit einem nationalen Mindestlohn von nur 4,40 Pfund ein, umgerechnet etwa 5,60 Euro.

In Frankreich mit einer Lohnuntergrenze von 9,43 Euro kreist durchaus die Diskussion um dadurch bedingte Jobverluste. Studien dazu gebe es aber kaum, sagte Jérome Gautié, Direktor des arbeits- und sozialwissenschaftlichen Instituts an der Sorbonne, auf einer Tagung in Berlin. In Frankreich bekommen die Arbeitgeber hohe Subventionen für die Sozialversicherungsbeiträge zum Mindestlohn. Auch deswegen halten sie still.

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67 Kommentare

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  • Der Dehoga-Sprecher ist mit sich im Reinen "... jedem das Seine, und mir das Meiste ..."

     

    Aber so einfach ist die Welt nicht. Im Hotel- und Gaststättengewerbe bekommt der Koch ein Fixentgelt und dann was "auf die Hand". Das haben die Köche gern, weil Sie denken nicht an ihre späteren Rentenansprüche.

     

    Und diese Liste in diesem Gewerbe kann fortgeführt werden. Die Klientelpartei FDP ist jetzt weg vom Fenster und da sorgen sich die Herrschaften innerhalb der Dehoga um ihre Pfründe.

     

    Euro 8,50 die Stunde ist das allermindeste Entgelt, was gezahlt werden sollte in OST und West.

     

    Es wird langsam Zeit, dass zusammenwächst, was zusammengehört - und da gehören DIE LÖHNE auch dazu !!!

  • ER
    echte Reformen

    Mindestlohn von 8,50... besser von 10 Euro ist nur eine Reparatur von Schäden verursacht durch das System, aber trotzdem eine Verbesserung für viele Menschen!

  • L
    Luise

    (,50 ist immer nooch viel zu wenig!

  • Die DEHOGA ist doch völlig unglaubwürdig. Selbst die "nobelsten" Hotels "bezahlen" oft ihre Leute weit unter 8,50€/Std. Gerade weil der Staat aufstockt, können die ja so mit den Leuten umspringen. Wer sich Arbeitgeber nennt, sollte auch den vollen Lohn zahlen. Es wird immer gejammert, dass der Staat sich in die Tarifautonomie einmischen würde, aber der Staat darf gerne den zum Leben fehlenden Lohn der Mitarbeiter zuschießen. Ich ruf doch auch keinen Maler, wenn ich seine Arbeit nicht bezahlen kann. Dann muss ich meine Hütte eben selbst streichen. Die Damen und Herren Arbeitgeber meinen aber, es reiche schon, die Leute arbeiten zu lassen - ums Bezahlen sollen sich dann andere kümmern. Für diesen Hirnschiß hat man Verständnis, aber ein Mindestlohn scheint hier den Untergang des Abendlandes einzuleuten. Krass!

    • @Rainer B.:

      Dass es Betriebe gibt, in denen der Mindestlohn missbraucht wird, um die Gewinnmarge zu "optimieren", heißt nicht im Umkehrschluss, dass ALLE Betriebe eine Lohnhöhe von mindestens 8,50€ verkraften könnten. Auch das teuerste Hotel ist nur dann überlebensfähig, wenn auch genügend Gäste willens sind, dort abzusteigen.

       

      Und wie in dem Artikel angesprochen wurde, ist es nicht allein der Mindestlohn auf der untersten Stufe, der dort zu Buche schlagen und die Preise nach oben treiben würde. Die Stufen darüber müssten auch angepasst werden. Das summiert sich.

       

      Dem gegenüber steht dann zwar ein Zuwachs an Kaufkraft bei den Arbneitnehmern, aber es kann nahezu ausgeschlossen werden, dass der 1:1 genau dort landet, wo mindestlohnbedingt die Preise erhöht werden müssen. Vor allem werden die Preiserhöhungen bei Betrieben, die sich bislang - mit oder ohne Rechtfertigung - besonders stark auf "Aufstocker" verlassen haben, die Preissteigerungen weit über dem liegen, was an Kaufkraftgewinn zu verzeichnen wäre. Da droht dann der Nachfrage-Kollaps, der möglicherweise alle Arbeitnehmer des Betriebs am Ende den Job kostet.

       

      Das soll Alles nicht heißen, dass ein Mindestlohn zwangsläufig abzulehnen ist, aber ganz so einfach, wie es der kategorische Imperativ "Man MUSS von seiner Hände Arbeit leben können." darstellt, ist die Situation eben auch nicht. Arbeit haben, bzw. Arbeit erhalten ist halt auch kein Selbstläufer.

      • @Normalo:

        Wie sieht die Situation zZt. ohne einen Mindestlohn aus? Betriebe machen Gewinne auf Kosten der Arbeitnehmer und auf Kosten des Staates. Diese Gewinne werden entweder ausser Landes verbracht, oder teilweise reinvestiert, um eine marktführende Stellung einnehmen zu können. Der Hotelier baut also ein zweites und drittes Hotel usw. bis er in seinem Segment keine Konkurrenz mehr hat. Das klappt manchmal, oft aber auch nicht - insbesondere, wenn eine bestimmte Größe überschritten wird und der Bedarf überschätz wurde. Bei Schlecker war's so und zuletzt bei Praktiker auch. Nach jahrelangen Expansionsphasen kommt dann irgendwann die große und endgültige Pleite. Die Arbeitnehmer, die diese Entwicklung mitfinanziert haben, dürfen dann zur Arbeitsagentur gehen und bekommen einen Teil ihres eingezahlten Geldes zurück, aber nur unter weitgehender Aufgabe ihrer Rechte. Das Spiel geht mit schlechteren Karten dann manchmal weiter, manchmal aber auch nicht. Wenn Sie so wollen, arbeiten in diesem System Arbeitnehmer immer indirekt am nachhaltigen Abbau ihrer Arbeitsplätze. Ein flächendeckender Mindestlohn kann diesen Prozess zumindest teilweise regulieren und verlangsamen. Wirklich etwas daran ändern kann aber nur eine grundlegende Neustrukturierung der Besitz- bzw. Eigentumsverhältnisse.

