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Milliardär schenkt Hamburg eine OperDer Bürgermeister will sich doch nur freuen

André Zuschlag
Kommentar von André Zuschlag

Klaus-Michael Kühne will sich mit einer Oper ein Denkmal setzen. Eine kritische Debatte will Hamburgs Bürgermeister Tschentscher darüber bloß nicht.

Will ein bisschen seines Vermögens in eine Oper stecken: Milliardär Klaus-Michael Kühne Foto: Christian Charisius/dpa

E s wäre doch wirklich albern, dass ein Bürgermeister nicht rundum glücklich sein darf, wenn jemand auf ihn zukommt und ihm ein Opernhaus schenken will! Darüber wolle er sich verständlicherweise „auch einmal freuen dürfen“, vollumfänglich und ohne jede lästige, kritische Nachfrage. Das ist doch schließlich ein Glücksfall sondergleichen!

Ein „Opernhaus mit Weltrang“, ein „Jahrhundertprojekt“ – ein Geschenk, das Hamburgs Bürgermeister Peter Tschen­tscher (SPD) selbstredend und mit ganz, ganz großer Dankbarkeit annimmt. Schließlich hat die Sache nicht mal einen Haken, darauf hat der Bürgermeister doch penibel bei den Vorgesprächen mit dem Stifter geachtet, bevor er die Annahme des Geschenks vergangene Woche ­publik machte.

Der milliardenschwere Unternehmer Klaus-Michael Kühne sorgt für den Bau eines neuen Opernhauses in der Hamburger Hafencity. Ein paar öffentliche Einlassungen Kühnes gab es dazu in den vergangenen zwei Jahren, ansonsten wurde die ganze Sache zwischen Kühne, den beiden Adjutanten, die seine Unternehmensholding und seine Stiftung führen, Tschen­tscher und Kultursenator Carsten Bros­da (auch SPD) im Geheimen verhandelt, ehe der gelutschte Drops den Bür­ge­r:in­nen nun präsentiert wurde.

Und weil nicht nur in Hamburg, siehe Elbphilharmonie, größere Bauprojekte gern aus dem Ruder laufen, woraufhin dann die Stadt finanziell nachschießen musste, sei wirklich alles so solide vertraglich fixiert, dass Kühne jede Kostensteigerung übernimmt.

NS-Verstrickung und Kolonialgeschichte

Wohl viele potenzielle Haken hat Hamburg damit aus dem Weg geräumt, doch dass dieser ganzen Sache ein paar ziemlich grundsätzliche anhaften, ist dem SPD-geführten Senat schlichtweg scheißegal. Etwa, dass es wenig Geld in Deutschland gibt, das dreckiger ist als das von Kühne: Grundlage für dessen Vermögen ist schließlich sein Logistikunternehmen, das in der NS-Zeit durch den Transport von „arisiertem“, also geraubtem, jüdischem Eigentum expandieren konnte.

Diesen Teil der Unternehmensgeschichte wiederum wehrt Kühne seit Jahren ab, hält eine Untersuchung der Betriebsgeschichte für nicht notwendig. Und auch, wenn sich Kühne gern als Hanseat darstellt, der seiner Heimatstadt Gutes tun will: Sein Vermögen ist auch deshalb so groß, weil er vor Jahrzehnten die Steuerflucht in die Schweiz angetreten hat. Ausgerechnet Sozialdemokraten sind es, die Kühne nun dabei helfen, sein öffentliches Bild zu säubern.

wochentaz

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Dazu kommt ein weiterer grundsätzlicher Haken. Für Kühnes Denkmal stellt Hamburg eine Fläche direkt an der Elbe bereit, dessen geschichtliche Belastung dann überbaut wird: Die Kaispitze Baakenhöft war eine zentrale logistische Drehscheibe für den Genozid an den Herero und Nama zur Zeit des deutschen Kolonialismus in Namibia. Tausende Soldaten wurden hier für den Massenmord in „Deutsch-Südwestafrika“ eingeschifft, gut begleitet von Inszenierungen kolonialer Macht.

