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Mieterbund über sozialen Wohnungsbau„Das ist ein Konstruktionsfehler“

Ulrike Hamann vom Berliner Mieterverein kritisiert die Fördersystematik des sozialen Wohnungsbaus. Die Allgemeinheit müsse langfristig profitieren.

Zu wenig Bautätigkeit im sozialen Wohnungsbau? Unbenutzte Kräne auf einer Baustelle in Düsseldorf Foto: Michael Gstettenbauer/imago
Jasmin Kalarickal
Interview von Jasmin Kalarickal

taz: Frau Hamann, laut einer neuen Studie wird die Bundesregierung ihr Ziel verfehlen, 100.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr zu schaffen. Wie bewerten Sie das?

Ulrike Hamann: Mit der Studie wird der Mangel an leistbarem Wohnraum unterstrichen. Aber selbst wenn die Bundesregierung unserer Forderung nach einem Sondervermögen folgt, ist es wichtig, aus alten Fehlern zu lernen.

Wie meinen Sie das?

Die Fördersystematik funktioniert ja bislang so: Private Eigentümer bekommen vom Staat Fördergelder dafür, dass gebaute Wohnungen temporär belegungsgebunden sind. Das heißt, die Wohnungen werden an Menschen mit einem Wohnberechtigungsschein vergeben und die Mieten sind relativ günstig. Aber diese Sozialbindung ist zeitlich begrenzt, und kann auch vorzeitig aufgehoben werden, wenn die Ei­gen­tü­me­r*in­nen ihre Darlehen früher zurückzahlen. In Berlin beträgt die Sozialbindung 30 Jahre, die Dauer variiert in den einzelnen Bundesländern. Danach können die Wohnungen nach den Regeln des freien Markts vermietet werden. Das ist doch ein Konstruktionsfehler.

Im Interview: Ulrike Hamann

Ulrike Hamann ist seit Juni 2022 in der Geschäftsführung des Berliner Mietervereins. Zuvor war die Sozialwissenschaftlerin Vorständin der Berliner Wohnraumversorgung AöR und in Mieterinitiativen wie Kotti & Co und dem Mietenvolksentscheid aktiv. 2016 gab sie das Heft „Die Legende vom Sozialen Wohnungsbau“ mit heraus.

Der dazu führt, dass es immer weniger Sozialwohnungen gibt. 2007 gab es in Deutschland noch über 2 Millionen Sozialwohnungen, 2020 waren es nur noch 1,1 Millionen. Es fallen mehr So­zialwohnungen aus ihrer Bindung, als neue entstehen. Warum werden Sozialwohnungen überhaupt zeitlich befristet?

Die landeseigenen Wohnungsunternehmen haben nicht genügend Baukapazitäten, deshalb wollte man die privaten Eigentümer zum Bauen motivieren. Nur diese haben kein Interesse daran, dauerhaft niedrige Mieten zu nehmen, also wird die Belegungsbindung zeitlich befristet.

Sie sind Mitherausgeberin des Heftes „Die Legende vom Sozialen Wohnungsbau“. Ist der soziale Wohnungsbau gar nicht so sozial?

Es ist eine staatliche Eigentumsförderung für Privatpersonen, Fonds und Unternehmen mit einer sozialen Zwischennutzung. Die Allgemeinheit profitiert davon nicht dauerhaft. Tatsächlich war die soziale Wohnraumförderung immer schon für „breite Schichten der Bevölkerung“, also auch für Menschen mit mittleren Einkommen konzipiert, die sich keinen eigenen Hausbau leisten konnten. Erst später ab den 1960er Jahren wurde die Förderung für größere Mietshäuser ausgebaut.

Also hatte der soziale Wohnungsbau gar nicht das Ziel, günstigen Wohnraum zu schaffen?

Doch, das auch. Aber in der Bundesrepublik wurde mit dem sozialen Wohnungsbau die Aufgabe, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, auch an Private ausgelagert. In der DDR war es anders. Da gab es staatliche Wohnungsbauprogramme, und die Wohnungen wurden entweder von Genossenschaften oder von kommunalen Gesellschaften gebaut.

Haben wir so wenig Sozialwohnungen, weil die alte Wohngemeinnützigkeit 1990 abgeschafft wurde?