        Seien Sie unbesorgt, mit CDU/CSU/SPD wird es ohnehin niemals einen flächendeckenden Mindestlohn geben. Man wird sich auf irgendeine Mogelpackung einigen, von der von vorneherein keinerlei arbeitnehmerfreundliche Steuerungswirkung ausgehen kann und frech "Mindestlohn" draufschreiben. Damit wird dieses wichtige Thema dann erstmal beerdigt sein.

      • A
        Atmender
        @Normalo:

        Wer keinen Lohn von 8,50 bezahlen kann, hat als Unternehmer versagt und auf dem Markt nichts mehr verloren.

  • Mindestlöhne funktionieren - die Nachbarstaaten beweisen dies.

    Natürlich führt eine Umstellung zu Anpassungseffekten. Preissensible Dienstleistungen könnten dann weniger nachgefragt werden. In der Summe dürften diese Effekte aber gering sein.

    Problematisch sind allenfalls Randbereiche zwischen Ausbildung und Arbeit (z.B. Lehre) oder Hobby und Arbeit (z.B. Sporttrainer im Verein). Hier steht das Geldverdienen meistens nicht im Vordergrund und daher sollte der Mindestlohn nicht gelten. Gleichzeitig müssen diese Ausnahmen aber so gestaltet werden, dass sie nicht zu einem Umgehungskanal für den Mindestlohn werden.

    Ebenso sollten Umgehungsmöglichkeiten wie kostenloses Einarbeiten, Kettenpraktika oder kostenlose Überstunden reguliert werden.

    • @Velofisch:

      "Mindestlöhne funktionieren - die Nachbarstaaten beweisen dies."

       

      Kommt halt darauf an, was man eigentlich damit erreichen will. Mindestlöhne verursachen keinen Weltuntergang, sie lösen aber auch keine ökonomischen oder sozialen Probleme.

      Als sozialkosmetische Maßnahme funktionieren sie dagegen in der Tat wunderbar!

  • F
    FRUST

    Sollte sich demnächst,ein großer Teil der Bevölkerung kein Auto mehr leisten können, weil Energiekosten,Mieten,Mineralöl-Steuer etc. den größten Teil des Einkommens auffressen,dann wird man die Löhne anpassen müssen.Bisher sind die unterwürfigen Politiker ja nicht in der Lage, an den steigenden Ausgaben der Bürger etwas zu ändern. Da streiten die sich um läppische 8.50 €. Auch bei diesem lächerlichen Stundenlohn ist die Altersarmut vorprogrammiert. Tretet die Gier in den A..., dann ist alles in Ordnung. Aber da müssten sich die "Volksvertreter" erst selbst mal in den A... treten und Nein! sagen zu Parteispenden und Nebeneinkünften.

  • D
    Doc

    8,50 Euro pro Stunde sind bei einer Vollzeitstelle gerade mal 1.400 Euro brutto im Monat. Kann man von einem Menschen in Deutschland erwarten weniger Geld für seine komplette Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und noch eine Familie zu ernähren?

  • F
    Flo

    "„Die angelernten Kräfte in der Küche und im Reinigungsbereich bekommen laut Tarif 7,30 Euro“, rechnet Ellinger vor. Gelernte Kellner kriegen 8,50 Euro. Wenn man die unterste Stufe anhebt, müsste man auch den Lohn der Kellner etwas steigern, um einen Unterschied beizubehalten."

     

    Das wäre ja auch ein Skandal, wenn Müllmänner und Straßenkehrer plötzlich genauso viel Verdiehnen wie ihre studierten Chefs im Sessel. Was für ein Unding! Wo kommen wir denn hin als Gesellschaft, wenn wir die unbedingt notwendigen Basis-Arbeitsleistungen genauso gut bezahlen würden, wie die Vorgesetzten? Wo kämen wir hin in einer Gesellschaft ohne steile Hierarchien, wo man nach oben leckt und nach unten tritt?

     

    So ein Mindestlohn würde ja tatsächlich die künstliche Spaltung der Arbeiter in kleine Grüppchen aufweichen - das darf natürlich auf keinen Fall sein.

  • S
    Sören

    Teile der deutschen Wirtschaft stehen im internationalen Wettbewerb. Die Frage ist, ob wir diesen Wettbewerb über die Löhne führen wollen. Beim Lohnniveau können wir nicht mit Schwellen- und Entwicklungsländern konkurrieren; es wird sich immer ein Land finden, welches uns unterbietet.

     

    Ein einheitlicher Mindestlohn ist sinnvoller als regionale Mindestlöhne. Wenn man regionale Unterschiede hat, entstehen Verzerrungen im Wettbewerb, außerdem ist eine Differenzierung nach Region und/oder Branche unnötig bürokratisch. Ein (einmalig) von der Politik festgesetzter Mindestlohn ist die beste Lösung, die in vielen anderen Ländern seit Jahren funktioniert.

     

    Trotzdem wird so ein Mindestlohn nicht allen gleich nützen, wegen der Unterschiede bei den Lebenskosten (bspw. sind die Mieten unterschiedlich hoch). Deswegen sollte man überlegen, wie man die Menschen weiter entlasten kann, etwa über Freibeträge bei den Sozialversicherungsabgaben. Auch das Konzept des "living wage", bei dem Unternehmen das Zahlen, was wirklich zum Leben in einer Region notwendig ist, ist eine interessante Idee.

