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Mietenpolitik der Berliner SPDDer Markt wird es nicht regeln

Bert Schulz
Kommentar von Bert Schulz

In der Mietenpolitik versucht die SPD krampfhaft, die Enteignungs-Bewegung zu blockieren. Das schadet ihr, der Koalition – und den Mieter*innen.

Ist leider so. Plakat auf einer Demo Foto: dpa

E in knappes halbes Jahr ist die rot-grün-rote Koalition (wieder) im Amt. Nachdem sie fast alle selbst gesteckten Ziele für die ersten 100 Tage locker erreicht hat – schließlich war deren Machbarkeit wichtigste Vorgabe von SPD-Regierungschefin Franziska Giffey –, läuft es vor allem in der für die Stadt so zentralen Wohnungs- und Mietenpolitik nicht rund.

Zum einen mussten Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) und Giffey am Wochenende eingestehen, dass die Neubauziele von 20.000 Wohnungen jährlich zu hoch gesteckt sind und zudem ein freiwilliger Mietendeckel nicht umsetzbar ist; zum anderen werfen sie, um dieses Scheitern zu kaschieren, stets neue unausgegorene und offenbar nicht mit den Koalitionspartnern abgesprochene Vorschläge in die Runde. Das sorgt für viel Unruhe in dem Dreierbündnis.

Letztlicher Grund für diese stetigen Dissonanzen ist die Uneinigkeit zwischen SPD, Grünen und Linken über den Umgang mit dem erfolgreichen Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co enteignen. Denn alle wohnungspolitischen Maßnahmen, die Giffey und Geisel aktuell vorantreiben, haben vor allem ein Ziel: Sie sollen belegen, dass die Enteignung der Bestände großer Ver­mie­te­r*in­nen, wie beim Volksentscheid gefordert, überflüssig ist, weil letztlich der Markt, sprich die Immobilienbranche, selbst alles regelt.

Geisel und Giffey sind diese Belege bisher allerdings schuldig geblieben. Und die jüngsten Eingeständnisse des Scheiterns beim im Koalitionsvertrag vereinbarten Mietenmoratorium und dem Wohnungsneubau liefern nun eher Belege für das Gegenteil. Der Markt wird es nicht regeln. Er kann es gar nicht, denn die von der SPD vorgegebenen Ziele entsprechen nicht dem Verhalten renditeorientierter Anbieter auf dem leergefegten Berliner Wohnungsmarkt.

Es braucht auch mehr Druck auf den Bund, denn gute Teile der Wohnungspolitik muss der Bund regeln

Natürlich gibt es auch externe Gründe für Giffeys und Geisels Scheitern, vor allem den Ukraine-Krieg und seine vielschichtigen Folgen, von denen niemand weiß, wann sie überwunden sind. Doch nicht nur deswegen sollten sich Giffey und Geisel fragen, ob es sinnvoll ist, die dynamische Enteignungsbewegung weiter krampfhaft auszubremsen, statt deren Druck für eine Verbesserung der Lage auf dem Wohnungsmarkt zu nutzen.

Schluss mit den Querschüssen

Für die Koalition wäre es jetzt an der Zeit, ihren in November und Dezember unter großem Zeitdruck entstandenen Kompromiss zum Enteignen-Entscheid weiterzuentwickeln zu einer Position, die alle drei Parteien mittragen können. Nur dann wäre auch einigermaßen gewährleistet, dass die vom Senat eingesetzte Ex­per­t*in­nen­kom­mis­si­on zur Enteignung kon­struktiv arbeiten kann.

Schließlich braucht es mehr Druck auf den Bund, wo ja immerhin eine Koalition unter Führung der SPD regiert. Wann, zum Beispiel, kommt endlich der bundesweite Mieten- und Wohnungsgipfel, initiiert von Giffey und ihrem Parteifreund und Bundeskanzler Olaf Scholz?

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Bert Schulz
Ex-Leiter taz.Berlin
Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.
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16 Kommentare

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  • "Das schadet ihr, der Koalition – und den Mieter*innen."

    Korrekt auf den Punkt gebracht.



