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Mietendeckel in BerlinKeine Ruhe um den Mietendeckel

Zwar hat sich der Senat Ende August auf einen Entwurf geeinigt. Der Mietendeckel bleibt aber als Ganzes und in seinen Details umkämpft.

Der Blick in den Deckel ist wie ein Blick in die Glaskugel: Die Zukunft ist ungewiss Foto: Steinach/ imago

Wäre es ein Gesetz, bei dem es nicht dermaßen um gesellschaftliche Besitzverhältnisse ginge, dann wäre das Wesentlichste schon geklärt. Ein vom Senat vorgelegter Gesetzentwurf würde vielleicht noch hier und da leicht angepasst werden. Dann durchliefe das Ganze ohne viel Tohuwabohu den parlamentarischen Prozess. Nur die finale Abstimmung wäre noch eine Meldung wert. Nicht so beim Berliner Mietendeckel. Hier hat sich der Senat zwar nach viel Aufschrei Ende August auf einen Referentenentwurf aus dem Hause der Bausenatorin Kathrin Lompscher geeinigt. Aber was heißt das schon?

Der Streit, einerseits über den Mietendeckel grundsätzlich und andererseits über seine Details, geht genauso aufgeregt weiter. Das sieht man etwa daran, dass die betreffende Senatsverwaltung Fachverbände anhört, bevor der Senat den Gesetzesentwurf beschließen möchte. Und dieses Vorgehen, das dazu dienen soll, konstruktive Kritik in den laufenden Prozess einfließen zu lassen, wird von manchen zum Todesurteil des Mietendeckels erklärt.

Ende vergangener Woche schoss eine Zusammenfassung der Anhörung vom 9. September durch Twitter, die laut Zeichnung von Ulf Heitmann, dem deckelkritischen Vorstand der Genossenschaft Bremer Höhe, verfasst worden ist. Darin heißt es: „5 von den 21 gehörten Verbänden waren also eher zur Zustimmung geneigt. Aber auch diese fünf brachten erhebliche Kritik am Text und der Systematik vor.“

Benjamin Raabe vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) war auch bei der Anhörung dabei. Es sei „nicht weiter verwunderlich“, dass sich der Großteil der geladenen Verbände, die direkt oder indirekt Interessen der Immobilienlobby vertreten, gegen den Mietendeckel geäußert haben, sagt er. Angehört wurden neben dem RAV und dem Berliner Mieterverein etwa der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, der Eigentümerverband Haus und Grund oder der Zentrale Immobilien Ausschuss. Raabe und sein Verein gehören zu den anderen Verbänden, die sich grundsätzlich positiv geäußert, aber Detailkritik geübt haben. „Ein paar Punkte sind noch nicht optimal formuliert. Da muss man nachbessern“, sagt Raabe.

Die Kritik bestimmter Verbände war erwartbar

Am Freitag hat sein Verein eine 30-seitige Stellungnahme veröffentlicht. Das Papier entkräftet die zwei wichtigsten rechtlichen Bedenken der Mietendeckel-Kritiker: Einerseits habe das Land Berlin seit der Föderalismusreform 2006 sehr wohl die Kompetenz, einen Mietendeckel zu beschließen. Andererseits sei der Eingriff in das Eigentumsrecht (Art. 14 GG) der Vermieter wegen der zugespitzten Situation auf dem Wohnungsmarkt verhältnismäßig, auch weil das Gesetz Härtefallregelungen für Vermieter kenne, denen eine Substanzgefährdung oder Verluste drohen könnten.

Die Detailkritik des RAV beziehe sich, so Raabe, auf einzelne handwerkliche Mängel. Der Gesetzgeber müsse darauf achten, dass der Mietendeckel keine Regeln treffe, die das zivilrechtliche Mietverhältnis von Vermieter und Mieter regeln. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass das Gesetz von Gerichten gekippt wird. Die saubere Trennung dieser beiden Bereiche könnte auch Einfluss darauf haben, nach welchen Kriterien eine Mietabsenkung letztlich möglich ist. Konkret: ob das Einkommen der Mieter also das rechtssichere Kriterium für eine Mietabsenkung ist.

Katrin Schmidberger, mietenpolitische Sprecherin der Grünen, ärgert sich über einen Artikel, der am Sonntag mit dem Titel „Grüne wollen es weniger radikal“ im Tagesspiegel erschienen ist. Darin geht es um eine interne Mail der rechtspolitischen Sprecherin der Grünen-Fraktion, Petra Vandrey, in der diese den aktuellen Entwurf als „verfassungsrechtlich bedenklich“ bezeichne. Schmidberger sagt: „Man kann nichts diskutieren, ohne dass jemand einem vorwirft, man zweifle am Mietendeckel.“ Die Mail der Kollegin sei eher eine „Sammlung von Fragen“ gewesen.