  • P
    Physio

    Ich bin definitiv für einen Mindestlohn und eine angemessene Bezahlung und zahle auch meinen Angestellten mehr als den ortsüblichen Stundenlohn und die diskutierten 8,50. Nur sieht es so aus, daß ich als Physio von den gesetzlichen Kassen abhängig bin und z.B. für zwei Behandlungen in der Stunde insgesamt nur 30EUR bekomme. Rechnen Sie nach, was davon übrig bleibt. Einzige Lösung wäre es drei Behandlungen pro h und Therapeut anzubieten, was aber den Behandlungserfolg gefährdet. Ich kann die Kollegen verstehen, die ihren Mitarbeiten da weniger bezahlen. Wo bleibt da die faire Vergütung? Und da kann man auch nicht davon sprechen, daß man als Unternehmer versagt hat. Man sollte nicht alles so pauschalisieren.

  • MD
    Martin D.

    umgekehrt: das experiment "freie lohnfindung und kein mindestlohn" ist gescheitert. denn das ergebnis ist eine extreme ungleichverteilung des wohlstands, den aber alle mit aufgebaut haben.

  • Wer den Mindestlohn von Euro 8,50 schlechtredet, ist ein Lügner und ein falscher Fuffziger obendrein.

    Wir alle zahlen das Aufstocken aus dem Steuereinkommen.

    Da muss man sich keinen Kopf machen; es ist so.

    JEDE Arbeit, ob das Servieren von Bierkrügen oder das Schlachten von Schweinen, braucht einen Mindestlohn.

    Oder glaubt allen Ernstes auch nur irgendwer, dass sich die etwas "entartete" Partei AfD z.B. sich um einen Mindestlohn kümmern würden ?!

    • @Pink:

      Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns ist wie das Öffnen der Büchse der Pandora. Es gibt entweder einen Inflationsschub oder mehr Schwarzarbeit. Von seiner Arbeit muss man zwar leben können, aber das Leben wird durch die Politik ja künstlich verteuert (Energiewende). Da sollte man ansetzen.

      • @Martin Wehlan:

        Das klingt fadenscheinig. Sorry, möchte Dir nicht zu nahe treten.

        Aber die Büchse der Pandora sehe ich GANZ WOANDERS.

        Jetzt soll die Energiewende auch noch verantwortlich gemacht werden dafür, dass der Strom aus der Steckdose kommt.

        Mann ! Mann ! Mann !

    • H
      Hans
      @Pink:

      Ja, aber sind 8,50 € wirklich angemessen. Wenn man sich bei einer 40-Stunden-Stelle das Bruttomonatseinkommen dann anguckt, kommen 1360,00 € raus, was abzüglich steuern so für nen Single bei 900 € landen sollte. Ist das überhaupt ein angemessener Lohn?

      • @Hans:

        Deine Frage ist mehr als berechtigt. Ich ging in der Debatte mal von der Zahl 8,50 aus.

        Je nach Familienstand wird die € 8,50 verdienende Persönlichkeit aufstocken müssen. Und das zahlen alle aus dem Steueraufkommen.

    • M
      Markus
      @Pink:

      @PINK auch bei €8,50 wird weiter aufgestockt. Dazu reicht schon die Situation: Frau und Kind zuhause, dann geht es weiterhin zum Jobcenter und die Familie kann den Sportclub per Antrag im Jobcenter versuchen, finanzieren zu lassen. Die ganze Familie lebt dann weiter in dieser unwürdigen Situation, obwohl der Mann dann arbeitet und viele arbeiten sogar sehr hart für €8,50. Aber in einem Punkt stimme ich Ihnen zu: Besser damit einsteigen, als das Ganze einfach weiter laufen lassen. Nur: Die Politiker müssen dann auch für Ordnung sorgen. Bei der 'Scheinselbständigkeit' lassen sie zu, dass gegen Gesetze massenhaft verstoßen wird - wenn sie das beim Mindestlohn auch machen, dann wird das ein Rohrkrepierer und das Chaos, Ausbeutung und die Verarmung werden noch schneller wachsen.

  • K
    Kritiker

    Was für ein grottenschlechter Artikel, der die vielen Probleme absolut einseitig betrachtet und nicht mal einen Hinweis auf die Ursachen dieser Probleme gibt. Hier wird sich an Symptomen und an Symptomen von Symptomen abgearbeitet. Tut mir leid, aber ist für mich weit unter dem Niveau, dass ich bei der Taz erwarte.

  • G
    gast

    IN DEM System gibt es keine Lösung. Den endgültigen Beweis werden wir noch erleben.

  • S
    Stirnrunzel

    Man kann Mindestlöhne für alle

    ausschließlich Nicht-Export-Unternehmen/

    Dienstleistungsunternehmen

    sicher durchsetzen.

    Solange die Konkurrenzsituation

    sich ausschließlich innerhalb

    Deutschlands spiegelt, ist

    eine moderate Anhebung des

    Lohnes gerechtfertigt, sofern

    sie die Lebenshaltungskosten

    der Allgemeinheit nur minimal

    zusätzlich belasten und die

    Inflation nicht signifikant anzieht. Falsch wird die Sache,

    wenn man jede Branche und jede

    Region vereinheitlichen will

    und kein Grund zur Neuansiedlung

    in strukturschwache Regionen mehr existiert!!! Die Politik denkt zu einfach und zu dumm!

    Trotz massiver Steuererleichterungen der FDP

    zahlt die Hotelerie zum Teil

    solche Hungerlöhne, dass fast

    nur noch Menschen aus Entwicklungsländern als

    Reinigungskräfte arbeiten, obwohl der Staat sie schon indirekt subventioniert!