Eine öffentliche Diskussion darüber, ob sich die historische Belastung mit dem rauschhaften Drang nach Weltrang im Wettbewerb ziemlich elitärer Kulturstätten nicht doch zu sehr beißt, wollten Tschentscher und Brosda dann lieber nicht führen. Viel zu selbstverständlich war ihnen die Annahme dieser, so Brosda, „großartigen mäzenatischen Geste“, auf die andere Städte voller Neid blicken würden.

Dass die Stadt das Opernhaus aber gar nicht ganz ohne eigenen Zuschuss bekommt, sondern dankbar doch noch knapp 150 Millionen Euro in den Topf dazu wirft, ist dann tatsächlich fast schon eine Lappalie. So viel sollte den Ham­bur­ge­r:in­nen ein rundum glücklicher Bürgermeister eben wirklich wert sein!

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André Zuschlag
Redakteur taz nord
Jahrgang 1991, hat Politik und Geschichte in Göttingen, Bologna und Hamburg studiert. Von 2020 bis August 2022 Volontär der taz nord in Hamburg, seither dort Redakteur und Chef vom Dienst. Schreibt meist über Politik und Soziales in Hamburg und Norddeutschland.
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5 Kommentare

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  • das mit dem kolonialen Hafenbecken ist sicher nicht optimal, ist wahrscheinlich in einer Stadt wie Hamburg auch nicht zu verhindern. Viel mehr würde mich auch interessieren, wie das Openhaus betrieben werden soll, wer den Spielbetrieb bezahlt und ob der steuerflüchtige "Mäzen" da auch mitreden möchte.

    Genrell mein Eindruck von Hamburg ist, dass die selbsterklärte Weltstadt mitsamt Hafen seit Jahrzehnten International an Bedeutung verliert und um jeden Preis an Glanz- und Gloria von früher anknüpfen wollen.

  • Ist er noch Hamburger, wenn er zum Steuerverkürzen in der Schweiz "lebt"?



    Seinem geliebten Gemeinwesen die Ressourcen vorenthält, das ihm den Hafen erst ermöglicht?



    In Athen war es noch Stolz und Ehre, seinen Beitrag zu leisten. Realgymnasiast Kühne sollte sich da selbst erst mal bilden, bevor er sich ein Denkmal zu setzen versucht.

  • Profiteure der „Arisierung“ ( ein technischer Begriff, mit dem



    tausendfacher Raub von jüdischem Eigentum zugedeckt wird), die



    sich in HH ein Denkmal gesetzt haben, gibt es wohl mehrere.



    Die Erben der 3. bzw. 4 Generation sprechen aber lieber Kolonialverbrechen u. Klimakrise, Aufarbeitung der Familiengeschichte wäre aber auch mal interessant

  • In der Debatte um das "dreckige" Geld eines zur Steuervermeidung in die Schweiz gezogenen Milliardärs (O-Tone taz!) möchte ich an dieser Stelle noch einmal auf das Wirken der privaten 'Kuehne Logistics University' von Herrn Kühne (Kuehne & Nagel, 30% Hapag Lloyd, 20% Lufthansa....) sowie deren Rolle im sogenannten Green Shippings am 'Innovationsstandort Deutschland und in der EU-finanzierten F&E hinweisen.

    Dreck klebt nicht nur aus Nazi-Zeiten an den steueroptimierten Milliarden eines Kühne.

    2025 ist Klimawandel blutig, man muss nur mal kurz hinterfragen wie Scrubber für Schweröl und LNG trotz bekannter Methan-Problematik Bruckentechnologien für imaginäre Treibstoffe der Zukunft & Synonym für 'GreenShipping' werden konnten?

    Und wieso die Schifffahrt (=Luftfahrt) nach 20 Jahren der 'Forschungsaktivitäten von PP-Partnerschaften (Elsfleth&Leer) und PrivatUni (KLU!) keinerlei erkennbare, realistische Strategie zur Dekarbonisierung hat?

    Egal, wie oft man man das Wort 'Wasserstoff' zelebriert, man hat nur von seriösen Ansätzen abgelenkt, allem voran dem Tempolimit.

    Nur x vorstellen: die Geschwindigkeit von Kühnes Schiffen wird reglementiert, unvorstellbar in der Welt des Milliardärs

    • @Kuntakinte:

      Glänzend kommentiert.



      Doppelzüngige Moral der rot- grünen opportunistischen Parteien.