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Militärschlag gegen SyrienZiele getroffen, Problem ungelöst

Die Raketen der Alliierten trafen mehrere Einrichtungen des syrischen Chemiewaffenprogramms. Doch Präsident Assad gibt sich betont gelassen.

Zivilisten seien nicht getroffen worden. Häuser offenbar schon Foto: ap

Berlin taz | „Mission Accomplished!“, freute sich Donald Trump, und auch Theresa May und Emmanuel Macron zeigten sich zufrieden. Der gemeinsame Militärschlag der USA, Frankreichs und Großbritanniens auf militärische Ziele in Syrien am frühen Samstagmorgen war nach eigener Darstellung ein voller Erfolg.

Tote werden nicht gemeldet und nicht einmal die Gegenseite behauptet, es habe zivile Tote gegeben. Strittig aber ist die Wirkung der Angriffe im Sinne der Schwächung des Chemiewaffenprogramms des syrischen Assad-Regimes – das offizielle Ziel des Militärschlags.

Insgesamt 105 Raketen wurden nach US-Angaben innerhalb von einer Minute am 14. April um 4 Uhr früh (Ortszeit) auf drei Ziele in Syrien abgefeuert, „um den syrischen Führer Baschar al-Assad vom Einsatz verbotener chemischer Waffen abzuhalten“, wie es in der Pentagon-Begründung heißt.

Beim letzten US-Militärschlag gegen Assad vor einem Jahr waren es lediglich 59 Raketen und ein Ziel gewesen. Während damals die Abschüsse von zwei US-Kriegsschiffen im Mittelmeer aus erfolgten, blieb dies jetzt aus – wohl in Reaktion auf Drohungen Russlands, gegen Abschussorte zurückzuschlagen.

Aus dem Mittelmeer kamen nur sechs Tomahawk-Marschflugkörper der USA, und zwar von einem U-Boot. Ansonsten stiegen 37 Raketen von zwei US-Kriegsschiffen im Roten Meer auf und 23 von einem im Arabischen Golf nahe Katar. Diese Standorte sind für die russische Abwehr in Syrien nicht erreichbar. Insgesamt feuerte das US-Militär 85 Raketen ab. Frankreich 12 und Großbritannien 8, zumeist von Bombern aus der Luft.

Russland wohl informiert

Die drei Ziele der Angriffe waren das Militärforschungszentrum Barzah bei Damaskus und zwei mutmaßliche unterirdische Lagerstätten und Kommandoeinrichtungen für chemische Kampfstoffe in der Raketenbasis Him Shinshar westlich von Homs nahe der libanesischen Grenze. Barzah war das Hauptziel der US-Angriffe, mit 76 der 105 Raketen, und wurde nach Pentagon-Darstellung komplett zerstört. Franzosen und Briten konzentrierten sich auf Him Shinshar.

Laut US-Angaben wurde Russland zuvor über den Raketenanflug informiert, nicht aber über die Ziele. Russland schaltete seine Raketenabwehr nicht ein. Syriens Regierung behauptete, man habe die meisten Raketen abgefangen; die Alliierten hingegen sagen, ihre Marschflugkörper hätten alle Ziele ohne Verluste erreicht, und verbreiten Satellitenaufnahmen, die das Ausmaß der angerichteten Schäden dokumentieren sollen. ­

Syriens Regierung behauptete, man habe die meisten Raketen abgefangen.

Syrien habe seine Abwehrraketen, deren leuchtender Aufstieg im Himmel über Damaskus weithin in internationalen Medien wiedergegeben worden ist, viel zu spät und ziellos abgefeuert, so das US-Militär.

Von russischer Seite hieß es am Samstag, man erwäge jetzt die Lieferung moderner Abwehrsysteme an Syriens Regime. Denn die US-Regierung erklärte, sie stehe zu weiteren solchen Bombardierungen bereit, sollte Syriens Regime weiter Chemiewaffen einsetzen.