    So dumm wie jetzt veranschlagt, gefährdet man aber Teile der

    Industrie im Inland.

    • @Stirnrunzel:

      Ihr denken Basiert darauf das der Kunde nur ins Ausland abwandern könnte. Er kann aber auch einfach weniger einer Dienstleistung in Anspruch nehmen. Man kann auch alle 8 Wochen zum Friseur, statt alle 4.

      In der Praxis würden schon viele Arbeitsplätze wegfallen wenn man alle 6 Wochen statt alle 5 Wochen zum Friseur geht.

    • @Stirnrunzel:

      so schaut's aus. Es gibt halt keine einsilbige Loesung fuer alle

  • PS zu meinem vorherigen Kommentar: 44 Personen verdienen in der Schweiz mehr als 100 (!) mal soviel wie die am schlechtesten bezahlten Arbeitnehmer im selben Unternehmen.

     

    http://www.travailsuisse.ch/system/uploadedfile5s/2721/original/TravailSuisseA4_D.pdf

  • 8,50 die Stunde, das sind ungefähr 1.400,- im Monat. Was kann man sich denn davon leisten? Miete, Transport, Essen, Versicherungen, Steuern. Womöglich mit noch weniger auskommen? Da gibt es keinen Urlaub, 1x neue Hose oder Schuhe im Jahr? Was sind das für Zustände?

    Und wieviel verdienen die Superreichen? Die kassieren Multi-Millionenengehälter im Jahr, weil sie eine Menge Arbeiter und Angestellte mit solchen Hungerlöhnen abfertigen.

    In der Schweiz wird am 24. November über die Initiative 1:12 abgestimmt, danach darf der Bestbezahlte in einem Unternehmen nicht mehr als das 12-fache des am wenigsten Bezahlten verdienen. Das wäre ein radikaler Fortschritt in Richtung UmFAIRteilung.

    • G
      Gast
      @bouleazero:

      Schon interessant. Ich hab von diesem Geld ne ganze Zeit lang in einer großen deutschen Stadt gelebt. Ich muss sagen, dass ich in der Zeit ein Auto hatte, regelmäßig im Urlaub war (klar, nicht Bali, Malediven oder der Saturn, aber trotzdem). Ich hatte immer gute Klamotten und hab auch nicht gehungert.

       

      Natürlich musste ich rechnen. Natürlich war ich nicht jedes WE für 100 Euro saufen und Party machen.

       

      Aber trotzdem hab ich gut gelebt, mein Leben genossen und eine tolle Freizeit gehabt.

       

      Ich war Single. Von 1400 eine Familie ernähren, stelle ich mir hingegen vollkommen unmöglich vor.

    • @bouleazero:

      Das unterstuetz ich volle Kanne.

      Sag schon seit Jahren zu Leuten, 1 zu 4 is genug. 1 zu 12 geht ja jetzt zumindest n bisschen in meine Richtung;)

    • @bouleazero:

      1.400 € für eine Person oder auch für Kinder oder andere Angehörige, die sich selbst nicht "ernähren" können?

       

      1.400 € sind wahrlich nicht viel, aber ich kenne viele, die aktuell für eine Vollzeitstelle 600 bis 1.000 € brutto erhalten.

       

      Und wenn es um eine Einzelperson geht: Die aktuelle "Grundsicherung" liegt bei knapp 700 € inkl. Wohnung (ca. 390 € für alles andere außer Warmmiete, 310 € für Warmmiete).

      • E
        einer
        @Hanne:

        Diese "Grundsicherung" ist aber nicht brutto. Bei den von Bouleazero errechneten 1400,- gehen mindestens noch Steuern, KK, RV, PV ab.

      • H
        Hans
        @Hanne:

        Und worauf wollen Sie mit Ihrem Kommentar hinaus?

        • @Hans:

          Dass 1.400 € für eine Vollzeitstelle nicht viel sind, aber immer noch doppelt so viel wie die sog. "Grundsicherung"/ALG II (auch Hartz IV).

           

          1.400 € als Mindestlohn für einen Vollzeitjob wäre erst mal ein Schritt in die richtige Richtung, anpassen kann man dann ja immer noch ;-)

           

          Und später davon dann wirklich mal von dem System loskommen und das Bedingungslose Grundeinkommen einführen.

      • M
        müller
        @Hanne:

        310 warm??? 530... 35 qm alleine weniger ist in münchen, auch in randgebieten nicht drin. und das ist schon wg bonus

         

        ps: ich weiß, es ist die "grund"sicherung gemeint. Aber das bedeutet, dass man theoretisch wegziehen MUSS, weil man es sich eben nicht sichern kann.

  • Unvermeidbar schreiben Mindestlöhne die Spaltung der Gesellschaft fort, verstärken diese tendenziell sogar.

    Denn es ist klar, dass diese Maßnahme allenfalls für Erwerbsarbeit in abhängiger Beschäftigung wirksam werden kann. Und damit fallen nicht nur Selbstständige, sondern auch der ganze Sektor der unbezahlten Arbeit (Sorgearbeit, Demokratiearbeit) komplett hinten runter. Vor allem letzter (also die unbezahlte Arbeit z.B. mit bedürftigen Menschen, seien es Verwandte oder die eigenen Kinder oder andere Menschen) ist der absolut prekärste Bereich und sein fortschreitender Niedergang ist eine Bedrohung der Zivilgesellschaft und der Demokratie, weil uns unsere Menschlichkeit genommen wird.

     

    Mindestlöhne sind weder sozial noch ökonomisch sinnvoll, die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens wäre dagegen beides, siehe auch https://www.grundeinkommen.de/05/07/2013/warum-ein-allgemeiner-gesetzlicher-mindestlohn-nichts-mit-einem-bedingungslosen-grundeinkommen-zu-tun-hat-und-auch-sonst-nicht-unterstuetzenswert-ist.html

    • @Eric Manneschmidt:

      Vor allem mal stoppen Mindestlöhne die Abwärtsspirale der Löhne durch die Zwangsmaßnahme Hartz4, so dass weitere Härten in Hartz4 für Arbeitgeber unattraktiv werden.

