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Messerangriffe in IsraelGewalt wird zum Dauerproblem

Bei Angriffen mit Messern gibt es in Israel weitere Tote. Sie können jederzeit stattfinden. Ein Wundermittel dagegen gibt es nicht.

Tatort Tankstelle: Ein isralischer Soldat wurde erstochen, der Angreifer erschossen. Foto: reuters

Jerusalem taz | Die Serie der Angriffe in Israel reißt nicht ab. Ein junger Israeli wurde am Montag bei einer Messerattacke an einer Tankstelle im Westjordanland getötet, eine junge Frau trug Verletzungen davon. Mit Scheren gingen am Vormittag zwei Palästinenserinnen im Alter von 14 und 16 Jahren gegen Passanten auf dem Machane-Jehuda-Markt in Jerusalem los, ehe Sicherheitskräfte eins der Mädchen töteten und das zweite mit mehreren Schüssen in den Bauch schwer verletzten.

Paradoxerweise handelt es sich bei dem Opfer der Scherenattacke um einen Palästinenser aus Bethlehem, während ein israelischer Sicherheitsmann offenbar infolge eines Querschlägers Verletzungen an der Hand davontrug.

Der Überfall war der erste Anschlag in Jerusalem seit zwei Wochen. Die meisten Angriffe ereignen sich im südlichen Westjordanland. Israels Sicherheitsapparat verhängte ein Einreiseverbot. Die rund 2.000 Palästinenser, die im Siedlungsblock Gusch Etzion zwischen Bethlehem und Hebron ihren Lebensunterhalt verdienen, können derzeit ihre Arbeitsplätze nicht erreichen.

Unter Berufung auf Augenzeugen berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur Maan von „fliegenden Straßenkontrollpunkten“. Laut Nachrichtenportal Ynet ist offenbar auch die Errichtung weiterer permanenter Trennanlagen in der Diskussion. US-Außenminister John Kerry wird am Dienstag zu erneuten Vermittlungsgesprächen in Jerusalem erwartet.

Täter sind Männer und Frauen, Palästinenser und arabische Israelis

Die Vorstellung, dass die aktuelle Gewaltwelle in absehbarer Zukunft wieder abebben wird, ist vorbei. Das Hauptproblem bei den Messerattacken, so erklärt der Terrorexperte Shaul Shay vom Interdisziplinären Zentrum für Politik und Strategie in Herzlia, ist, dass sie „jederzeit, überall und durch jeden verübt werden können“.

Das Täterprofil umfasst Männer und Frauen, Palästinenser aus dem Westjordanland und arabische Israelis. Die Altersspanne reicht von 11 bis 40 Jahren. Eine neue Dimension ist der Einsatz von Schusswaffen. Ein „Wundermittel“, so meint Shay, „gibt es weder für die eine noch die andere Art der Angriffe.“

„Schon schlimmere Zeiten erlebt“

Wichtig sei, dass die Öffentlichkeit wachsam bliebe, außerdem seien ein umfangreiches Sicherheitsaufgebot und Abschreckungsmaßnahmen nötig. „Die Terroristen müssen wissen, dass ihre Chancen, lebend davonzukommen, minimal sind, und dass die Familien ihre Häuser verlieren.“ Teil der israelischen Anti-Terror-Maßnahmen ist die Zerstörung der Häuser, in denen die Attentäter leben. Israel habe „schon schlimmere Zeiten erlebt“, sagt der Terrorexperte und rät dazu, die Proportionen nicht aus den Augen zu verlieren.

22 Tote forderte die Gewalt bisher auf israelischer Seite, 97 Palästinenser starben, und rund 1.200 sind in den vergangenen Wochen verhaftet worden. In den palästinensischen Medien ist von „Hinrichtungen“ die Rede, wenn bei einer Messerattacke der Angreifer „neutralisiert“ wird, so der israelische Wortlaut, der in der Regel die Tötung des Angreifers meint. Ausgelöst wurden die neuen Eskalationen durch das Gerücht, Israel wolle den Status quo auf dem Tempelberg abschaffen und an der Stelle der islamischen Heiligtümer einen jüdischen Tempel errichten.

„Die Situation ist nicht einfach“, sagt Saki Jahab, Rettungssanitäter des Roten Davidsterns. „Man fragt sich immer, ob man richtig gehandelt hat, vor allem, wenn ein Verletzter stirbt.“ Mehrmals pro Woche wird der 47-Jährige zum Einsatz gerufen. Er behandelte die 21-jährige israelische Tramperin, die am Sonntag im Gusch Etzion mit einem Messer überfallen wurde und kurze Zeit später ihren Wunden an Kopf und Oberkörper erlag.