Das ging mit einher. Mit der Abschaffung der alten Wohngemeinnützigkeit wurde ein ganzer Teilbereich auf dem Wohnungsmarkt, der nicht gewinnorientiert war, abgeschafft. Zusätzlich wurde die Förderung für den sozialen Wohnungsbau immer weiter eingedampft, auch weil es Kritik an den Großwohnsiedlungen gab, die mit dem sozialen Wohnungsbau entstanden sind. Sie wurden als „überlastete Nachbarschaften“ diskreditiert.

Die Ampel will eine neue Wohngemeinnützigkeit beschließen: Gemeinwohlorientierte Wohnungsbauunternehmen, die dauerhaft günstigen Wohnraum schaffen, bekommen dann steuerliche Vorteile. Ein Wendepunkt?

Im Frühling soll es einen ersten Entwurf geben. Das Ziel ist, wieder einen nicht gewinnorientierten Sektor aufzubauen, der langfristige Bindungen und leistbaren Wohnraum bietet. Das ist insbesondere in den Zeiten explodierender Mieten dringend nötig, denn Wohnen ist Teil der Daseinsvorsorge.

Sind wir nicht darauf angewiesen, dass auch Private bauen?

Das ist tatsächlich ein Problem. Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sind gar nicht in der Lage, so viel selbst zu bauen. Das heißt, momentan kommen wir gar nicht an der privaten Bauwirtschaft vorbei. Aber es ist eine Trendwende in der privaten Immobilienwirtschaft zu beobachten: Angesichts der steigenden Bauzinsen und Unsicherheiten wird der soziale Wohnungsbau wieder attraktiver. Denn er garantiert ja über einen langen Zeitraum immerhin eine kleinere Rendite.

Ist das ein guter Trend?

Kommt darauf an. In Berlin gilt nach wie vor eine Bindungsdauer von 30 Jahren. In Hamburg dürfen landeseigene Grundstücke nicht mehr verkauft, sondern nur noch per Erbbaupacht vergeben werden – und zwar unter der Bedingung, dass darauf ein bestimmter Anteil von Sozialwohnungen entsteht mit einer Bindungsdauer von einhundert Jahren. Hamburg hat also vorgemacht, dass fast dauerhafte Bindungen bei Sozialwohnungen möglich sind.

Es ist also einfach eine politische Entscheidung, wie lange diese Bindungen laufen?

Ja, aber die Wohnungswirtschaft hat natürlich ein erpresserisches Moment. Sie kann sagen: Wir bauen nicht, wenn die Konditionen, die ihr uns anbietet, unattraktiv sind. Für das Hamburger Modell, was jetzt bekannt geworden ist, gab es auch sehr viel Schelte von der Immobilienwirtschaft.

Es wird auch viel geklagt, dass das Bauen angesichts der steigenden Baukosten fast unmöglich ist und so Projekte ruhen. Trifft das den sozialen Wohnungsbau besonders?

Die Immobilienwirtschaft will, dass die Förderbedingungen jetzt angepasst werden, also sie wollen mehr staatliches Geld. Aber die Frage ist doch: Welche Verpflichtungen haben sie im Gegenzug? In Berlin wurden die Förderbedingungen in Absprache mit der Wohnungswirtschaft angepasst. Mit der Folge, dass es jetzt Fördergelder vom Land Berlin gibt, aber es muss nicht mehr zwingend für niedrige Einkommen gebaut werden, sondern es geht auch für das mittlere Preissegment. Konkret: Momentan liegt die Sozialmiete in Kreuzberg bei 6,74 Euro. Die neue Förderung garantiert eine „Sozialmiete“ von 9,00 Euro. Es wird also wieder am Bedarf vorbeigebaut

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5 Kommentare

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  • Wieso wird mit 9 Euro am Bedarf vorbeigebaut? Auch in Berlin gibt es eine breite Mittelschicht, die zwar keine 20€, aber sehr wohl 9€ je m2 zahlen kann, ohne dass sie dadurch überfordert würde. Wieso soll für diese Gruppe der Preis auf 6,74 runter subventioniert werden? Das Geld sollte besser in den Bau weiterer Wohnungen investiert werden.



    Im Übrigen bedarf es auch für die 9€ eine durchaus üppige Subvention. Ein Beispiel aus der Praxis: Bei einem mir bekannten Genossenschaftsprojekt ohne Luxus, ohne Förderung und ohne Gewinnabsicht lag die Miete bei 14€ um langfristig auf eine schwarze Null zu kommen. Das Haus wurde 2019 fertig gestellt. Seitdem sind die Baukasten noch erheblich gestiegen.