       

      Ein Bedingungsloses Grundeinkommen ohne Mindestlohn wäre auch problematisch, da es die Abwärtsspirale von Löhnen beschleunigen würde: Dann könnten Arbeitnehmer noch stärker gedrängt werden, sich zu unterbieten, um einen Job zu bekommen.

       

      Daher ist beides notwendig: Ein Mindestlohn, um sicherzustellen, dass nur solche abhängigen Arbeitsverhältnisse erlaubt sind, mit denen die Arbeitenden ihr Leben selbst finanzieren können, wenn sie 40 Stunden arbeiten, und ein Bedingungsloses Grundeinkommen, um den Zwang zur Annahme von menschenunwürdigen Arbeitsverhältnissen abzuschaffen.

      • @Arne Babenhauserheide:

        Komische Idee. Am Ende hast Du Dich schon selbst widerlegt: Ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) hebt den Zwang zu fremdbestimmter Arbeit vollständig auf, womit sollen die bösen Arbeitgeber dann die Leute noch zur Annahme von schlechten oder schlecht bezahlten Jobs zwingen?

         

        Wer einen allgemeinen Mindestlohn zum Grundeinkommen fordert, hat es entweder überhaupt nicht verstanden oder er meint kein existenzsicherndes BGE, sondern irgendetwas, das einen doch noch zur Erwerbsarbeit zwingt.

         

        Auch als Übergangsmodell taugen die heute diskutierten Mindestlohnmodelle nicht, Alternativen hab ich in dem oben verlinkten Artikel formuliert.

    • @Eric Manneschmidt:

      Ja, das beste wäre natürlich ein bedingungsloses Grundeinkommen, da stimme ich völlig mit Ihnen überein.

       

      Ich warte allerdings seit mehr als 8 Jahren für unsere Gesellschaft darauf ;-) und hoffe, dass es spätestens in 20 Jahren keine andere Lösungsmöglichkeit mehr als das bGE gibt...

  • WG
    Wolfgang Grebenhof

    Zum Thema Mindestlohn hat US-Präsident Franklin D. Roosevelt alles gesagt, was gesagt werden muss: "Unternehmen, deren Existenz lediglich davon abhängt, ihren Beschäftigten weniger als einen zum Leben ausreichenden Lohn zu zahlen, sollen in diesem Land kein Recht mehr haben, weiter ihre Geschäfte zu betreiben."

  • Ja, besser Arbeitgeber (vorübergehend) bei den Lohnkosten unterstützen und mit Bedingungen verknüpfen als die Arbeitnehmer/innen als Aufstocker durch ALG II und Jobcenter zu gängeln, was sie wiederum von der eigentlichen Erwerbsarbeit abhält.

     

    Man beachte:

     

    Es werden Vollzeit- und unbefristet beschäftigte Niedriglöhner vom Jobcenter dazu verpflichtet, sich auf unbefristete Stellen und Leiharbeit zu bewerben, um sich aus ihrer "Hilfsbedürftigkeit" zu befreien ("Mitwirkungspflicht"). Hierbei handelt es sich nicht um hochqualifizierte Akademiker, sondern um ungelernte Arbeitnehmer/innen in der Gastronomie etc. Sprachkurse, Aus- und Weiterbildungen werden von Seiten der Jobcenter nicht angeboten, um langfristig aus der Hilfsbedürftigkeit entkommen zu können. Bei den mir bekannten Beispielen handelt es sich definitiv nicht um fehlende Motivation seitens der Aufstocker - im Gegenteil! Es fehlt an Möglichkeiten und Zeit (neben der schlecht bezahlten Arbeit).

    • @Hanne:

      tja "vorübergehende" Wirtschaftssubventionen halten sich meist sehr, sehr lange.

       

      Und wer entscheidet eigentlich, welches Unternehmen in welcher Höhe subventionswürdig ist? Oder einfach alle, die Arbeitsplätze schaffen unterstützen - "Sozial ist, was Arbeit schafft" ???

  • K
    Koslowski

    Habt ihr schon mal nachgerechnet, was bei 8,50 brutto übrigbleibt:

    Beispiel (Quelle Brutto-netto-Rechner "Spon"):Ledig, Steuerklasse I, keine Kinder, Monatsarbeitszeit >200

    1.185,70 €!!! Kein weiterer Kommentar.

    Siegfried Koslowski

  • H
    Harald

    Guter Artikel.

     

    Wenn man bedenkt, dass „Fünf Millionen Menschen in Deutschland weniger als 8,50 Euro brutto in der Stunde verdienen," dann sieht man, wie schlecht sich die Löhne entwickeln. Sollte also der Mindestlohn von €8,50 kommen, müssten 16,6 Prozent der Arbeitnehmer eine Lohnerhöhung erhalten.

     

    Ja,

    aber nur, wenn der Mindestlohn wirklich repressiv und rücksichtslos umgesetzt wird. Danach sieht es doch gar nicht aus. Der Staat hat bislang diese extremen Niedriglöhne gewollt. Die Konsequenzen waren egal und ich befürchte: Daran hat sich gar nichts geändert.

     

    Die SPD will doch nur mit den €8,50 Stimmung für sich machen. Das echte Problem ist doch die Umsetzung und vielerorts sind €8,50 viel zu wenig, weil dieser Mindestlohn wahllos angewandt wird.