25 Produktionsstätten abgebaut

Die Angriffe haben nicht alle bekannten Einrichtungen des syrischen Chemiewaffenprogramms getroffen. Das Hauptziel Barzah spielt allerdings eine wichtige Rolle. Es ist eine zentrale Stätte des Scientific Studies and Research Centre (SSRC), eine seit 1969 bestehende Einrichtung des syrischen Verteidigungsministeriums, das die Militärforschung des Landes koordiniert.

Das SSRC blieb außen vor, als nach dem Chemiewaffeneinsatz gegen Zivilisten im Rebellengebiet der Ost-Ghouta im August 2013 mit bis zu 1.700 Toten die Zerstörung der syrischen Chemiewaffenbestände durch die internationale Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) begann.

Zwar meldeten die Inspektoren 2014 die Zerstörung aller von Syriens Regierung gemeldeter Kampfstoffbestände, nicht aber der 12 von der Regierung gemeldeten Lagereinrichtungen und 27 Produktionseinrichtungen. Deren Rückbau unter OPCW-Aufsicht ging in den Folgejahren weiter.

Bis heute sind nach UN-Angaben erst 25 der 27 gemeldeten Produktionsstätten abgebaut worden. Die Diskussionen über die restlichen zwei sind noch nicht abgeschlossen. Es liegt ein Kostenvoranschlag der UNO vor, der noch geprüft wird, heißt es in einem UN-Bericht von Anfang April, der zugleich Syriens amtliche Angaben über sein Chemiewaffenprogramm als nach wie vor nicht „korrekt und vollständig“ bezeichnet.

Syriens Regierung betont gelassen

Denn da in Syrien auch nach der Vernichtung aller gemeldeten Chemiewaffenbestände immer wieder chemische Kampfstoffe zum Einsatz gekommen sind, muss es auch undeklarierte Bestände oder Neuproduktion geben. Damit richtete sich die internationale Aufmerksamkeit auf die SSRC-Forschungseinrichtungen in Barzah und Jamrayah, die anfänglich gar nicht auf den OPCW-Listen standen.

Erst im November 2016 beschloss die OPCW Inspektionen in Barzah und Jamrayah. Zwei haben bisher stattgefunden, im Februar und im November 2017, jeweils ohne Ergebnis. Westliche Geheimdienste sind davon überzeugt, dass dort chemische Kampfstoffe hergestellt werden und dass in Him Shinshar vor wenigen Monaten die Einlagerung begonnen wurde.

Da in Syrien immer wieder chemische Kampfstoffe zum Einsatz gekommen sind, muss es auch undeklarierte Bestände oder Neuproduktion geben.

Selbst nach der Zerstörung dieser Ziele bleiben andere Einrichtungen wie Jamrayah intakt. Und Syriens Regierung gibt sich betont gelassen. Ein auch im deutschen Fernsehen unhinterfragt übernommenes Video zeigt Präsident Baschar al-Assad, wie er nonchalant mit einer Aktentasche in sein Büro schlendert – angeblich eine Aufnahme von Samstagfrüh, direkt nach den Raketenangriffen. Syrische Quellen kommen nach Analyse der im Video zu sehenden Vegetation zum Schluss, dass die Aufnahme älter sein muss.

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17 Kommentare

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  • Laut Militärexperten müssen zur Überprüfung der "Waffenwirkung" Satellitenbilder heran gezogen werden, da ja ein Überflug nicht möglich war und dies könne eine Weile dauern. Ist es nicht erstaunlich, dass wir dennoch sofort genau wussten, da ist ein großer Wurf gegen Assads "Chemiewaffenkapazitäten" gelungen?

