Meta in der EU: Der Gute wird böse
Bisher hat Facebook-Chef Mark Zuckerberg nach den EU-Regeln gespielt. Jetzt klagt er über Zensur. Die EU-Kommission weist das zurück.
Die Onlinewelt war aus EU-Sicht bisher recht simpel: Mark Zuckerberg, der Facebook-Chef, war der Gute, der sich an EU-Regeln wie das „Digitale-Dienste-Gesetz“ (DSA) hält und Fake News oder Hassrede aktiv bekämpft. Elon Musk hingegen, der Boss von „X“, der Böse. Der biedert sich zudem immer mehr bei den Rechten an und will am Donnerstag sogar live mit AfD-Chefin Alice Weidel chatten – eine Provokation.
Doch jetzt provoziert auch Zuckerberg. Der will nicht nur das von der EU hoch geschätzte Faktencheck-Programm abschaffen – wenn auch zunächst nur in den USA. Er wirft den Europäern zudem vor, amerikanische Konzerne zu Zensur zu drängen. In Europa gebe es „immer mehr Gesetze, die die Zensur institutionalisieren und es schwierig machen, dort etwas Innovatives zu entwickeln“, erklärte Zuckerberg. Gemeint war offenbar das DSA, das Facebook und andere Plattformen für ihre Inhalte in die Pflicht nimmt.
Die EU-Kommission will sogar noch weitergehen und einen „Demokratieschild“ einführen, der die Regulierung noch engmaschiger macht. „Wir sind Pioniere bei der Internetregulierung“, brüstet sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Ihre Gesetze würden nicht nur in Europa, sondern weltweit Geltung erlangen. Doch nun ist die EU-Behörde in die Defensive geraten.
„Wir weisen jede Behauptung einer Zensur entschieden zurück“, sagte Kommissionssprecherin Paula Pinho am Mittwoch. Zuckerberg liege voll daneben. Die EU greife nicht in die Inhalte ein, sondern stelle lediglich sicher, dass kein „illegaler oder schädlicher Content“ verbreitet werde, ergänzte der für das DSA zuständige Kommissionssprecher Thomas Regnier. Was illegal oder schädlich sei, lege nicht die EU fest, sondern werde durch nationale Gesetze geregelt. Auch die Art und Weise, in der der Content kontrolliert wird, werde nicht von Brüssel vorgeschrieben. Die bisher von Facebook genutzten Faktenchecker seien nur eine Möglichkeit. Denkbar seien auch „Community Notes“, wie sie „X“ eingeführt hat. Hauptsache, die Regeln würden eingehalten.
Das Problem ist, dass diese Regeln neu sind – und dass die Durchsetzung viel Zeit und Aufwand braucht. So prüft die EU-Kommission die Maßnahmen bei „X“ bereits seit einem Jahr – bisher ohne Ergebnis. Allein mit dem DSA sind schon 150 Kommissionsmitarbeiter beschäftigt – dabei ist es nur eins von mehreren Internetgesetzen. Ob Verstöße am Ende wirksam geahndet werden, ist offen.
Auf dem Papier drohen Musk gigantische Strafen von bis zu 6 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Als Grundlage könnten nicht nur die Zahlen von „X“ herangezogen werden, sondern theoretisch alle Unternehmen – darunter auch die Raumfahrtfirma SpaceX und der Elektroautobauer Tesla, der zuletzt rund 100 Milliarden Euro Umsatz meldete. Die Prüfung laufe noch, heißt es in Brüssel.
Doch dass es jemals zu so hohen Strafen kommen wird, ist fraglich. Spätestens seit dem Eintritt von Musk ins Team des künftigen US-Präsidenten Donald Trump ist die Internetregulierung zum Politikum geworden. Dass sich nun auch noch Zuckerberg den Wünschen der Republikaners fügt, macht die Sache nicht besser. Im Gegenteil: Jede EU-Strafe wäre ein Affront gegen den US-Präsidenten.
Zuckerbergs neue Linie gelte bisher nur für die USA, nicht jedoch in Europa, heißt es in Brüssel. Man sei guter Hoffnung, dass die Zusammenarbeit mit Facebook und den Faktencheckern in der EU wie bisher weitergehe. Viel mehr als eine Hoffnung ist das aber nicht. Der transatlantische Machtkampf um das Internet und seine Regeln hat gerade erst begonnen – die EU könnte den Kürzeren ziehen.
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