Migration in Südostasien: Rohingya fliehen per Boot weiter
Angehörige der muslimischen Minderheit aus Myanmar wurden nach Bangladesch vertrieben. Viele bleiben dort nicht – denn Perspektiven fehlen.
![Flüchtlingsboot. Flüchtlingsboot.](https://taz.de/picture/6022637/14/31916140-1.jpeg)
Doch werden Rohingya ohne gültige Papiere in Malaysia inzwischen inhaftiert und Flüchtlingsboote möglichst nicht mehr ins Land gelassen. Deshalb fahren die meisten Boatpeople jetzt direkt nach Indonesien, von wo sie in kleineren Gruppen später versuchen, weiter nach Malaysia zu gelangen.
Auch in Indien oder gar Sri Lanka landeten aber bereits Flüchtlingsboote. Fällt der Motor aus, treiben sie wochenlang auf See. Oft verhungern oder verdursten die Flüchtenden dann. Ein am 26. Dezember in der indonesischen Provinz Aceh, an der Nordspitze der Insel Sumatra, gestrandetes Boot mit über 170 Menschen an Bord hatte nur ein winziges Notsegel, 26 Geflüchtete waren bereits tot. Das Boot war bereits einen Monat unterwegs gewesen, der Motor war nach zehn Tagen ausgefallen. Videos von der Landung zeigten apathische Menschen, die entkräftet auf den Strand fallen. Ein anderes Boot mit 180 Rohingya wird seit Dezember vermisst. Wahrscheinlich ist es gesunken.
Zuletzt landete am Sonntag ein Holzkahn mit 184 Personen in Aceh. Das Boot, in dem auffällig viele Frauen und Kinder waren, war direkt aus Bangladesch gekommen, nach acht Tagen Überfahrt. „Manche scheinen Frauen und Kinder von Männern zu sein, die es schon früher nach Malaysia geschafft hatten“, vermutet Chris Lewa vom Arakan Project, das vom thailändischen Bangkok aus zu Rohingya-Geflüchteten forscht.
Zahl der Bootsflüchtlinge in einem Jahr versechsfacht
„Früher waren Boatpeople überwiegend junge Männer. Dann kamen auch Mädchen und Frauen, die offenbar in arrangierte Ehen vermittelt wurden. Jetzt sehen wir auch viele Mütter mit Kindern, die offenbar zu ihren Männer und Vätern ins Ausland fliehen“, sagt Lewa, die selbst Rohingya ist, im Gespräch mit der taz.
Das Regionalbüro des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Bangkok schätzt, dass im Jahr 2022 mehr als 2.000 Menschen die Odyssee durch die Andamansee und den Golf von Bengalen gewagt haben. Im Jahr davor waren es nur 300. In den letzten zwölf Monaten kamen allein knapp 500 in Indonesien an. Fast 400 weitere – inklusive der noch Vermissten – haben die Fahrt 2022 wohl nicht überlebt. Mehrfach retteten indonesische Fischer Rohingya-Flüchtlinge aus Seenot. Laut Lewa weigerten sich Marineschiffe aus Malaysia oder Indien zu retten. Sie versorgten allenfalls notdürftig die Boatpeople auf See, schickten sie dann aber weiter.
Die eine Million Rohingya, die heute im Südosten Bangladeschs bei Cox’s Bazar im weltgrößten Flüchtlingslager und einigen kleineren Camps leben, wurden zu verschiedenen Zeiten aus Myanmar vertrieben. 1982 verloren im damaligen Birma die meisten Rohingya ihre Staatsangehörigkeit und grundlegende Rechte. Sie dürfen seitdem nur noch Bengalen genannt werden, was sie zu illegalen Einwanderern erklärt.
2017 wurden nach Rebellenangriffen 750.000 Rohingya aus Myanmars südwestlichem Rakhine-Staat, dem früheren Arakan, vom Militär gewaltsam vertrieben. Diese Vertreibung, die auch von der Demokratieikone und faktischen Regierungschefin Aung San Suu Kyi gedeckt wurde, nennt die US-Regierung inzwischen Völkermord. Aung San Suu Kyi verteidigte das Militär sogar vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, bevor sie 2021 von diesem selbst aus dem Amt geputscht wurde.
Rohingya-Flüchtlinge ohne jede Perspektive
Bangladesch bietet den Flüchtlingen zwar Schutz, aber mehr nicht. In den engen Lagern grassieren Hoffnungslosigkeit und psychische Probleme, die Kriminalität und der Einfluss islamistischer Hardliner wachsen. Ein gemäßigter Rohingyasprecher wurde bereits ermordet. Zuletzt wurden 30.000 Rohingya auf die abgelegene und bis dahin unbewohnte Insel Basan Char umgesiedelt, die sie aber nicht verlassen dürfen.
Die Regierung in Dhaka will verhindern, dass Rohingya in Bangladesch heimisch werden. Sie sollen nach Myanmar zurück. Doch sind alle Rückführungen bisher gescheitert. Denn Myanmar garantiert ihre Sicherheit nicht. Vielmehr machte der Militärputsch es noch unwahrscheinlicher, dass die Rohingya willkommen sind. Zum Jahresbeginn erst zeichnete die Junta den nationalistischen Mönch Wirathu aus, der mit seiner Hetze gegen Rohingya ihre Vertreibung vorangetrieben hatte. Und in ihrer Heimat Rakhine-Staat herrscht inzwischen Krieg zwischen dem Militär und den ethnischen Separatisten der Arakan Army, die den Rohingya ebenfalls feindlich gesinnt ist.
Die fehlenden Rückkehrperspektiven und die hoffnungslose Lage in den Camps lassen immer mehr Rohingya die Risiken der Flucht übers Meer auf sich nehmen.
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