    "Denn da in Syrien auch nach der Vernichtung aller gemeldeten Chemiewaffenbestände immer wieder chemische Kampfstoffe zum Einsatz gekommen sind, muss es auch undeklarierte Bestände oder Neuproduktion geben." Ein messerscharfer Schluss Herr Dominic Johnson! Klar, könnte sein. Könnte aber auch sein, es gibt deswegen keine oder wenige "undeklarierte Bestände", weil die Drecksgifte Chlorgas, Senfgas (ist eigentlich kein Gas) oder Sarin chemische Kampfstoffe sind, die sehr leicht herstellbar, also auch NEU zu produzieren sind. Man benötigt dazu keine komplizierteren Produktionsstätten und schon gar keine Forschung. Vielleicht kommt ja deswegen keiner auf den Gedanken, die OPCW mal die Einschlagsgebiete untersuchen zu lassen, was da so an chemischen Substanzen in den Trümmern vorzufinden ist? (Nach jüngsten Meldungen haben die Experten ja noch bis Mittwoch frei.)

    Ich komme jedoch auf den Gedanken, mit Schlaumeiereien über Einsatzziele, Geheimdiensterkenntnisse, syrische Luftabwehr und Vegetation auf Assadbildern werden erneut ganze Zeitungsseiten und die Zeit der Leser verschwendet. Weil die Idee, man könnte Assad mit "chirurgischen" oder smarten Schlägen seiner "Kapazitäten" berauben, also ihm das Chlor-, Senfgas oder Sarin wegbomben bei diesen Drecksgiften einfach nur aussichtslos wäre und es sich von vornherein höchstens um PR handelt! Die Inspektoren sollen jede Chemiefabrik und die Kasernen und Flugplätze Assads kontrollieren. Die traurige Wahrheit ist jedoch, wenn er wirklich will, könnte er den Dreck auch in einer Garage anrühren, wie die Aum-Sekte in Tokio belegt hat. Ich fände klug, das mal aufzuklären, statt sich an der PR zu beteiligen liebe taz.

  • Wie parteiisch die gesamte deutsche Presse- und Medienlandschaft in diesem Fall ist, sieht man daran, dass selbst dann, wenn sie kritische Distanz zu den Raketenangriffen erkennen lassen, sie die Begründung für diese unhinterfragt übernehmen. Es sei eine "Bestrafungsaktion für mutmaßliche Chemiewaffenangriffe". Viel wahrscheinlicher ist aber m. E., dass es gar nicht um Chemiewaffen ging, sondern darum, Russland und Iran und dem Rest der Welt zu demonstrieren, dass man das Kriegsergebnis in Syrien, den Sieg Assads, zwar vorläufig hinnimmt, aber nicht anerkennen wird. Für diese Demonstration brauchte man einen Anlass, und den hat man sich höchstwahrscheinlich selbst zusammengeschustert.

  • Erst wird zwar nichts gefunden, aber die Geheimdienste vermuten weiter und sind überzeugt..... Zu einem Zeitpunkt , wo Assad wahrlich keine Chemiewaffen braucht, um die Opposition militärisch in die Knie zu zwingen, wirft er Chemiewaffen ab, weil das sein Lieblingsspielzeug ist. Und weil den Amerikaner, Franzosen und Engländern gerne eine Vorwand gibt, militärisch einzugreifen. der Autor hat sich offensichtlich nicht viel mit Logik beschäftigt. Djihadistische Rebellen hätten allerdings einen guten Grund , Chemiewaffen einzusetzen. Aber in der Kriegslogik mit eigenen Interessen liegt das Naheliegende natürlich fern.

  • Internationale Brigaden müssen den Syrern helfen, sich von diesem zynischen Regime zu befreien.

    Ohne Chemiewaffen wurde bisher auch mit anderen Fassbomben weiter gemordet. In den Kellern liegen tausende, Verschwundene, in unbekannten Gefängnissen verhungern die Insassen, und die Belagerten auch.

    Das ganze Ausmaß ist schlimmer.

    Ich schreibe das seit Jahren.

    • 8G
      81622 (Profil gelöscht)
      @nzuli sana:

      Ganz meiner Meinung. Aber "die Linken" haben ihre Ideale für den Kampf der Unterdrückten schon lange ihrer antiwestlichen Ideologie geopfert und sitzen, ohne es zu merken, in Syruen mit den Faschisten im gleichen Boot.