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12 Kommentare

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  • Natürlich sind das alles nur Gerüchte. Niemand hat die Absicht, dort einen jüdischen Tempel errichten.

     

    Zu dieser Verunglimpfung gehört auch die Behauptung, Ntanjahu hätte mit Zipi Hotovely eine Politikerin zur stellvertretenden Außenministerin ernannt, die Ende Oktober 2015 erklärte, sie träume davon, dass auf dem Jerusalemer Tempelberg, wo mit der Al-Aqsa-Moschee eines der wichtigsten muslimischen Heiligtümer steht, endlich die israelische Flagge wehe.

     

    Das ist genauso wie die irre Behauptung, Netanjahu hätte kurz bevor er im Oktober nach Berlin reiste, in einer Rede erklärt, der frühere Mufti von Jerusalem habe 1941 Adolf Hitler erst dazu veranlasst, die Juden zu vernichten. Alles bösartige Gerüchte und sicher antisemtisch.

     

    Bei den zahlreichen Filmen, wie unter https://www.youtube.com/watch?v=TrPaXsILSFQ oder https://www.youtube.com/watch?v=Yx9eMBTJUWQ geht es um die Schönheit der Natur, und den liebevollen Umgang mit den Palästinensern. Sie als Werbung für einen Tempel anzusehen, ist bestimmt eine Fehlinterpretation.

     

    Scheich Raed Salah hat sich sicher nur von der Hamas einreden lassen, dass es da ein jüdisches Tempelinstitut geben soll, zu dessen Mitgliedern Abgeordnete und Minister gehören, die offen für die Errichtung eines dritten jüdischen Tempels eintreten, und zwar dort, wo heute der muslimische Felsendom steht.

     

    Warum nur hat der der israelische Verteidigungsminister Moshe Ya'alon erst im September zwei Aksa-Moschee-Wächtern den Zutritt zum Tempelberg verboten? Das musste ja zu großen Missverständnisses führen – so wie die gesamte Besatzungspolitik und ihrer fortschreitende Besiedelung Palästinas.

  • Nunmehr ein entstehendes(!) Dauerproblem zu entdecken, wie dies mit diesem Titel dargelegt wird,

    als habe es das vom Einzelnen selbst erfahrene, ihm widerfahrende Problem der Gewalt bislang nicht gegeben. muss natürlich für den Betrachter des Nah-Ost-Geschehens allgemein, für die Palästinenser aber insbesondere, wie Hohn erscheinen.

    Zu der mit dem Titel hervorgerufenen merkwürdigen Sicht trägt bei, wenn zunächst von einer „Serie der Angriffe in Israel „ gesprochen wird, um dann selbst das Gegenteil mit der Aussage, „(die) meisten Angriffe ereignen sich im südlichen Westjordanland“ darzulegen.

    Auch bei den Opfern von Montag lässt sich nur eines ausmachen, das in Israel (genauer Westjerusalem) zu Tode kam und dies ist eines der des Angriffs mit Scheren bezichtigten Mädchen, eine Palästinenserin. Ob es wirklich nötig war, sie zu töten, erfährt man, um diese mal nebenbei zu bemerken, nicht.

    Auch nicht, dass diese Mädchen Schwestern eines im November 2013 verstorbenen, zuvor durch Schüsse in den Rücken und Nacken verletzten Palästinensers waren.

     

    „The two cousins were later named as Hadil and Nurhan Awad. Hadil Awad was the sister of Mahmoud Awad, who died in November 2013 at the age of 24. He had been shot in the back of his neck with a rubber bullet by an IDF soldier eight months earlier during a protest near the Qalandiya checkpoint.“ http://www.timesofisrael.com/police-foil-attempted-stabbing-in-central-jerusalem-market/

     

    Offenbar brauchten diese Mädchen – immerhin mit 14 und 16 Jahren halbe Kinder – nicht von Gerüchten aufgebracht werden.

     

    Und während es zu Beginn des Textes heißt, „bei Angriffen mit Messern gibt es in Israel weitere Tote“, wird dann jedoch eine Tankstelle im Westjordanland als Tatort herangezogen.

    Das allein ist schon nicht die Sorgfalt, die ich mir bei einer Berichterstattung aus Palästina, egal dabei aus welchem Teil, wünsche.

