Milliardär schenkt Hamburg eine Oper: Der Bürgermeister will sich doch nur freuen
Klaus-Michael Kühne will sich mit einer Oper ein Denkmal setzen. Eine kritische Debatte will Hamburgs Bürgermeister Tschentscher darüber bloß nicht.
![Klaus-Michael Kühne Klaus-Michael Kühne](https://taz.de/picture/7527917/14/kuehne-oper-hamburg-1.jpeg)
E s wäre doch wirklich albern, dass ein Bürgermeister nicht rundum glücklich sein darf, wenn jemand auf ihn zukommt und ihm ein Opernhaus schenken will! Darüber wolle er sich verständlicherweise „auch einmal freuen dürfen“, vollumfänglich und ohne jede lästige, kritische Nachfrage. Das ist doch schließlich ein Glücksfall sondergleichen!
Ein „Opernhaus mit Weltrang“, ein „Jahrhundertprojekt“ – ein Geschenk, das Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) selbstredend und mit ganz, ganz großer Dankbarkeit annimmt. Schließlich hat die Sache nicht mal einen Haken, darauf hat der Bürgermeister doch penibel bei den Vorgesprächen mit dem Stifter geachtet, bevor er die Annahme des Geschenks vergangene Woche publik machte.
Der milliardenschwere Unternehmer Klaus-Michael Kühne sorgt für den Bau eines neuen Opernhauses in der Hamburger Hafencity. Ein paar öffentliche Einlassungen Kühnes gab es dazu in den vergangenen zwei Jahren, ansonsten wurde die ganze Sache zwischen Kühne, den beiden Adjutanten, die seine Unternehmensholding und seine Stiftung führen, Tschentscher und Kultursenator Carsten Brosda (auch SPD) im Geheimen verhandelt, ehe der gelutschte Drops den Bürger:innen nun präsentiert wurde.
Und weil nicht nur in Hamburg, siehe Elbphilharmonie, größere Bauprojekte gern aus dem Ruder laufen, woraufhin dann die Stadt finanziell nachschießen musste, sei wirklich alles so solide vertraglich fixiert, dass Kühne jede Kostensteigerung übernimmt.
NS-Verstrickung und Kolonialgeschichte
Wohl viele potenzielle Haken hat Hamburg damit aus dem Weg geräumt, doch dass dieser ganzen Sache ein paar ziemlich grundsätzliche anhaften, ist dem SPD-geführten Senat schlichtweg scheißegal. Etwa, dass es wenig Geld in Deutschland gibt, das dreckiger ist als das von Kühne: Grundlage für dessen Vermögen ist schließlich sein Logistikunternehmen, das in der NS-Zeit durch den Transport von „arisiertem“, also geraubtem, jüdischem Eigentum expandieren konnte.
Diesen Teil der Unternehmensgeschichte wiederum wehrt Kühne seit Jahren ab, hält eine Untersuchung der Betriebsgeschichte für nicht notwendig. Und auch, wenn sich Kühne gern als Hanseat darstellt, der seiner Heimatstadt Gutes tun will: Sein Vermögen ist auch deshalb so groß, weil er vor Jahrzehnten die Steuerflucht in die Schweiz angetreten hat. Ausgerechnet Sozialdemokraten sind es, die Kühne nun dabei helfen, sein öffentliches Bild zu säubern.
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Dazu kommt ein weiterer grundsätzlicher Haken. Für Kühnes Denkmal stellt Hamburg eine Fläche direkt an der Elbe bereit, dessen geschichtliche Belastung dann überbaut wird: Die Kaispitze Baakenhöft war eine zentrale logistische Drehscheibe für den Genozid an den Herero und Nama zur Zeit des deutschen Kolonialismus in Namibia. Tausende Soldaten wurden hier für den Massenmord in „Deutsch-Südwestafrika“ eingeschifft, gut begleitet von Inszenierungen kolonialer Macht.
Eine öffentliche Diskussion darüber, ob sich die historische Belastung mit dem rauschhaften Drang nach Weltrang im Wettbewerb ziemlich elitärer Kulturstätten nicht doch zu sehr beißt, wollten Tschentscher und Brosda dann lieber nicht führen. Viel zu selbstverständlich war ihnen die Annahme dieser, so Brosda, „großartigen mäzenatischen Geste“, auf die andere Städte voller Neid blicken würden.
Dass die Stadt das Opernhaus aber gar nicht ganz ohne eigenen Zuschuss bekommt, sondern dankbar doch noch knapp 150 Millionen Euro in den Topf dazu wirft, ist dann tatsächlich fast schon eine Lappalie. So viel sollte den Hamburger:innen ein rundum glücklicher Bürgermeister eben wirklich wert sein!
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