      • @81622 (Profil gelöscht):

        Wenn die "Internationalen Brigaden" ihre Arbeit in Afghanistan siegreich erledigt haben kann man sie ja anschließend in Syrien einsetzen.

  • Ja, so erzählt jede Seite ihre Version der Wahrheit. Der russische Generalstab behauptet z.B., daß knapp 70% (71 von 103) Raketen von der syrischen Luftabwehr abgefangen wurden. Die Trefferquote der Briten soll bei 0% gelegen haben.

     

    Übrigens: Die drei Clowns können so viele vermutete Chemiefabriken bombardieren, wie sie wollen. Chlorgas (wenn es denn eingesetzt wurde) wird weltweit zur Wasseraufbereitung in Schwimmbädern verkauft (https://de.wikipedia.org/wiki/Badewasseraufbereitung#Chlorung).

  • aha, 110 Raketen in einer Minute,

    saugut! die sind so geil diese Kriegstreiber!

     

    oder vielleicht wars doch anders?

    https://www.rubikon.news/artikel/der-krieg-beginnt

    • @nolongerquiet:

      Verschwörungsquatsch von Leukefeld, die schreibt schon genug in der jungen Welt.

      Position klar für Aufstandsniederschlagung "Iran gibt sich selbstbewußt."

      Schlimm sind die Kriegführer nicht die westlichen pro-Forma-Aktionen.

      • @nzuli sana:

        ähmm, ich sehe den Westen auch als Kriegsführer,

        nur schön vesrteckt und hinter Propaganda versucht vertuscht zu werden.

        Verschwörungstheorien hin oder her,

        aber einfach alles glauben, und 2018 immer noch der Meinung sein Amerika und die westlichen Alliierten Schoßhündchen seien gut??

         

        Open your eyes, ...!

      • 9G
        9076 (Profil gelöscht)
        @nzuli sana:

        Der Logik ihrer Argumentation folgend, kann man sich fragen warum Sie überhaubt TAZ lesen.

        Das westliche Werte Narrativ das sie hier professionell durchexercieren ist in der Bild, Welt und in den Kommentarspalten des Spiegels tausendfach besser aufgehoben.

  • 8G
    81622 (Profil gelöscht)

    Dann wär es doch super, wenn verheimlichte völkerrechtswidrige Giftgasbestände eliminiert worden wären...das müsste doch die Kritiker des Angriffs auch freuen, so ihnen denn das humanitäre Völkerrecht am Herzen liegt.

    • @81622 (Profil gelöscht):

      stimmt, nur sieht das hier eher so aus, als wäre ein Hasenstall getroffen worden- was aber wahrscheinlich völlig unbedeutend sein dürfte- Hauptsache Assad bildet sich nicht ein, daß er sein Land mit russischer Hilfe jemals wieder stabilisieren könnte. Syrien soll unbewohnbar bleiben, wie Lybien und der Irak und viele Länder in Afrika. So geht das doch mit dem humanitären

      Völkerrecht

      • 8G
        81622 (Profil gelöscht)
        @noncarnnever:

        Natürlich, der Westen hat ja auch das grosse Interesse , all diese Gebiete unbewohnbar zu machen, damit er selber von Flüchtlingen und rassistischer Entwicklung destabilisiert wird...erzählen Sie doch keinen Unsinn, bitte! Assads Clan ist zu allererst an der Sebstbereicherung und Totenruhe interessiert....und dabei helfen ihm Putin und Co, um wieder als Grossmacht angesehen zu werden.

        • @81622 (Profil gelöscht):

          Sind das denn die Amerikaner, die die ganzen Flüchtlinge aufnehmen?

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @81622 (Profil gelöscht):

      Als jemand, dem das humanitäre Völkerrecht und seine Einhaltung durch a l l e Beteiligte am Herzen liegt, kann ich Ihnen hier ohne Wenn und Aber zustimmen.