Minderheiten in Indien: Indien greift in Verwaltung islamischer Stiftungen ein
Indiens Regierung erhöht ihren Einfluss auf gestiftete Grundstücke. Muslimische Gruppen sprechen von einem Angriff auf ihre Selbstverwaltung.

Im Parlament in Delhi wurde die Reform, die im August eingereicht wurde, mit verbalem Schlagabtausch diskutiert. Die hindunationalistische Regierungspartei BJP von Premierminister Narendra Modi warb zunächst im Unter-, dann im Oberhaus für das Gesetz – und setzte sich durch. Weite Teile der Opposition, die bei den vergangenen Wahlen als India Alliance gegen die BJP antraten, kamen zusammen. Sie konnten die Verabschiedung jedoch nicht verhindern. Proteste folgten. Inzwischen hat Indiens Präsidentin Droupadi Murmu (BJP) das Gesetz unterzeichnet.
Nach eigener Aussage will die Regierung mit dem „Waqf Act“ für mehr Transparenz sorgen. Es geht um Vermögenswerte in Milliardenhöhe, häufig in Form von Grundstücken, die von Muslim:innen nach dem Tod gestiftet werden. Als Waqf deklariertes Eigentum darf in Indien nicht verkauft werden. Die Grundstücke werden als Moscheen, Friedhöfe oder Waisenhäuser genutzt und unterliegen nach dem Waqf-Gesetz von 1995 der Kontrolle staatlicher Gremien, die vor allem mit muslimischen Vertreter:innen besetzt werden.
Zukünftig auch Nicht-Mulism:innen in Stiftungsräten
Das neue Gesetz würde dem Staat unter anderem mehr Entscheidungsgewalt bei der Dokumentierung und Verwaltung von Waqf-Eigentum ermöglichen. Die Opposition sieht darin einen gezielten Eingriff in die Selbstbestimmung der muslimischen Minderheit, die in Indien auf über 200 Millionen Menschen geschätzt wird.
Scharfe Kritik ruft vor allem eine Klausel hervor: Nur Muslim:innen, die seit mindestens fünf Jahren praktizieren, dürfen künftig Stifter sein. Gleichzeitig dürfen Frauen nicht mehr vom Erbe ausgeschlossen werden. Zudem sollen künftig auch Nicht-Muslim:innen – etwa Richter:innen oder Abgeordnete – in Stiftungsräte berufen werden.
Die Kolumnistin Rana Ayyub sprach von einer „Legitimierung antimuslimischer Politik“. Auch Arshad Madani, Präsident einer der größten islamischen Organisationen des Landes, bezeichnete das Gesetz als „gefährliche Verschwörung“ und will vor Gericht ziehen, um die Verfassungsmäßigkeit prüfen zu lassen. Damit ist er nicht allein.
Mallikarjun Kharge, Chef der oppositionellen Kongresspartei, warf der BJP unterdessen vor, sie wolle Minderheitenrechte beschneiden. Asaduddin Owaisi, Chef der muslimischen AIMIM-Partei, sprach sogar von einem „gezielten Angriff“.
Oppositionsführer: Präzedenzfall gegen Minderheiten
Die Regierung verteidigte ihr Vorhaben als notwendigen Schritt: Minderheitenminister Kiren Rijiju (BJP) betonte, dass die Anzahl von Liegenschaften im Besitz muslimischer Stiftungen stark gestiegen sei. Wenn diese Grundstücke ordnungsgemäß verwaltet würden, „würde das nicht nur das Leben von Muslimen verbessern, sondern auch das Schicksal der Nation verändern“. Mufti Shamoon Qasmi (BJP) betonte, das Gesetz könne armen Muslim:innen helfen.
Kritiker:innen befürchten in dem Änderungsgesetz einen weiteren Schritt, religiöse Minderheiten unter stärkere staatliche Kontrolle zu bringen. Ein weiterer Streitpunkt ist, dass die Regelung ausschließlich muslimische Stiftungen und nicht jene anderer Religionsgemeinschaften betrifft.
Oppositionsführer Rahul Gandhi (Kongress) warnte, es werde nicht lange dauern, bis der RSS – das paramilitärische, ideologische Rückgrat der regierenden BJP – nach dem Waqf-Gesetz auch gegen Christen vorgehen werde. Muslime seien das erste Ziel, so Gandhi, aber die wahre Gefahr sei der Präzedenzfall, der geschaffen werde, um gegen Minderheiten vorzugehen. Den einzigen Schutz garantiere die Verfassung Indiens. Wie sich das Gesetz praktisch auswirkt, ist offen. Eine politische Botschaft sehen darin schon jetzt viele.
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