  • „neutralisieren“

     

    Ist mir auch schon aufgefallen, daß scheinbar nie der Täter überwältigt werden „kann“. Beispielsweise nach Schüssen in die Arme oder Beine, so wie die Polizeien das in jedem anderen Land tun würden... Ginge natürlich nicht immer, aber daß es anscheinend nie geht, entspricht einer ad-hoc Hinrichtung.

    • @FranKee 【Ƿ】:

      Es heißt ja auch im Text: "„Die Terroristen müssen wissen, dass ihre Chancen, lebend davonzukommen, minimal sind,..“

      man findet diese Forderung oft in der israelischen Presse, auch als Äußerungen von Politikern.

      Es ist von neuen Maßnahmen die Rede, zu denen die Deportation von Familienangehörigen in den Gazastreifen gehören soll …

      „Israel's Defense Establishment Mulls Deporting Terrorists' Families to Gaza“

      read more: http://www.haaretz.com/israel-news/.premium-1.688049

       

      In diesem Zusammenhang gehören jedoch auch die Darlegungen, Netanjahu habe von Kerry eine Anerkennung der bestehenden Siedlungen und einer fortgesetzten Bautätigkeit in ihnen verlangt, damit er in seinem Kabinett Gesten der Erleichterung und Besänftigung für die Palästinenser machen könne...

       

      Welchen Reim soll man sich auf diesem Hintergrund über die Geschehnisse der letzten Monate machen, die ja auch davon gekennzeichnet waren, dass der Iran als vorgeführte Dauerbedrohung nicht mehr so recht zur Verfügung steht und die Hamas im Gazastreifen, auch wenn sie immer mal wieder bombardiert wird, wenn andere ein Geschoss Richtung Israel losgehen lassen, in Ruhe verharrt.

    • @FranKee 【Ƿ】:

      Natürlich werden Täter auch überwältigt, wenn das möglich ist. Siehe zum Beispiel hier (http://www.taz.de/!5240873/):

      "In der Nacht zum Montag raste ein Palästinenser in der nördlichen Küstenstadt Chadera mit seinem Wagen in eine Menschengruppe an einer Bushaltestelle. Anschließend stieg er aus und verletzte mit einem Messer vier der Wartenden, unter ihnen eine 19-Jährige, schwer. Der Attentäter wurde festgenommen."

      Oder hier (http://www.taz.de/Konflikt-in-Israel/!5241080/):

      "Fast zur gleichen Zeit raste im jüdisch-orthodoxen Stadtviertel Geula ein Palästinenser mit seinem Wagen in eine Gruppe Menschen, die an einer Bushaltestelle wartete. Ein Israeli wurde getötet, ein weiterer schwer verletzt. Der Angreifer stieg aus und stach mit einem Messer auf seine Opfer ein. Er wurde am Ende mit Schüssen verletzt und festgenommen."

  • 1G
    1393 (Profil gelöscht)

    Wenn man dem Leser das Wesentliche nicht vorenthalten will, müsste obiger Satz so lauten:

     

    "Teil der israelischen Anti-Terror-Maßnahmen" ... gegen Terror ausübende Palästinenser, die nicht mehr die IGH bestätigten (http://www.icj-cij.org/docket/index.php?pr=71&code=mwp&p1=3&p2=4&p3=6&ca) seit über 40 Jahren ausgeübten israelischen Raub- und Menschenrechtsverbrechen zu ertragen bereit sind, ist die Völkerrecht brechende KOLLEKTIVBESTRAFUNG in Form von .... Zerstörung der Häuser, in denen die Attentäter ... UND IHRE FAMILIEN(!!!) ... leben."

     

    Aber es geht ja offenbar um erfundene und auf Fakten beruhende Gerüchte:

     

    "das Gerücht, Israel wolle den Status quo auf dem Tempelberg abschaffen"

     

    Nun, dass die Israelische Regierung, genauer Netanjahu, zwar abstreitet, die Al Aqsa ihren rechtmäßigen Eingentümern zu entreissen, mag ja stimmen. Doch nachdem man ständige Lügerei Nethanjahus kennt, die Palästinenser nicht berauben zu wollen, während man die israelische Raubgewalt an Palästinensern maximiert, wie z. B. hier http://www.spiegel.de/politik/ausland/israelische-siedlungen-baustopp-loeste-bauboom-aus-a-715244.html, sollte man eher nicht die Lügen der Völkerrecht brechenden Besatzer mit gedankenlosem nachplappern unterstützen.

     

    Tatsache ist, in der Israel.Regierung Raubwille offen genug ausgelebt wird http://imeu.org/article/israeli-government-support-for-the-extremist-temple-mount-movement , sodass die Befürchtung, israel würde Al Aqsa von seinem sonstig betriebenen Raub ausschließen, sicher mit "Gerücht" sehr falsch umschrieben ist.

     

    Wieviel von Palästina Israelische Regenten zu rauben beabsichtigen, dass hanben sie schon immer ausgesprochen, auch wenn unsere "Reporter" wahrnehmung verweigern: http://www.freitag.de/autoren/schlesinger/steinmeier-traeumt-von-zweistaaten-loesung

    Na, vielleicht dürfen sich die Leser mit diesem Kommentar BELEGTE FAKTEN erfahren, wenn schon nicht oben.

    • @1393 (Profil gelöscht):

      ich würde dies einfacher ausdrücken,

      es ist bedenklich, wenn man nicht erfährt, dass der an der Tankstelle im Westjordanland getötete Israeli ein Armeeangehöriger, ein Soldat der IDF war.

       

      „An Israeli soldier was killed and another was wounded in a stabbing attack at a West Bank gas station on Highway 443 on Monday.“

      read more: http://www.haaretz.com/israel-news/1.687831

       

      Es entsteht so fast der Eindruck, als würden hier Israelis in ihrem als harmlos anzusehenden Alltagsleben beeinträchtigt, in diesem Fall ein Tankgastkunde.

       

      Was der Tempelberg für die Motive des Attentäters für eine Rolle gehabt haben soll?

    • @1393 (Profil gelöscht):

      Sie haben Recht. Es ist natürlich viel besser die Familien der Attentäter_innen zu belohnen, so wie es die PA macht...Ansonsten würde Ihrem Beitrag etwas mehr Substanz gut tun (Nur wahllos verlinken reicht da nicht aus). Es bleibt eben ein Gerücht und Sie bringen legen keine Beweise für Gegenteiliges vor.

      Fairerweise sollten Sie, bei allem Gekeife, auch vorbringen, dass wohl nicht nur die gegenwärtige israelische Regierung wenig Interesse an einer Zweistaatenlösung hat, sondern dies auch bei Hamas und Fatah nicht sehr ausgeprägt ist.

      • 1G
        1393 (Profil gelöscht)
        @Kwintessence:

        @Kwit

         

        Wenn Sie sich sparen würden, dümmlich alberne Hetzlügen zu verbreiten, dass die Palästrinenser keine Zweistaatenlösung wollen würden. In der irrsinnig verdrehten Denke dieser Worte wären die Palästinenser weiter supergierig, fortwährend Israelischen Menschenrechtsverbrechen ausgeliefert zu sein und solchen rassistischen Unfug muss man sicher nicht ernst nehmen. Insbesondere nicht, wenn sich jemand püber Quellangebane beschwert. Aber das mit den Quellen tun nunmal diejenigen, die inhaltlich auch was beitragen können und hier nicht wie mancher andere nur hetzen wollen.

        • @1393 (Profil gelöscht):

          schon mal die Hamas-Charta gelesen? Oder muss ich Ihnen das verlinken? Beide Seiten mögen in diesem Konflikt zwar propagieren, dass sie sich für eine Zweistaatenlösung einsetzen, aber einen wirklichen Willen erkenne ich weder bei den politischen Vertreter_innen Israels noch bei denen der Palästinenser_innen. Sie verklären da, glaube ich, die PA und ihre politischen Interessen (Stichwort: Machterhalt). Mag ja sein, dass die israelische und palästinensische Bevölkerung den Frieden wollen, aber ihre Regierungen profiteren vom Status Quo (gerade die PA als korrupter Haufen könnte ja zur Rechenschaft gezogen werden, wenn auf einmal nicht mehr Israel für die Misswirtschaft verantwortlich gemacht werden kann. Dass die Rechte in Israel kein Interesse an einem dauerhaften Frieden hat, muss ich Ihnen wohl nicht erläutern...). Im übrigen verbiete ich mir Ihre Rassismusunterstellungen und was die Vorwürfe der Hetzens angeht, würde ich mir an Ihrer Stelle eher mal an die eigene Nase fassen. Könnte aber antisemitisch abfärben...

  • Besatzung wird zum Dauerproblem.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      aber welche Probleme treiben Kerry nun nach Netanjahu und Ramallah?