     

    Viel wird auch davon abhängen, ob die IG Metall hohe Abschlüsse in den nächsten Jahren erreicht, ob sie noch streiken kann. Sollte sie das tun, dann wären die €8,50 schnell akzeptiert und wenigstens ein Einstieg aus dem Ausstieg der Armutsentlohnung geschafft.

     

    Aber bei der SPD (und IG Metall) weiß man nie, was sie am Ende tut ...

  • Typisch: immer wenn es um Löhne geht, gelten die Marktgesetze nicht.

     

    Da ist es kein unlauterer Wettbewerb, wenn man sich die Arbeitskraft übers “Aufstocken” vom Staat finanzieren lässt. Solche Subventionen sind OK!

     

    Wie auch beim “Fachkräftemangel”: wenn es wirklich einen gäbe, würden gerade Toplöhne gezahlt. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Dieser angebliche Mangel im Angebot führt seltsamerweise nicht zu einem höheren Preis, trotz angeblich bester Nachfrage.

     

    In Wirklichkeit ist das alles natürlich blank gelogen. Es geht nur um eines: Löhne drücken um jeden Preis. Die Soziale Marktwirtschaft ist aufgekündigt, und die “Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” hat mit ihr genauso viel zu tun, wie das bekannte Orwellsche “Ministerium für Wahrheit” mit der Wahrheit.

     

    Jaja, die armen, armen Unternehmen, die jetzt nicht mehr an billige Sklavenarbeiter kommen, vom Arbeitslosenverwaltungsamt reingedrückt. Jetzt müssen sie mit 8,50 EUR knapp über dem Sozialhilfesatz bezahlen. Das geht unmöglich!

     

    Wie war das nochmal? Wenn sich ein Unternehmen nicht rechnet, soll es pleite gehen. Schon damit Platz geschaffen wird für diejenigen Firmen, die besser sind, und im Markt bestehen können.

     

    Schaffen wir also die Arbeitskraftsubvention ab. Der Mindestlohn muss so hoch sein, dass jemand, der ihn bekommt, nicht vom Staat quersubventioniert werden soll.

     

    Übrigens reichen auch die 8,50 EUR nicht – denn so kann man keine Rente aufbauen. Und wir wollen doch Wirtschaftsliberalität, nicht wahr, und nicht, dass der Staat dann die alten Leute alle bezahlen muss. Oder?

    • @Volker Birk:

      @Volker Birk: Ich mag die Bezeichnung „Marktgesetze“ nicht (Gesetze sind vom Staat gemacht, Marktmechanismen wirken in den Grenzen der Gesetze - zwischen Staaten gibt es halt nur Staatsverträge aber keine echten Gesetze).

       

      Trotzdem Zustimmung zum Rest deines Textes ☺

    • @Volker Birk:

      Ist das ein Plädoyer für oder gegen Mindestlöhne?

      Oder was ist der Punkt? Dass 8,50 EUR auch nicht für ne sichere Rente reichen (Vollzeit?)? Dass aus Gründen der "Wirtschaftsliberalität" die soziale Sicherheit der Bevölkerung (weiterhin) in den Aufgabenbereich der Unternehmen fallen soll (weil die das so gut können)??

    • @Volker Birk:

      Ob Aufstocken eine Subvention der Löhne sind. Oder ein Arbeitsloser, der durch einen Job nur noch "teilweise" Arbeitslos ist, ist ansichtssache. Man kann es auch so sehen das er einen Teil der viel zu hohen Mehrwertssteuer zurückbekommt, als so genannte negative Einkommenssteuer.

       

      Wenn die Leute weniger zum Gasthof gehen, wegen der höheren Preise, dann braucht der Gastwirt weniger Kellner, weniger Arbeitsplätze.

       

      Sie können das jetzt "Sklavenarbeiter" nennen oder ähnliches, aber wenn die entsprechenden Deckungssbeiträge nicht im Unternehmen sind, dann können Sie dem Unternehmer auch nichts vorwerfen.

       

      Der Ansatz das man alle Jobs verbietet bei der ein Arbeitnehmer keine Transferzahlungen mehr braucht, weder im Moment, noch im Alter, ist am Ende nichts als auf Kosten eben diesen die Sozialausgaben zu senken. Je nach verlusten, ohne es am ende zu tun.

       

      Komplett auf einen Mindestlohn zu verzichten ist zu sehr an theorien zu hängen, allerdings gleich mit 8,50 einzusteigen ist ein ziemlich riskantes Experiment.

      • H
        Hans
        @Tim Leuther:

        Ihr Argument "höhere Löhne=höhere Preise=weniger Kunden=weniger Arbeitsplätze" entspricht den Systemtheorien der "Neuen Sozialen Marktwirtschaft".

         

        Wenn man es aber nicht als Abwärtsspirale, sondern als Aufwärtsspirale formuliert könnte man argumentieren, dass die "KellnerInnen" die mehr Lohn erhalten, sich auch mehr leisten können und in anderen Branchen das Geld wiederum ausgeben. So hat dann z.B. der Einzelhandel wieder mehr davon und kann seinen Angestellten auch entsprechende Löhne zahlen, so dass die sich auch die gestiegenen Preise der Gastronomie wieder leisten können.

        • @Hans:

          "Ihr Argument "höhere Löhne=höhere Preise=weniger Kunden=weniger Arbeitsplätze" entspricht den Systemtheorien der "Neuen Sozialen Marktwirtschaft."

           

          Achso. Dann muss es automatisch falsch sein. Merken Sie was?

          • @Tim Leuther:

            "Merken Sie was?"

            Ich merke was. Dass Sie auf Gegenpositionen, wie sie Hans zur INSM sachlich aufgezeigt hat, nicht eingehen wollen. Sie argumentieren polemisch und ideologisch.

            • @lichtgestalt:

              Bei argumentieren hatte ich die Gänsefüßchen vergessen.

