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Mieterhöhungen von VonoviaErfundene Wertsteigerung

Schlappe für Vonovia: Eine gute Nahversorgung und Verkehrsanbindung ist in Berlin Standard – und laut Gericht kein Grund für Mieterhöhungen.

Der Immobilienriese Vonovia versucht selbst aus Tramhaltestellen Profit zu schlagen Foto: Karl-Heinz Sprembe/imago

Berlin taz | Dürfen Ver­mie­te­r*in­nen mehr Geld verlangen, weil es in der Nähe der Wohnung einen Supermarkt oder eine Bushaltestelle gibt? Nein, hat das Amtsgericht Lichtenberg entschieden und damit den jüngsten Miet­erhöhungen von Berlins größtem Vermieter Vonovia einen Riegel vorgeschoben.

Das Unternehmen, das seit der Übernahme der Deutschen Wohnen mehr als 130.000 Wohnungen in der Hauptstadt besitzt, hatte im vergangenen Jahr die Mieten massenweise um 15 Prozent angehoben. Begründet wurde dies teils mit „wohnwertsteigernden Merkmalen“, die im Mietspiegel gar nicht vorgesehen sind – etwa einer guten ÖPNV-Anbindung. Das Berliner Bündnis gegen Vonovia und Co kritisierte das als Verstoß gegen den Mietspiegel.

Seit vergangenem Jahr hat Berlin einen neuen Mietspiegel, der die maximal zulässige, ortsübliche Vergleichsmiete regelt. Vonovia-Chef Rolf Buch bezeichnete diesen als „getürkt“ und griff zu kreativen Methoden, um ihn zu umgehen beziehungsweise zu erweitern.

Das ist laut Amtsgericht Lichtenberg aber nicht zulässig. Denn die ÖPNV-Anbindung und Nahversorgung seien in der Einordnung der Wohnlage in einfach, mittel und gut bereits berücksichtigt. Im konkreten Fall argumentierte Vonovia, dass die nächsten Supermärkte weniger als 100 Meter und die nächste Bushaltestelle nur 400 Meter entfernt seien und dies den Wert der Wohnung zusätzlich steigere.

Vonovia sieht keine allgemeingültige Bedeutung

Mitnichten, sagt das Gericht, denn Berlin verfüge insgesamt über eine gute Nahversorgung. Laut Vonovia beträgt die durchschnittliche Entfernung zum nächsten Supermarkt rund 1,1 Kilometer. Die Differenz von nur einem Kilometer „dürfte bei der Wohnungswahl kaum eine entscheidende Rolle spielen“, heißt es im Urteil.

Auch die Nähe einer Bus- und Tramhaltestelle sei „angesichts des gut ausgebauten Netzes in Berlin keine Besonderheit“. Im konkreten Fall dürfte durch das Fehlen von S- und U-Bahn-Haltestellen die Verkehrsanbindung „sogar schlechter sein als die der überwiegenden Zahl der Berliner Wohnungen“, so das Gericht, das die Klage von Vonovia als Angriff auf den Mietspiegel wertet.

Der Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund begrüßt das Urteil und fordert Vonovia auf, „die erfundenen Merkmale ‚Gute ÖPNV-Anbindung‘ und ‚Gute Nahversorgung‘ bei künftigen Mieterhöhungsverlangen nicht mehr zu verwenden“, so der Vorsitzende Marcel Eupen.

Danach sieht es jedoch nicht aus: „Das Urteil besitzt nur Aussagekraft für diesen konkreten Fall. Es hat keine allgemeingültige Bedeutung. Jede Mietanpassung ist ein Fall für sich“, so Vonovia-Sprecher Christoph Metzner zur taz. Er sieht in dem Urteil auch kein grundsätzliches Hindernis im Umgang des Immobilienkonzerns mit dem Berliner Mietspiegel, im Gegenteil: „Es können weitere Merkmale hinzugezogen werden“, so Metzner.

