Militärputsch in Burkina Faso: Junta gegen Bürgerbewegung
Vor den freien Wahlen verhaftet die Präsidialgarde die Regierung und setzt eine Militärjunta ein. Andere Kräfte fordern „zivilen Ungehorsam“.
Die bisherige Übergangsregierung, die nach dem Sturz Compaorés eingesetzt worden war und freie Wahlen vorbereiten sollte, ist in Haft. Am Mittwochnachmittag hatten Soldaten der Präsidialgarde eine Kabinettssitzung im Präsidentenamtssitz gesprengt und Präsident Michel Kafando, Premierminister Isaac Zida und andere Regierungsmitglieder festgenommen.
Zunächst war unklar geblieben, was der Sinn dieser Aktion war, da die Gardisten sich nicht erklärten. Dass die Gardisten aber bereits am Abend offenbar gezielt Radiojournalisten angriffen, erregte Skepsis. Aktivisten der Protestbewegungen wie „Balai Citoyen“ (Bürgerbesen), die im Oktober 2014 den Volksaufstand gegen Compaoré angeführt hatten, riefen vorsichtshalber zu Demonstrationen zur Unterstützung der bedrängten Übergangsregierung auf. Das Volk solle sich ab Donnerstagfrüh auf der Straße versammeln und die großen Plätze besetzt halten, hieß es.
Am Donnerstagvormittag schließlich trat ein Gardeoffizier vor die Fernsehkameras und verkündete die Gründung eines „Nationalrates für Demokratie“ (CND) und die Absetzung des Interimspräsidenten sowie die Auflösung der Übergangsregierung und des Übergangsparlaments. „Das Übergangsregime hat sich allmählich von den Zielen der Neugründung einer Demokratie im Konsens entfernt“, hieß es zur Begründung. Die neuen Wahlgesetze würden das Volk spalten, die Forderungen der Armee bei den neuen Armeegesetzen seien nicht berücksichtigt worden.
„Sehr ernste Unsicherheitslage“
Gegenüber Journalisten der Pariser Zeitschrift Jeune Afrique erklärte Putschführer Diendéré telefonisch, es herrsche eine „sehr ernste Unsicherheitslage“ in Burkina Faso und man habe handeln müssen, um „die Destabilisierung des Landes aufzuhalten.
Eigentlich sind für den 11. Oktober freie Wahlen geplant, nach denen die Übergangsregierung ihre Macht an einen regulär gewählten Nachfolger übergeben soll. Über diese hat es allerdings in den letzten Wochen Streit gegeben. So wurde Compaorés alte Partei CDP (Kongress für Demokratie und Fortschritt) von den Wahlen ausgeschlossen – gemäß einer Klausel im Wahlgesetz vom April, wonach bei den Wahlen niemand kandidieren darf, der 2014 die verfassungswidrige Kandidatur Compaorés zu einer dritten Amtszeit unterstützte. Compaorés von seiner Partei unterstützter Wunsch, die Verfassung umzuschreiben, um länger an der Macht zu bleiben als erlaubt, war der Grund für die Massenproteste gewesen, die zu seinem Sturz führten.
Die CDP hatte gegen ihren Ausschluss aus den Wahlen erfolgreich beim Gericht der westafrikanischen Regionalorganisation ECOWAS (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) geklagt, deren Vermittlung nach dem Umsturz 2014 die Einsetzung der Übergangsinstitutionen ermöglicht hatte. Burkina Fasos Verfassungsgericht bestätigte den Ausschluss jedoch am 10. September. Seitdem ging in dem Land die Angst um, dass die Kräfte des alten Regimes versuchen könnten, die Wahlen zu stören.
„Widerstand in jedem Viertel“
Die anderen politischen Kräfte wollen den Putsch nicht hinnehmen. Marc Christian Kaboré, einer der aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten, rief das burkinische Volk zur „Mobilisierung“ auf gegen „den Versuch, unsere demokratischen Errungenschaften in Frage zu stellen“. Die politischen Parteien riefen nach einem Krisentrefen am Donnerstagmittag gemeinsam zum „zivilen Ungehorsam“ auf.
Die Bürgerbewegung „Balai Citoyen“ rief zum „Widerstand in jedem Viertel“ auf. In einer auf Facebook veröffentlichten Erklärung hieß es, die Narion sei „in Gefahr“: „Wir rufen die Bevölkerung auf, sich zu organisiseren, jeder in seiner Straße, seinem Viertel, seinem Sektor, um zu zeigen, dass die Strategie des Terrors und der Psychose, die Milizengrüppchen der RSP (die Präsidentengarde, d.Red.) zu festigen versuchen, unseren patriotischen Elan nicht lähmen kann.“
Auch international wurde der Putsch breit verurteilt. UN, EU und AU (Afrikanische Union) riefen dazu auf, die verhafteten Politiker freizulassen und den begonnenen Übergangsprozess vereinbarungsgemäß zu Ende zu führen. Frankreichs Präsident Francois Hollande, der in Burkina Faso Spezialkräfte zum Kampf gegen Dschihadisten in der Sahelzone stehen hat, sagte, es gebe „keine Legalität mit den Putschisten“. Ein Eingreifen der französischen Militärs im Land schloss er jedoch aus.
Legenden um Putschistenführer
Um Putschistenführer Diendéré ranken sich zahlreiche Legenden. Er war ebenso wie Blaise Compaoré einer der ursprünglichen Revolutionäre von 1983, die damals den jungen Kapitän Thomas Sankara an die Macht brachten und aus dem schläfrigen neokolonialen Obervolta eine dem Panafrikanismus und der sozialen Umwälzung verpflichtete „Republik der Aufrechten“ (Burkina Faso) machten. Er war dann 1987 an Compaorés Seite, als dieser Sankara stürzte und selbst die Macht ergriff.
Danach kommandierte der 1,95 Meter große Berufssoldat die Präsidialgarde RSP und war später zusätzlich Chef der Geheimdienste des Landes. In dieser Funktion war Diendéré die Schlüsselfigur bei Burkina Fasos mehr oder weniger heimlicher Unterstützung von Rebellen in Liberia, Sierra Leone, der Elfenbeinküste und schließlich in Mali, in Compaorés letzten Jahren an der Macht auch als Unterhändler bei der Freilassung von Al-Qaida-Geiseln in Mali. Seine Ehefrau ist Vizepräsidentin von Compaorés Partei CDP.
Offen ist nun, ob es zu einer Konfrontation auf der Straße zwischen den Putschisten und den Protestbewegungen kommt. Bei vereinzelten Zusammenstößen in Ouagadougou wurden bereits mehr 20 Menschen verletzt, teils durch Schüsse. In der zweitgrößten Stadt Bobo Dioulasso soll die lokale CDP-Zentrale verwüstet worden sein.
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