      • P
        Piawanegawa
        @Tim Leuther:

        Zu Zeiten, wo andere europäische Staaten Mindestlöhne bei fünf Euro eingeführt haben, wäre das auch in Deutschland möglich gewesen. Aber die Agenda 2010 war eben primär - ob absichtlich oder aus Blindheit sei dahingestellt - als Lohndumpinginstrument konzipiert. Da hätte ein Mindestlohn nur gestört. Jetzt helfen fünf Euro Mindestlohn niemandem mehr, nach immer stärker steigenden Preisen für Energie, für Lebensmittel, für Benzin, nach den diversen Rentenreformen, die dazu führen, dass die Arbeitnehmer von heute für die Rente ihrer Eltern und Großeltern UND für die eigene Rente bezahlen müssen, nach einer Entsolidarisierung der Gesundheitsversorgung mit immer höheren Zuzahlungen etc.. Die Liste der Zusatzbelastungen ist endlos. Dabei haben die Löhne weitgehend stagniert. Wenn man eine infizierte Wunde lange genug unbehandelt lässt, muss halt irgendwann ein Bein oder ein Arm dran glauben. Frühzeitig hätte es auch ein bisschen Alkohol an der richtigen Stelle getan. Da dürfen wir uns alle bei den Apologethen der Freien Marktwirtschaft bedanken, die bis zum Schluss dachten, der Markt würde es schon richten.

        • @Piawanegawa:

          Ein Mindestlohn kann nur Lohnauswüchse nach unten beschneiden. Zu glauben man könnte so ganze Schichten aus der Armut befreien, ist schlichtweg naiv. Es ist Perpeto-Imobile-Denken. Wenn man unteren Schichten helfen will, dann wird das nicht anders gehen, als mit Geld. Mit Gratis Krankenkasse. Mit Basispunkten in der Rente etc.

           

          Man muss erst einmal die ganzen Gewinnspannen zeigen in den Berufen, wo man die Löhne erhöhen will. Oder wenn die Berufe wegfallen, dann die sektoren benennen wo Sie entstehen.

           

          Ich bezweifel gar nicht, das die Leute unten mehr Geld brauchen. Ich bezweifle das man es mit 8,50 erreicht. und nicht weil 9,50 besser wären.

  • A
    Arbeiterkind

    Ich frage mich wirklich, was ein solcher Kommentar in der taz zu suchen hat. Frau Dribbusch haben Sie neben dem Dehoga vielleicht auch Menschen befragt, die in der Hotellerie für weit weniger als 8,50 € arbeiten? Die Frage nach einem Mindestlohn ist keine, die ein Dehoga-Vertreter beantworten sollte. Nur zur Erinnerung dieser Verband unterstützt offensiv Tarifflucht, in dem er Ohne-Tarifvertragsmitgliedschaften für seine Mitglieder anbietet und duldet die Ausbeutungsstrukturen in der Branche seit Jahren. Es ist ja nichts Neues, dass Menschen in der HOtellerie für Minimallöhne ausgebeutet werden. Im Übrigen: Wenn das Lohnniveau dank des Mindestlohns steigt, macht das auch nichts wenn das Bier aufgrund fairer Arbeit ein bisschen mehr kostet. Das Geld dafür ist ja dann da. Und die von Ihnen skizzierten Bedrohungsszenarien: Auch die gibt es heute. Unbezahlte Überstunden, Werkverträge usw. Aber das zeigt nicht, dass man eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch den Midnestlohn für Millionen lieber lassen sollte, sondern das noch viel mehr Maßnahmen als der Mindestlohn von Nöten sind. In diesem Sinne: Befragen Sie das nächste mal doch einfach wirklcih Betroffene und nicht den DEHOGA

  • W
    Wolfgang

    Bei einem Brutto-Stundenlohn von 8,50 Euro, würde man erst nach 60 Jahren in Vollzeit-Arbeit und Wertschöpfung, im 76 Lebensjahr, einen Anspruch auf eine eigenständige Rentenhöhe entsprechend der Sozialhilfe (gesetzliche Grundsicherung) erhalten!

     

    Bei einem konstanten Brutto-Stundenlohn von 15 Euro, nach 35 Vollzeit-Arbeitsjahren, entspricht die mtl. Armutsrente 688 Euro.

     

    Es bedarf bereits heute, einen Mindestlohn von 15 Euro-Std. brutto, um ein auskömmliches eigenständiges Arbeits-Leben in der Reichtumsgesellschaft der Siemensschen und Quandtschen (Erbschafts-) Monopolbourgeoisie [bourgeoisie - ohne deren persönliche Leistung und Wertschöpfung!] zuf führen! -

     

    Zusätzlich, zum heutigen Mindest-Arbeitslohn von 15 Euro-Std., bedarf es einer eigenständigen Altersrente: eine auskömmliche Grundsicherung von Netto 1000,- Euro, plus der eigenständig erworbenen Altersrente, zusammen nicht unter Netto 1500,- Euro für die zukünftige Altersrente!

     

    Da die große Mehrzahl das Rentenalter ab 65 Lebensjahr nicht erreicht, bedarf es einer Rückführung ab 65. Gleichzeitig eines Rentenanspruchs ab dem 63. Lebensjahr ohne Abschläge. // Die Mehrzahl, die heute vor dem 65. Lebensjahr in die Altersrente gehen muss, erhält, trotz des Verlustes an Rentenpunkten, noch zusätzlich Renten-Abschläge (- zusätzlich zur KV + PV). Dieser menschenunwürdige Zustand muss beendet werden. Insbesondere muss auch die Lohndiskriminierung, vor allem für Frauen und Mütter, bei der Erhöhung der Altersrente berücksichtigt werden.