Der mietenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Niklas Schenker, sieht in der Entscheidung hingegen einen „Schlag gegen Vonovia und ihren Erfindungsreichtum, noch mehr Profite aus Mie­te­r*in­nen herauszuschlagen“. Er fordert den schwarz-roten Senat auf, im Berliner Wohnungsbündnis klarzustellen, dass diese Merkmale gegen den Mietspiegel verstoßen.

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6 Kommentare

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  • Die innovativen Ideen der Rechtsbeugung, die darauf spekulieren, dass insb. Mieter in Sozialwohnungen, die oft weder über Knowhow noch Standing bzw. finanzielle Kapazitäten für aufreibenden Rechtsstreits verfügen, ähneln schon mafiösen Gebahren.



    Hier ist der Rechtsstaat gefordert. Wie andere Unternehmen auch müssen die AGs bzw. Zeichenende in - mögliche persönliche - Verantwortung genommen werden- wenn Betrugsversuche offensichtlich sind.



    Der tägliche Kampf des "kleinen Mannes" um eine rechtsmäßige Mietabrechnung schürt den Zweifel an unserem Rechtsstaat.

  • Ja, aber wer wird schon was gegen Mietwucher tun? Die Linken sind nicht in der Regierung, und das wäre die Einzigen, denen das ein Anliegen ist.

    Übrigens eine witzige, wenn auch selbstverständliche, Idee, dass eine gute Verkehrsanbindung, für die der Vermieter ja nichts getan hat, kein Grund für eine Mietsteigerung ist.

    Denn wenn man das konsequent weiterdenkt, ist es auch kein Grund für eine schon von Anfang an höhrere Miete. Aber in der Realität werden Wohnungen in solchen Gegenden schon immer für mehr Geld vermietet oder verkauft. Das Argument wäre also ein prima Argument dafür, dass Mieten in Hinterwahnwitz in Brandenburg genauso hoch sein müssten wie in der Münchner Innenstadt. Also ein Mietendeckel. Welche Parteien wollen denn sowas? Genau, aber die haben nur 8,8% gewählt.

  • dagegen hilft nur vergesellschaftung

    • @Pflasterstrand:

      Und woher kommen die circa 30 Milliarden Euro für den Kauf der 130.000 Vonovia Wohnungen? Wenn es doch so einfach wäre ...

      • @Mopsfidel:

        Wer Mietrecht mit Füssen tritt und Eigentum (Wohnraum) verwahrlosen lässt, während er Profite zieht, muss nicht auch noch fürstlich belohnt werden.

      • @Mopsfidel:

        Von daher, wohin das Geld verschwunden ist als man Wohnungen an profitgierige Mietwucherer verscherbelt hat. Die Komunen wurden vom Bund kaputtgespart und haben ihre Sozialwohnungen verscherbelt. Also sehe ich das als Aufgabe des Bundes, sie auch wieder zurückzukaufen. Whatever it takes! Gelle? Einfach mal solche Sprüche zum Wohl des Bürgers und nicht zum Wohl von Rüstungskonzernen!

        Denn sinnlose Wohnungsbauprojekte zu propagieren, die dann entweder nicht umgesetzt werden, oder nur in zusätzlichen unbezahlbaren Wohnraum münden, könnte man auch ersetzen gegen die Idee, vorhandenen Wohnraum bezahlbar zu machen. Dann würde man das Geld für die anderen Projekte schon mal einsparen.

        Aber dazu müsste man natürlich Politik für die BürgerInnen machen wollen und das auch noch mit Sinn und Verstand. Das hätte man nicht mal von SPD und Grünen erwarten können, mit einer Merz-CDU kann man genauso vom Schlaraffenland träumen. Klar, dass das mindestens vier Jahre lang aussichtslos ist. Aber auch die nächste, dann AfD-geführte, Regierung wird da natürlich nichts ändern. Dann geht's eh bergab.