Friedensprozess in Nahost: Gebietsabgabe nur nach Referendum
Israel und die Palästinenser geben sich gegenseitig die Schuld an der neuen Eskalation im Gazastreifen. Israel beschließt Volksabstimmungen über Gebietsabtretungen.
JERUSALEM/GAZA dpa | Nach den massivsten Raketenangriffen auf Israel seit Ende 2012 und heftigen Vergeltungsschlägen der israelischen Luftwaffe im Gazastreifen war die Lage am Donnerstag weiter explosiv. Während am Vortag binnen weniger Stunden mindestens 60 Raketen aus dem Gazastreifen in grenznahen Gebieten Israels einschlugen, gab es am Morgen danach zunächst nur noch sporadischen Raketenbeschuss.
Indes beschloss das israelische Parlament, dass Israel künftig Teile seines Staatsgebietes im Rahmen von Friedensverträgen nur nach der Zustimmung der Wähler in einem Referendum abtreten darf.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu warnte: „Die Terroristen im Gazastreifen sollten besser verinnerlichen, dass sie es mit einer sehr entschiedenen Regierung und einer sehr schlagkräftigen Armee zu tun haben.“ Die Raketenangriffe und die mögliche Gefährdung der Friedensgespräche dürfte auch eines der Hauptthemen sein, wenn der britische Premierminister David Cameron zum Abschluss seines knapp zweitägigen Nahost-Besuchs später am Donnerstag mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Bethlehem zusammentrifft. International stießen die Raketenangriffe auf scharfe Kritik.
Die israelische Luftwaffe hatte in der Nacht nach eigenen Angaben als Vergeltung für den Raketenbeschuss 29 militärische Ziele im Gazastreifen bombardiert. Dass es weder in Israel noch im Gazastreifen Opfer zu beklagen gab, wurde in israelischen Medien jedoch als Zeichen gewertet, dass beide Seiten nicht wirklich an einem größeren Schlagabtausch interessiert seien.
Die militante Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad hatte sich zu den Raketenangriffen auf Israel bekannt. Sie seien die Vergeltung für die Tötung dreier Kämpfer am Dienstag durch eine israelische Rakete, sagte ihr Sprecher Abu Ahmed.
Seit Ende November 2012 gilt eine von beiden Seiten immer wieder missachtete Waffenruhe zwischen Israel und dem Gazastreifen. Sie beendete einen achttägigen blutigen Schlagabtausch zwischen Israel und der Hamas.
Künftig Gebietsabtretungen nur nach Referendum
Israel darf künftig Teile seines Staatsgebietes im Rahmen von Friedensverträgen nur nach der Zustimmung der Wähler in einem Referendum abtreten. Ein entsprechendes Gesetz wurde einem Bericht der Zeitung Times of Israel zufolge vom Parlament in Jerusalem am Mittwoch mit den 68 Stimmen der Regierungsmehrheit angenommen. Für den Referendumszwang hatte sich vor allem Regierungschef Benjamin Netanjahu stark gemacht.
Die 52 Parlamentarier der Opposition boykottierten das Votum ebenso wie zwei vorangegangene Abstimmungen am Dienstag und Mittwoch über die Erhöhung der Sperrklausel bei Parlamentswahlen und die Einführung der Wehrpflicht für ultraorthodoxe Männer. Wegen des Boykotts verkürzte sich auch die Debatte, so dass die erst für den frühen Donnerstagmorgen erwartete Abstimmung früher stattfand.
Damit muss künftig jede Regierung erst das Volk befragen, bevor sie im Rahmen möglicher Friedensverträge Gebiete abtreten darf, etwa die 1967 eroberten und später annektierten Golanhöhen an Syrien oder Ost-Jerusalem an die Palästinenser.
Dies gilt jedoch nicht für eine mögliche Räumung des besetzten Westjordanlandes. Ziel der laufenden Friedensgespräche mit den Palästinensern ist ein Friedensvertrag auf Grundlage der Zwei-Staaten-Lösung, bei der die Palästinenser einen souveränen eigenen Staat im Westjordanland mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt anstreben.
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