Die Lobby gegen den Mietendeckel ist massiv Gaby Gottwald, Linke

Es sei dennoch wichtig, differenzierte Kritik ernst zu nehmen, besonders jene der gemeinwohlorientierten Vermieter, so Schmidberger. Auch sie spricht die Rechtssicherheit bei Mietabsenkungen an: „Wie können wir das so regeln, dass es verhältnismäßig bleibt?“ Der Senat hatte sich Ende August darauf geeinigt, Absenkungen dann zu ermöglichen, wenn Mieter mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete aufwenden. „Ob und inwiefern die wirtschaftliche Situation des Vermieters eine Rolle spielt“, müsse laut Schmidberger aber ebenso untersucht und abgewogen werden. In einem am Samstag veröffentlichten Debattenbeitrag kritisiert Schmidberger zudem, dass es bisher keine Zahlen oder Folgeabschätzungen vom Senat gebe, ebenso wenig ein Konzept für das bezirkliche Personal.

Gaby Gottwald, mietenpolitische Sprecherin der Linken, ist auch nicht überrascht über die anhaltenden Diskussionen: „Die Lobby ist massiv und wird bis zum Schluss alles daransetzen, dass Teile des Mietendeckels gekippt werden“, sagt sie. Gleichzeitig kritisiert Gottwald, dass es für das Projekt nicht gut sei, den Mietendeckel immer wieder neu zu erfinden.

Mitte Oktober möchte der Senat den Entwurf endgültig beschließen. Dann wird das parlamentarische Verfahren beginnen. Wie Raabe und Schmidberger geht auch Gottwald fest davon aus: Der Mietendeckel bleibt bis zum Schluss umkämpft.

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2 Kommentare

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  • Zu den Genossenschaften: Sie sind rechtlich ihren Mitgliedern verpflichtet, nicht dem "Gemeinwohl". Allenfalls vertreten sie also ein Gruppeninteresse und nicht etwa soziale Ziele auf gesellschaftlicher Ebene. Aber es geht weiter, denn auch in Genossenschaften fließen Mieteinnahmen in private Taschen und von unten nach oben. Wie das? 1.) Mitglieder halten Geschäftsanteile, die verzinst werden. Wer viel hat, bekommt noch mehr dazu, altbekannt. 2.) Aus den Mieten Aller wird Neubau mitfinanziert, dessen Mieten die meisten nicht bezahlen können. 3.) Viele Genossenschaften lehnen es ab, Vorstandsgehälter offen zu legen. 4.) Genossenschaften betreiben eigene „Altersvorsorgekassen“ o.ä. Die Verzinsung wird von allen Mitgliedern mit den Mieten bezahlt. Also auch hier: Die Altersvorsorge der einen ist die Altersarmut der anderen. Dass in Genossenschaften Wahlen stattfinden, garantiert genauso wenig wie anderswo eine gerechte und humane Verteilung der vorhandenen Ressourcen.

    • @ClaraN:

      Claran:



      "1.) Mitglieder halten Geschäftsanteile, die verzinst werden. Wer viel hat, bekommt noch mehr dazu, altbekannt."

      FALSCH! Diese Aussage ist falsch – jedenfalls als Pauschalaussage!

      Genossenschaften können zwar die Anteile verzinsen, müssen dies aber nicht. Und viele tun dies auch nicht, weil Mieter und Mitglieder vielfach identisch sind und es unsinnig wäre, mehr als die Kostenmieten zu nehmen, um dann den Mietern diesen Mehranteil als Zinsen wieder zurückzuzahlen. Es macht allenfalls dort Sinn, wo die Genossenschaft – und damit auch die Mieter – dadurch Geld sparen, weil dieses Eigenkapital von Mitgliedern zinsgünstiger ist als Bankkredite und deshalb zu einer Senkung der Kostenmiete führt.

      Ich bin in 2 Wohnungsbaugenossenschaften Mitglied, und dort wird weder mehr als die Kostenmiete genommen, noch werden Anteile verzinst – im Gegenteil: Durch die Inflation sinkt sogar der Wert meiner Anteile.

      Claran:



      "2.) Aus den Mieten Aller wird Neubau mitfinanziert, dessen Mieten die meisten nicht bezahlen können."

      FALSCH! Diese Aussage ist auch falsch – jedenfalls als Pauschalaussage!

      Neubauten werden in meinen beiden Genossenschaften NICHT aus den Bestandsmieten bezahlt. In meinem Haus liegen die Mieten weit unter den Mietspiegelspannen.

      In Neubauten sind die Kostenmieten höher, liegen aber unter den Neubau-Marktmieten, weil sich die Mieten nur aus den tatsächlichen Erwerbs- und Baukosten bilden ohne Gewinnmarge/Rendite! Wenn die Genossenschaft dort weniger Miete nehmen würde, dann ginge sie pleite, und danach kämen dann Zwangsversteigerung und Heuschrecken. Das wäre wohl nicht die bessere Alternative.

      Claran:



      "3.) Viele Genossenschaften lehnen es ab, Vorstandsgehälter offen zu legen."

      Das können die Mitglieder über eine Satzungsänderung transparent regeln. Zum Teil lässt sich dies auch über die veröffentlichten Jahresabschlüsse rauslesen.