Milliarden für die Bundeswehr: Machttaktischer Eifer
Der Konflikt um das Bundeswehr-Geld hat reine Macht-Gründe. Für die Ampel und Olaf Scholz steht mehr auf dem Spiel als für Friedrich Merz.
B ündnisfähigkeit oder Bundeswehr? Ampel und Union streiten sich beim 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr um diese zwei Worte. Die Ampel will die „Bündnisfähigkeit“ stärken, die Union die „Bundeswehr“. Die Ampel will das Geld auch für Cybersicherheit und Konfliktprävention verwenden, die Union nur für die Bundeswehr. Dieser Streit wird mit einer Inbrunst geführt, die der Sache nicht so recht entspricht. Denn klar ist: Mehr als neun Zehntel bekommt die Bundeswehr, und Cybersicherheit ist kriegsrelevant.
Der Eifer hat machttaktische Gründe. Die Union will, wenn sie Scholz schon hilft, die Bedingungen diktieren. Die Ampel will ungern zulassen, dass die Opposition das Sagen hat und die Regierung folgt. Es geht um Macht – deshalb kann ein Deal scheitern. Der Einsatz von Scholz ist dabei größer. Er hat, wenn die Union kompromisslos bleibt, keinen Plan B.
Das Charmante an den zum Sondervermögen umgetauften Schulden ist: Die Ampel muss das Geld nicht aus dem Haushalt zahlen. Die magischen 2 Prozent für Verteidigung bedeuten rund 20 Milliarden Euro mehr fürs Militär – und damit 20 Milliarden weniger für Soziales, Rente oder Klimapolitik. Die SPD kann keine Sozialkürzungen ertragen, die FDP kein Ende der Schuldenbremse. Beides würde die Ampel in Stücke reißen. Der Ausweg, das Sondervermögen mit der Ampelmehrheit zu beschließen, scheitert an der FDP.
Die Union hat auch etwas zu verlieren. Identitätsstiftende Themen sind ihr in der Merkel Ära abhanden gekommen. Die Stärkung der Bundeswehr ist für die Union herzerwärmend. Deshalb wäre es für sie unschön, nein zu sagen. Doch Merz ist für das blame game im Falle des Scheiterns gut gerüstet, besser als Scholz, dessen Zeitenwende damit zu Asche würde.
Die Verlockung für Merz, die Ampel in eine vielleicht existenzielle Krise zu stürzen, ist groß. Wenn man seine beseelten Attacken auf den Kanzler hört, hat man nicht den Eindruck, dass er widerstehen will.
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