     

    Anmerkung: Die Finanzierung ist möglich. Die Reichen zahlen keine Steuer! Der Reichtum der Reichen ist ein (Ausbeutungs-)Ergebnis aus der privaten Aneignung der Mehrwertschöpfung, -- aus der differenzierten Arbeit der werktätigen Bevölkerungsmehrheit! Hier muss man für eine bürgerlich-demokratische Sozial-Reform in Deutschland ansetzen!

  • N
    Nils

    Die Restaurants in meiner Stadt sind regelmäßig brechend voll.

     

    Kino ist sauteuer, trotzdem sind die Kinos immer voll am Wochenende. Und trotz horrender Preise leisten sich die Menschen auch noch Getränke und Nachos, also kann es nicht so schlimm sein.

     

    Dass hohe Preise also zu sinkendem Konsum führen, halte ich für ein Gerücht, zumal durch Lohnerhöhungen die Konsumenten auch mehr Geld ausgeben können. Mehr noch: Durch Lohnerhöhungen wäre es nun bestimmten Schichten erstmals möglich, überhaupt erst bestimmte Konsumptionen zu tätigen, d.h. für die Wirtschaft könnten sich ganz neue Kundenkreise erschließen, was für sie auch erhöhte Gewinne bedeutet.

  • wie heisst es in einem anderen Artikel der taz "Chance oder Blabla"... ; )

  • S
    Skeptisch

    Sehr sozial: Die Verlierer sind die Mitarbeiter, die nicht leistungsfähig genug sind, den Mindestlohn für ihren Arbeitgeber zu erwirtschaften. Die werden dann bei einer passenden Gelegenheit in die Arbeitslosigkeit geschickt.

     

    Das wird wegen den Kündigungsschutzgesetzen nicht sofort passieren - auch in den 70iger-Jahren hat es ein paar Jahre zwischen der Ansage "die Wirtschaft testen" und der die 70iger und 80iger Jahre prägende Massenarbeitslosigkeit einige Jahre gedauert.

  • H
    Hobosapiens

    Mindestlohn muss kommen,, darüber sind sich hoffentlich langsam alle klar. Allerdings muss dazu zwingend auch der Hartz4-Satz und der 450€-Job Grenze angehoben werden!

    Ausserdem muss der Zuverdienst zum BaFöG von 400€ angepasst werden, das haben die Politiker nämlich verschlafen...

    Das Resultat vom Mindestlohn wird sein, dass Betriebe sich das Geld durch teurere Produkte wieder reinholen und gleich eine versteckte Verteuerung dazu.

    Minijobber, Studenten, Rentner und alle anderen auf hilfe angewiesenen Menschen werden darunter zu leiden haben.

     

    Mindestlohn ist kein Selbstzweck, Mindestlohn ist eine Verteilungsfrage und diese löst man nicht mit mehr Geld sondern mit einer Lohnobergrenze!!

     

    Bleibt es beim Mindestlohn ohne begleitende Gesetze ist der Mindestlohn nichts anderes als eine versteckte Inflation!

    • H
      Hans
      @Hobosapiens:

      Danke für diese gute Analyse.

  • P
    Parsifal

    „Steigen die Preise, sagen die Leute: Dann gehe ich eben nicht in die Kneipe.“

     

    Steigt der Mindestlohn nicht, gehen mehr als 16% aller Niedriglöhner nicht in die Kneipe, weil sie gar kein Geld dafür haben.

     

    Die Lobbypropaganda der Mindestlohngegner ist einfach viel zu unqualifiziert, um überhaupt ernst genommen zu werden. Das Kneipensterben geht auch so munter weiter.Die Tabaklobby hingegen sieht die Nichtraucherschutzgesetze als Ursache.

     

    Ich aber sage: Jeder Unternehmer steht sich selbst im Wege. Preiserhöhungen ohne Serviceanpassungen sind wie Segelbewegungen ohne Ruderbewegungen: Sie funktionieren weder physisch noch ökonomisch. Lasst euch gefälligst was einfallen.

  • W
    Walther

    Es ist doch ganz einfach bei einem Mindestlohn bekommen "alle" was sie wollen.

    Die Arbeitsplätze bleiben erhalten, die SPD freut sich und die CDU freut sich,

    dass die Steuern nicht erhöht werden.

     

    Und der Hartz 4-Empfänger, der keine Arbeit findet, der ärgert sich.

    Brötchen und Dinge des täglichen Bedarfs werden massivst teurer.

     

    Super Idee. Sozialleistungen werden alle 5 Jahre neu bewertet.

    8,50€ werden so ziemlich alles teurer machen und dardurch wird garnichts geändert. Mindestlohn bedeutet Hartz 4-Kürzung, das ist noch dümmer als

    Subventionen durch Aufstocken.

     

    Ludwig Erhard sollte ausgebuddelt und reanimiert werden.

    • H
      Hans
      @Walther:

      Das stimmt, doch dann müssten die ALG-II-Sätze auch angepasst werden.

      Das dies wieder (bürokratische/politische) Probleme mit sich bringt ist leider zu erwarten.

  • G
    Gast

    Naja zu dem Thema habe ich doch dieses nette Diagramm aus Wikipedia. Ich finde es da schwierig einen Zusammenhang zwischen der Höhe des Mindestlohns und der Arbeitslosenquote zu finden.

     

    http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mindestlohn_und_Erwerbslosenquote.png

  • R
    Ruhender

    Jetzt stimmt sogar schon die TAZ in das Unternehmer-Geplärr ein.

    Halten wir es doch einfach mit den rauhen Gesetzen der Marktwirtschaft: Ein Unternehmen, das nicht genug Gewinn abwirft, um seinen Leuten 8,50 Euro zu zahlen, hat eben verloren, der Unternehmer hat versagt.