Mietenpolitik in Berlin: Initiative räumt Volksbegehren ab

Über drei Monate nach dem Wohnraumgesetz beschließen die Aktiven, keinen Volksentscheid mehr anzustreben. Ein Kongress soll neue Projekte vorbereiten.

Bezahlbare Mieten vor allem für Menschen mit wenig Geld gehörten zu den zentralen Forderungen des Berliner Mieten-Volksbegehrens. Foto: dpa

Das Mietenvolksbegehren ist Geschichte. „Wir haben mit großer Mehrheit beschlossen, dass den Gesetzentwurf zurück zu ziehen“, sagte der Sprecher der Initiative, Rouzbeh Taheri, am Mittwoch der taz. Nach seiner Darstellung wäre es zu aufwändig und wenig zielführend, die Fortsetzung möglicherweise über Jahre am Verfassungericht durchzukämpfen. Die Entscheidung fiell laut Taheri am Dienstagabend bei einem Aktiventreffen mit rund 20 Teilnehmern. Eine solche Abstimmung war ursprünglich bereits für November erwartet worden, nachdem das Abgeordnetenhaus das „Wohnraumversorgungsgesetz“ beschlossen hatte.

Das Volksbegehren war eines der erfolgreichsten in der Berliner Geschichte und hatte im Frühjahr 2015 in seiner ersten Stufe binnen weniger Wochen rund 40.000 gültige Unterschriften gesammelt. Das waren doppelt so viele, wie nötig gewesen wären, um das Begehren in einer zweiten Stufe Richtung Volksentscheid weiter zu führen. Sowohl der Senat als auch die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus zeigten sich sichtlich beeindruckt und begannen schon während der Unterschriftensammlung Gespräche mit den Initiatoren.

Die führten im August zu einer Verabredung: Die SPD-Verhandler boten Mietzuschüsse, Vergabe von Wohnungen an Bedürftige und mehrere hundert Millionen für Wohnungsneubau. Im Gegenzug kündigten die führenden Köpfe der Initiative an, ihren Aktiven die Aufgabe des Volksbegehren nahe zu legen, wenn all diese Zusagen bis November in ein Gesetz münden würden. Das klappte auch: Am 12. November stimmte im Abgeordnetenhaus neben SPD und CDU auch die Grünen-Fraktion für dieses Paket mit dem Titel „Wohnraumversorgungsgesetz“. „Das Gesetz ist mehr, als die SPD je auf den Weg gebracht hätte“, kommentierte die Grünen-Mietexpertin Katrin Schmidberger damals.

Die zugesagte Empfehlung und die Abstimmung über den weiteren Umgang mit dem Volksbegehren blieben aber vorerst aus: Man habe immer noch nicht die Stellungnahme der Innenverwaltung des Senats, beschied die Initiative mehrfach taz-Anfragen. Die lag zu Jahresbeginn mit dem Ergebnis vor, dass die Behörde das Begehren nach einigen Änderungen nicht für verfassungskonform und nicht weiter zulässig hielt.

Die ablehnende Haltung der Innenverwaltung beeinflusste die Abstimmung am Dienstagabend offenbar mehr als inhaltliche Aspekte. Taheri räumte zwar der taz gegenüber ein, der Senat habe einige Punkte des Volksbegehrens erfüllt. Dennoch können von einem Kompromiss keine Rede sein, schreibt die Initiative auf ihrer Internet-Seite. Kritiker hatten schon nach der Verabredung im August bemängelt, dass wichtige Punkte außen vor blieben. Die Verhandler der Initiative hatten anderem nicht durchsetzen können, die sechs landeseigenen Wohnungsgesellschaften eine andere Unternehmensform zu geben, die sie für weniger Gewinn orientiert hielt.

Dennoch mag sich die Mieten-Initiative nicht am Gericht verkämpfen: „Das Volksbegehren am Verfassungsgericht durchzusetzen, würde viel Kraft kosten, die wir anders besser einsetzen können“, sagte Taheri. Nach seiner Einschätzung würde es Monate oder sogar Jahre bis zu einem Urteil dauern. Stattdessen wolle man jetzt eine Kampagne im Vorfeld der Abgeordnetenhauswahl vorbereiten. Dazu soll auch eine Konferenz am 26. und 27. Februar an der Technischen Universität dienen. „Ruhe geben wir noch lange nicht und schon gar nicht zum Wahlkampf“, schreibt die Initiative.

„Ich finde es begrüßenswert, dass der im Sommer erzielte Kompromiss, der seit November Gesetz ist, von der Mieten-Initiative mit getragen wird“, sagte der taz Bau-Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup, der bei den Verhandlungen maßgeblich mitwirkte. Dass die Inititiave einen Kompromiss bestreitet, kann er nicht nachvollziehen: „Wir haben die Einigung vom Sommer 1:1 umgesetzt.“

Grünen-Landeschef Daniel Wesener, der bei einer Diskussionsrunde mit Vertretern des Senats und der Initiative im November selbst noch mehr Bewegung beim Senat forderte, hält den Abbruch des Volksbegehrens für „richtig und nachvollziehbar“. Die Initiative habe viel mehr erreicht, als er selbst gedacht habe, sagte er der taz. „In der Politik ist man ja nie zufrieden, aber die Erfolge der Initiative können sich sehen lassen.“

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