    Man könnte auch den alten und wahren Spruch zititieren.



    Wer hat uns verraten, Sozialdemokraten.

  • Richtig: Der Markt kann es nicht lösen, weil das Angebot nicht beliebig gesteigert werden kann. Aber das löst eben auch kein anderer Zuteilungsmechanismus. Die Marktmechanismen setzen sich immer durch zuletzt als Schwarzmarkt - wieviele unregulierte Untermietverhätnisse es in Berlin wohl jetzt schon gibt?

  • "Das Problem sind bezahlbare Wohnungen für das untere Einkommensdrittel."

    Richtig, was schlagen denn SIE vor?



    Meiner Meinung nach ist das Wohnen ein Grundrecht der Bürger, das nicht auf dem freien Markt verhökert werden darf. Gleiches gilt für Krankenhäuser, Wasserbetriebe, Stromkonzerne, .....

    Die Enteignung- die ja in Wirklichkeit nur ein Rückkauf zu einem fairen Preis ist - spiegelt doch nur wieder, in was für eine Misere wir uns befinden. Wer hat die verursacht? Richtig, die Politiker. Wer hat mindestens genausoviel Schuld? Die Wähler.

    Früher hat man Bösewichte geteert und gefedert und aus der Stadt gejagt.

    • @cuba libre:

      Ja, niemand hindert sie daran, sich mit Teer einzuschmieren und sich dann in Federn zu wälzen. Der Zuzug nach Berlin ist weder von den Politikern noch von den Wählern verursacht worden.



      Btw: was ist denn der faire Preis?

      • @YeahYeah:

        Schwarz-weiß steht mir aber nicht!



        Die Politik ist doch seit Jahren handlungsunfähig. Jedenfalls wird viel gelabert und das Falsche getan.

        Berlin hat tatsächlich für 2021 den Spitzenplatz beim Neubau in der Bundesrepublik. Super! Aber wenn immer mehr Menschen in diese Stadt kommen, kann man es auch sein lassen.



        Das nennt man Hase-Igel-Spiel.

      • @YeahYeah:

        Na, also das Land Berlin versucht schon krampfhaft seit Jahrzehnten die Stadt als attraktiven Ort zum Leben und Arbeiten zu vermarkten. Sie hat einiges beigetragen zum Zuzug nach Berlin. Die elendig großzügige Förderung windiger Startups gehört da auch dazu.

        • @LesMankov:

          Klar, Berlin könnte natürlich weiterhin versuchen, ein Geheimtip zu bleiben. Der erste Schritt wäre, die unsäglichen Clubs zuzumachen. Das würde vermutlich mehr bringen, als die Wirtschaftsförderung einzustampfen. Dann hauen die ganzen tsk-tsk-Produzenten ab😀 und die Air Bnb Wohnungen werden wieder frei….

          • @YeahYeah:

            Dass Berlin ein attraktiver Ort für junge Leute ist, muss positiv gesehen werden.



            Damit meine ich auch Studenten!!!!



            Denen muss man ohne lange Wartezeiten ein Dach überm Kopf zur Verfügung stellen. Auch keine Abzocke durch private Vermietung - mittlerweile Volkssport - rausholen was geht. Sind eh alles verwöhnte Irre, die nicht arbeiten wollen - so scheint mir die Haltung zu sein.



            Tatsächlich sind die unsere Zukunft. Dafür behandeln wir sie aber ziemlich schlecht.



            Auf ein "Dr. Motte" hingegen kann ich gerne verzichten!.

    • @cuba libre:

      "Die Enteignung- die ja in Wirklichkeit nur ein Rückkauf zu einem fairen Preis ist"

      Freiwillig erfolgt dies wohl nicht. Was ein fairer Preis ist, bestimmt wer? Derjenige, der nimmt wie im 3. Reich, oder derjenige, dem genommen wird?

      • @eicke81:

        Was wollen Sie denn?



        Alles zerreden?



        Klar ist, dass die Wohnungskonzerne wie Vonovia und DW die ganz normalen Bürger aussaugen.



        Weg mit diesen Typen.

        Aber nun wird ja eine neue Spielwiese für die Profitjunkies aufgemacht, dank Olaf Scholz - die Rüstungsindustrie. Da lässt sich ab sofort auch kräftig daran verdienen. Rheinmetall wird in den DAX aufsteigen.

  • Und wieder einmal gilt, Wer hat uns verraten.....

  • Das Problem ist doch, dass mehr Menschen in Berlin leben wollen, als Wohnraum vorhanden ist. Dieses Problem wird auch die Enteignungsiniative nicht beheben.

    Bieher ist noch kein tauglicher Ansatz benannt.

    Wenn also niemand bereit oder in der Lage ist, den Zuzug zu beschränken, kann man wohl kaum von einem Scheitern sprechen/schreiben.

  • Lieber Herr Schulz, das halte ich für einen völlig unbrauchbaren Ansatz.



    Erstens, das Grundproblem, das zu viele Wohnungssuchende auf zu wenige Wohnungen treffen wird mit Enteignungen gar nicht adressiert.



    Zweitens, die grossen Wohnungsanbieter, die hier im Fokus stehen, und die den Grossteile ihres Wohnungsbestandes ja schon mal von einem linken Senat verkauft bekommen haben, machen gar keinen so grossen Teil des Wohnungsmarkts aus.



    Drittens, die Wohnungsmieten in Berlin sind im Durchschnitt deutlich im unteren Bereich von Grossstädten in ganz Europa (Deloitte-Studien).



    Das Problem sind bezahlbare Wohnungen für das untere Einkommensdrittel.



    Ich fände es interessant und informativ, wenn Sie aufzeigen würden, wie die (rechtlich höchst problematischen) Enteignungspläne da was verbessern sollten.

    • @u62:

      Zu 1) es geht ja primär darum, Wohnungen zu vergesellschaften, um Druck von den Mieter:innen zu nehmen (Genoss:innenschaften, in die die Wohnungen überführt werden, müssen nicht gewinnmaximierend arbeiten).

      Zu 2) sind es aber gerade diese großen Anbieter:innen, die Mieter:innen gängeln und die Gentrifizierung voran treiben. Wenn die Wohnungen dann nicht direkt der Stadt gehören, kann sie die auch nicht mehr wieder verkaufen.

      • @Piratenpunk:

        1) Hilft (wenn überhaupt) nur den Mieter die bereits dort wohnen.Aber es hilft nicht den Markt zu entspannen oder Wohnungen zu schaffen.

        Ja, Berlin braucht mehr Wohnungen. Und Berlin braucht mehr bezahlbare Wohnungen.



        Der "Markt" wird die nicht liefern. Also muss es die Stadt selber machen. Das kostet Geld. Was man nicht ausgeben kann oder will.



        Rumdiskutieren und falsche Hoffnungen wecken, kostet nur Wählervertrauen - und die Wähler sind eh wankelmütig.

        Und natürlich kann man die Privaten ins Boot holen. Einfach die Sozialbindung (eines Teils, z.B. 40%) der Wohnungen in die Verträge schreiben, nicht für 25 Jahre, nicht für 35 Jahre - für immer. Ich bin mir sicher auch dann werden Investoren kommen - man müsste es nur machen.

        Und auch Mieter könnten aktiv werden - die Mieter eines Hauses gründen eine Genossenschaft, die Stadt nutzt ihr Vorkaufsrecht und gibt/verkauft das Haus dann der Genossenschaft. Sollte auf jeden Fall billiger sein, also wenn noch eine AG dran mitverdient. Warum passiert das - wenn überhaupt - viel zu selten?

      • @Piratenpunk:

        zu 1) dies beantwortet die Frage nicht, sondern verklärt die Rolle des Staats. Komisch, dass auch die landeseigenen Gesellschaften gerade die Durchschnittsmieten erhöhen müssen, um nicht noch mehr Verluste zu machen

        zu 2) genau das ist falsch. Große Anbieter wie Vonovia sind nicht daran interessiert, Luxusmodernisierungen durchzuführen. Zudem haben diese kaum Häuser in den hot spot-Lagen.