  • Danke für das so wichtige Interview. Augenöffnend und möglicherweise ja zielführend.

    Wohungen sollten grundsätzlich der Allgemeinheit gehören und aus den kapitalistischen Verwertungsinteressen per Gesetz herausgenommen werden. Das Grundgesetz gibt das ja auch her (Art. 14):

    www.gesetze-im-int....de/gg/art_14.html

    Mit der massiven Förderung (Sondervermögen) von Genossenschaften und Gemeinwohlorientierten Wohnungsunternehmen ist es schon 2023 möglich da massiv umzusteuern.

    Und Mietwucher/Wohnungsleerstand sollte möglicherweise gesetzlich bestraft/mit Strafgeldern belegt werden.

    Müssen nur wollen... .

  • Die Wirtschaft sucht dringend nach Fachkräften und ist (oder war es zumindest Jahrezehnte lang) gleichzeitig darauf ausgerichtet, die Gewinne immer mehr zu steigern und gleichzeitig die Arbeitslöhne so niedrig wie möglich zu halten. Zusätzlich gilt immer noch (wenn zur Zeit auch ein wenig eingeschränkt) die Steuertrickserei, bei der die größten Konzerne kaum Steuern zahlen. Die Folgen davon sind extreme soziale Verwerfungen.

    Hier wäre ein geeigneter Ansatzpunkt. Warum nicht einfach die großen Unternehmen mit den höchsten Gewinnen in den sozialen Wohnungsbau mit einbeziehen? Wer Gewinne machen will und händeringend Fachkräfte sucht, der soll auch für genügend Wohnungen sorgen. Gleichzeitig ließe sich dabei einiges für den Umweltschutz tun, denn wo es arbeitsplatznah genügend Wohnraum gibt, da erübrigt sich auch weitgehend der Pendelverkehr.

    Ebenso könnte man große Banken mit einbeziehen, die es vorziehen, immer mehr Zweigstellen zu schließen, um ihre Gewinne noch mehr zu steigern.

    Es gibt da recht viele Bereiche, die große Übergewinne u.a. auch dadurch erwirtschaften, daß sie die sozialen Strukturen immer löchriger machen. Eine Umkehr wäre möglich, indem man aufhört, die ärmere Bevölkerung immer mehr einzuschränken und endlich mit einer gerechteren Verteilung beginnt, wozu auch der Wohnungsmarkt gehört.

    Aber auch staatlicherseits steht eigentlich genug Geld zur Verfügung. Schon ein Verzicht auf die bislang nicht endenden Steuergeldverschwendungen einschließlich der "legalen Korruption", die über den Lobbyismus verwirklicht wird, würde die für den sozialen Wohnungsbau geforderten 50 Mrd. weit übersteigen.

  • Wenn neue Wohnungen 9,00 Euro / m^2 kosten, wird nicht am BEdarf vorbeigebaut, sondern zu niedrig gefördert. Für 6,74 Euro / m^2 müsste die Förderung ~ 1/3 der Baukosten decken, denn für 10 Euro / m^2 konnten die Wohnungsbaugenossenschaften schon vor der Inflation nur "gerade so" bauen.

    Alle reden über die Befristung der Sozialbindung für Wohnungen, verschweigen aber die Abschaffung der Fehlbelegungsabgaben Anfang der 2000er Jahre. Letztendlich hat sich der Staat auch deshalb aus dem Sozialwohnungsbau zurückgezogen, weil die dauerhafte Alimentierung (besser)-Verdienender Mieter in Sozialwohnungen zu teuer wurde.

  • "In der DDR war es anders.



    Da gab es staatliche Wohnungsbauprogramme, und die Wohnungen wurden entweder von Genossenschaften oder von kommunalen Gesellschaften gebaut."

    Deshalb war die DDR auch Dauerpleite!

    Wenn sie jetzt hier propagieren, dass Privatpersonen Sozialwohnungen zwar finanzieren sollen, diese aber dauerhaft als Sozialwohnung Preisgebunden zur Verfügung stellen, dann wird dies nur zu einem führen, was man jetzt schon sieht: Privatpersonen bauen keine Mietwohnungen mehr!



    Zu viel staatliche Regulierungen schrecken Privatpersonen als Investoren ab. Nur die ganz Großen wie Vonovia machen dann noch beim Rosinenpicken mit.



    Ich habe meine Mietwohnungen schon lange verkauft, ich werde nie wieder in Mietwohnungen investieren, den Regulierungswahn mache ich nicht mehr mit.