Mietendemonstration in Berlin: Kampf um den Mietendeckel
Mehrere tausend Mieter:innen gehen in Berlin für einen Mietendeckel auf die Straße. Derweil spitzt sich der Streit darum im Berliner Senat weiter zu.
Berlins Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) lässt sich davon aber offenbar bislang nicht beirren: In dem neuesten Entwurf für ein Mietendeckel-Gesetz, datiert auf den 23. September, der der taz vorliegt, ist die Möglichkeit zur Absenkung weiterhin enthalten.
Aus der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus heißt es dazu, die SPD habe diese Haltung Ende August selbst mitgetragen. Am Abend des 29. August hatten sich SPD, Linke und Grüne bei einer Sitzung des Koalitionsausschusses auf die Grundlagen eines Referentenentwurfs geeinigt, den Lompscher einen Tag später der Presse vorstellte – die Möglichkeit zur Absenkung war hier bereits ein zentraler Bestandteil.
Doch Michael Müller ist davon offenbar nicht überzeugt: „Wir müssen wegkommen von diesen radikalen Lösungen, die gar nicht umsetzbar sind, die auch juristisch hoch umstritten sind“, hatte Müller schon am Dienstag im RBB gesagt. Gegenüber dem Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA), dem Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, bekräftigte Müller vor wenigen Tagen ebenfalls, er gehe davon aus, dass „die gesamten Vorhaben zur Absenkung der Mieten aus dem Gesetz herausgenommen werden“.
Kerstin Teich, Mietergemeinschaft
Genau dagegen machten die Mieter:innen am Donnerstag mobil. „Wir haben schon eine Mietpreisbremse, die nicht bremst, wir brauchen nicht auch noch einen Deckel, der nicht deckelt“, sagt der Demonstrationsteilnehmer Steffen Doebert aus Pankow der taz, der mit einer Maske des Regierenden Bürgermeisters gekommen ist. „Der Berliner Wohnungsmarkt ist völlig aus dem Gleichgewicht geraten, jetzt muss der Staat eingreifen“, findet er. Seine Begleiterin Nicole Lindner erzählt, in ihrem persönlichen Umfeld habe es bereits einen Fall von Suizid gegeben, der viel mit der Angst vor der drohenden Verdrängung zu tun gehabt habe. „Das sind Probleme, die an die Existenz gehen, und es braucht jetzt wirklich weitreichende Lösungen.“
Der Immobilienverband ZIA hatte die Äußerungen des Regierenden Bürgermeisters am Mittwoch als „eine Wende hin zu Vernunft“ begrüßt. Der Staatssekretär für Wohnen, Sebastian Scheel (Linke), betonte am Mittwoch hingegen, die Absenkung sei Teil der im Juni vom Senat beschlossenen Eckpunkte – „und somit auch Teil des durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen erarbeiteten Gesetzentwurfs“. Auch Grünen-Fraktions-Chefin Antje Kapek plädierte dafür, den Entwurf auf Basis der beschlossenen Eckwerte umzusetzen, also inklusive der Option auf Absenkung bei besonders hoher Belastung durch die Miete.
Kerstin Teich von der Berliner Mietergemeinschaft ist am Donnerstagmittag ebenfalls unter den Demo-Teilnehmer:innen, die sich zur Auftaktkundgebung am Alexanderplatz versammelt haben. „Ich will einen Mietendeckel, der nicht noch weiter durchlöchert wird. Was Herr Müller da sagt, finde ich hochgefährlich“, sagt sie. Neben der Regulierung der Bestands- und Neuvermietungspreise müsse der Senat auch kommunalen Wohnungsbau stark ausbauen: „Wir dürfen die Forderung nach Wohnungsbau nicht den privaten Konzernen oder der FDP überlassen“, sagt sie.
Bislang ist geplant, dass der Senat am 15. Oktober über den Mietendeckel entscheidet, danach ginge der Entwurf ins Abgeordnetenhaus. „Dass es über Detailfragen verschiedene Vorstellungen bei den Koalitionspartnern gibt, ist ganz normal“, so Müller am Donnerstag angesichts der doch recht massiv erscheinenden Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Koalition.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe