Militärdienst in Israel: Nur eine Gegenstimme
Die Knesset hat die Wehrpflicht für ultraorthodoxe Juden beschlossen. Strenggläubige müssen künftig Militär- oder Ersatzdienst leisten.
JERUSALEM afp | Auch ultraorthodoxe Juden müssen in Israel künftig Militärdienst oder zivilen Ersatzdienst leisten. Diese stark umstrittene Gesetzesänderung beschloss das israelische Parlament am Mittwoch.
Seit der Staatsgründung Israels im Jahr 1949 waren ultraorthodoxe Männer, die sich in Vollzeit dem Bibelstudium widmen, von der Wehrpflicht ausgenommen. Die vor einem Jahr gebildete Mitte-Rechts-Koalition, der erstmals seit langem keine ultraorthodoxen Parteien angehören, hatte die Wehrpflichtreform vereinbart.
Die 120 Mandate zählende Knesset stimmte in dritter und letzter Lesung dem Gesetzentwurf mit nur einer Gegenstimme zu. Allerdings hatten die 52 Abgeordneten der acht Oppositionsparteien die Abstimmung geschlossen boykottiert.
Sie protestierten damit gegen die Entscheidung der vier Regierungsfraktionen, die Verabschiedung von drei wichtigen Gesetzesvorhaben miteinander zu verknüpfen und dafür einen Zeitrahmen von drei Tagen zu setzen. Die einzige Gegenstimme kam aus den Reihen der nationalreligiösen Partei „Jüdisches Heim“, zwei weitere Abgeordnete auf Regierungsseite nahmen am Votum nicht teil.
Militärdienstzeiten sollen gesenkt werden
In Israel wird seit Jahrzehnten über die Frage gestritten, ob junge jüdische Männer, die sich ganz dem Bibelstudium widmen wollen, zur Armee müssen. Über dem Streit sind schon Regierungskoalitionen zerbrochen.
Nach dem neuen Gesetz müssen die Ultraorthodoxen nun ab 2017 eine Mindestanzahl junger Rekruten stellen. Gegenwärtig dienen in Israel junge Männer drei Jahre und junge Frauen zwei Jahre lang beim Militär. Diese Dienstzeiten sollen im Zuge der Reformen um jeweils mehrere Monate gesenkt werden.
Die nun beschlossene Einbeziehung der Ultraorthodoxen in Militär- oder Zivildienst soll auch ihre bessere Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichen, weil an den Thora-Schulen keine weltlichen Bildungsinhalte unterrichtet werden.
Dass Religionsschüler, die ihre Einberufung weiter verweigern, künftig mit Gefängnis bestraft werden können, hatte starke Proteste der betroffenen Glaubensgemeinschaften ausgelöst. Am 2. März gingen in Jerusalem 300.000 Ultraorthodoxe gegen die Reform auf die Straße.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé