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Messerangriff in HamburgSieben Männer für Zivilcourage geehrt

Sieben Männer stellten sich dem Messerangreifer in Hamburg-Barmbek in den Weg. Nun erhielten sie einen Zivilcourage-Preis für ihr Eingreifen.

„In einem solchen Augenblick weiß man erst einmal gar nichts“: Die sieben „Helden von Barmbek“ werden ausgezeichnet Foto: dpa

Hamburg dpa | Für ihre Zivilcourage nach der Messerattacke in einem Hamburger Supermarkt haben sieben Männer am Mittwoch einen Preis erhalten. Die mit insgesamt 3.500 Euro dotierte Auszeichnung verliehen ihnen Polizeipräsident Ralf Meyer und der Vorsitzende des Polizeivereins Hamburg, Werner Jantosch. Der Ian-Karan-Preis sei einst „für Mut, für Entschlossenheit, für Unerschrockenheit, für Zivilcourage“ gestiftet worden, betonte Meyer.

Während der Messerattacke hatten die Männer in einer Bäckerei gesessen und dann den Täter mit Stühlen gestoppt. „Plötzlich haben wir einen Mann gesehen, mit einem langem Messer, blutverschmiert“, beschrieb einer der Männer, Jamel Chraiet, später die Situation. „Egal, wie cool man sonst ist, in einem solchen Augenblick weiß man erst einmal gar nichts.“ Ein anderer Mann beschrieb, wie sie den Angreifer mit Pflastersteinen bewarfen und ihm das Messer wegnahmen.

Lebensrettend und „unheimlich mutig“ sei es gewesen, was die Geehrten geleistet hätten, um den Angreifer zu stoppen. Der 26-jährige Täter hatte am vergangenen Freitag einen 50-Jährigen in einem Supermarkt getötet und mehrere Menschen mit einem Küchenmesser zum Teil schwer verletzt.

Als „Helden von Barmbek“ würdigten Meyer und Jantosch die Preisträger. Ihr Handeln habe dazu geführt, dass nicht mehrere Menschen gestorben sind, betonte Meyer. „Hier gibt es kein Wenn und hier gibt es kein Aber: Bei dieser Art des aggressiven Täters, der wie in Rage war, gab es nur diesen einen Weg ihn zu stoppen“, sagte der Polizeipräsident. Das sei gut und richtig gewesen und habe weiteres Leid vermieden. „Wir haben eben schon diskutiert darüber, wer sie denn sind“, berichtete Meyer über ein Gespräch mit den Männern vor der Verleihung. „Wir haben uns darauf verständigt, dass sie Barmbeker Männer und Jungs sind und als solche gehandelt haben.“

Polizeivereinsvorsitzender Jantosch zitierte unter anderem aus den Urkunden, die es „für beispielhaftes Engagement auf dem Gebiet der inneren Sicherheit“ gab. Ursprünglich waren sechs Auszuzeichnende angekündigt worden. Ein weiterer sei am Mittwoch nach einer weiteren Befragung dazu gekommen, hieß es. Preisstifter ist der Hamburger Unternehmer und Mäzen Ian Karan.

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10 Kommentare

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  • Um das nur noch mal klarzustellen: Zivilcourage ist laut Lexikon "der Mut, für seine Meinung auch Nachteile in Kauf zu nehmen". Da steht: "für seine MEINUNG", nicht" für seinen KÖRPERLICHEN EINSATZ". Es müssen auch keine körperlichen Nachteile sein, die der Zivielcouragierte erleidet. Es können auch Beschimpfungen sein oder eine gewisse Form der Einsamkeit. :-)

     

    Wie auch immer. Die Zivilcourage umfasst jedenfalls eindeutig nicht nur den Heldenmut von Männern, die sich ins Geschehen werfen, um andere unter Einsatz ihres Körpers zu beschützen. Es heißt schließlich: ZIVIL-Courage, nicht MILITÄR-Courage. Wer ausschließlich den gewaltsam-körperlichen Einsatz auf einem wie auch immer gearteten Schlachtfeld als couragiert begreift, der hat entweder den Sinn der Sache nicht erfasst, oder er hat ein Problem, das er vertuschen will.

     

    Kleine Denkhilfe: In den letzten Kriegsmonaten soll Hitler persönlich jede Menge Orden an Minderjährige "Kämpfer" verliehen haben. Für besonderen Mut, nicht für besondere Dummheit. Wieso wohl?

  • Auf dem Foto sehen wir die Helden. Da gibt es sowohl Deutsche Bürger als auch Menschen mit Migrationhintergrund. Also die Vielfalt macht Deutschland einzigartig (Fazit).

     

    Es gibt aber noch etwas, was der Gesellschaft noch nicht ganz klar ist.

     

    Punkt 1. Die TAZ hat bei einer eigenen Recherche schon feststellen können, dass es einige großen Zeitungen gibt, die zu viel „nach Rechts“ schreiben. Mindestens eine davon schreibt negative und neutrale Nachrichten über Migranten so aufpuschend, dass es schon rassistisch klinkt und Leser dazu einlädt, von Migranten sich zu distanzieren. Positive Nachrichten, die Migranten als eine Bereicherung für Deutschland zeigen, sind da kaum zu finden. So ist es natürlich schwer, die eigene Meinung zu bilden, dass auf wahren Tatsachen basiert.

     

    Punkt 2. Die TAZ hat bei einer Analyse feststellen können, dass sehr viele psychisch Kranken Menschen durch die Polizei getötet wurden und dass das nicht erforderlich war. Noch haben die Helden von Hamburg (auf dem Foto) gezeigt, dass ein Angreifer mit Messer unschädlich gemacht werden kann, ohne ihn zu töten bzw. zu erschießen. Dabei war das ein Schwerverbrecher. Psychisch Kranke Menschen aber sind keine Schwerverbrecher und werden von Fachkündigen oft mit Kindern verglichen. Die zu entwaffnen, ohne Eigenverluste, ist es noch einfacher.

    • @Stefan Mustermann:

      Ich will ja nicht despektierlich wirken, aber ich wüsste doch gern auf Basis welcher Qualifikation Sie darüber entscheiden, was einen psychisch Kranken von einem Schwerverbrecher unterscheidet bzw. öffentlich festzustellen, dass es keine Überschneidungen geben kann zwischen beiden Gruppen?

  • Gute Aktion.

     

    Nicht abzuschätzen wenn der Typ noch weiter "gemetztelt" hätte.

  • Ich finde das gut, aber ist das nicht ein gutes Stück Ablenkung davon, dass die Sicherheitsbehörden es nicht schaffen, solche Menschen wie Ahmad rauszufischen und uns vor dem beschützen? Und hatte nicht ein Freund von Ahmad ihn sogar anschwärzen müssen? Also ich habe noch viele Fragen und freue mich über solche Mitmenschen, aber die sind nicht immer und überall ... oder?

    • @Andreas_2020:

      Ich finde das gar nicht gut. Wenn das nämlich (wegen des Applauses) erst einmal Schule macht - und welcher kleine Mann wäre nicht gern ein strahlender Held, der mit Bild in die Zeitung kommt -, wird demnächst jede zweite rechte Bürgerwehr mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

       

      Das würde mir überhaupt nicht gefallen. Die neuen Nazis haben sowieso schon Oberwasser wegen der unüberlegten Statements unseres ebenso frei wie rechts drehenden Innenmaizières. Wie Vater Staat sie wieder einfangen will, wenn er ihr Treiben erst mal höchst selbst legitimiert hat, ist mir ein Rätsel.

       

      Aber hey, diese deutsche Regierung wäre nicht die erste, die eigenhändig den dünnen Ast absägt, auf dem sie selber hockt. Und zwar bloß deswegen, weil sie zu dumm, zu faul oder zu feige ist, die vielen schweren Aufgaben, die sie sich stellvertretend an Land gezogen hat mit Rücksicht auf ein nie ganz zu befriedigendes Ego und die erkennbar etliche Nummern zu groß für sie sind, auch zu bewältigen.

      • 6G
        61321 (Profil gelöscht)
        @mowgli:

        Es ist ziemlich übel zu insinuieren, die Männern hätten bei ihrem Eingreifen gar womöglich an ihr späteres Konterfrei in der Zeitung gedacht.

        Ich hoffe jedenfalls, solche beherzten Jungs in meiner Nähe zu haben, sollten mir mal Aggressoren ans Fell wollen.

        • @61321 (Profil gelöscht):

          Ich "insinuiere[]" nicht. Ich fürchte, Sie haben ihre innere Stimme gehört beim lesen meiner Zeilen, nicht meine Aussage. Überprüfen Sie das bitte noch einmal selbstkritisch bzw. selbst und kritisch.

           

          Übrigens: Wenn sie dabei herausfinden, dass es in Ihrem Inneren "übel" zugeht, sollten Sie vielleicht mal einen Profi aufsuchen. Sie bewegen sich schließlich im öffentlichen Raum mit Ihren Äußerungen, sobald Sie hier kommentieren. Da wollen Sie sich doch wohl nicht blamieren, oder? ;-)

      • @mowgli:

        was für eine verquere Denke - natürlich ist es gut die Leute zu würdigen.

         

        Zivil Courage ist wichtiger als "Angst vor rechten Bürgerwehren" - auch da benötigt man Zivil Courage - Missständen entgegen zu treten.

        • @Justin Teim:

          Glücklich das Land, das keine Helden braucht. Glücklich der Mann, der kein Held werden muss.

           

          Der Herr Polizeipräsident macht es sich sehr. Ich fürchte, jemand muss ihm mal den tieferen Sinn gewisser Rechtsstaats-Prinzipien erklären. Das Gewaltmonopol ist nicht – wie man heute gerne sagt – „nice-to-have“. Es ist ein unverzichtbarer Demokratie-Baustein, auf den ich mich verlassen können will. Auch und gerade als Frau.

           

          Vielleicht hat ja Herr Meyer den Absatz 2 des Artikels 20 unseres Grundgesetzes missverstanden, in dem geschrieben steht, dass „alle Staatsgewalt […] vom Volke aus[geht]“. Er hat wohl auch nicht mitbekommen, dass da von „Wahlen und Abstimmungen“ die Rede ist und nicht von Möbeln, die zu Knüppeln werden. Außerdem scheint Meyer in diesem speziellen Fall drüber hinwegsehen zu wollen, dass das GG nicht die „Barmbeker Männer und Jungs“ meint, wenn es „besondere Organe […] der vollziehenden Gewalt“ erwähnt, sonder seine Jungs in Blau.

           

          Will sagen: Der Mann will offenkundig davon ablenken, dass er und seine Untergebenen unmöglich ganz allein gewaltsam für Sicherheit sorgen können. Kein Staat dieser Erde kann jederzeit hinter jeden Bürger ohne einen Bürger mit Uniformierten stellen, hinter dem dann vorsichtshalber wiederum ein Uniformierter steht, der seinerseits von einem Uniformierten bewacht wird und so weiter...

           

          Auch und gerade in Polizeistaaten passieren Morde. Gewalt war nie eine Lösung für Gewaltprobleme. Sie ist keine und wird auch nie eine sein. Richtig ist, dass a) Polizisten nötig sind und b) auch die Zivilgesellschaft gefordert ist. Aber nicht erst, wenn es zu spät ist und auch nicht in Gestalt selbsternannter Hilfssherifs, sondern präventiv. So weit aber geht die „Zivilcourage“ leider häufig nicht. Vor allem nicht unter Männern, die oft alten Klischees von Männlichkeit anhängen.

           

          Wie auch immer. Ich behalte lieber meine angeblich „verquere Denke“ als eine, die noch aus dem alten Testament stammt. Angst? Hab ich nicht. Sie offensichtlich schon.