Unter Beobachtung: Mehr Personal gegen Salafisten

Hamburg verstärkt Polizei und Verfassungsschutz im Kampf gegen Salafisten, obwohl alle Gefährder verhaftet wurden oder außer Landes sind.

Polizisten vor Morschee

Beamte durchsuchen im November 2016 Räume der Al-Taqwa-Moschee in Hamburg-Harburg. Foto: Christian Charisius/dpa

HAMBURG taz | Die Aussage klingt nach Entwarnung. „Wir sind das einzige Bundesland, wo kein Gefährder auf der Straße frei herumläuft“, frohlockte Hamburgs Innensenator Andy Grote am Montag im Hamburg Journal. Hamburg sei in der „günstigen Situation“, dass alle 15 Gefährder, die dem Landeskriminalamt (LKA) und dem Verfassungsschutz bekannt seien, „ausgereist seien, abgeschoben wurden oder sich in Haft befänden“.

Doch statt sich angesichts dieser guten Nachricht zurückzulehnen, wird der Hamburger Senat sein personelles Engagement gegenüber gewaltbereiten Islamisten massiv verstärken. Elf zusätzliche Stellen für das LKA und gar 20 Mitarbeiter mehr für den Verfassungsschutz bis Mitte kommenden Jahres sind beschlossene Sache. Denn „unterhalb der Schwelle der Gefährder“ gebe es, so Grote, „einen großen Personenkreis, den wir genauer im Blick haben wollen“.

So geht die Innenbehörde aufgrund interner Lageberichte von derzeit rund 1.400 Islamisten aus, die in Hamburg leben – 400 mehr als noch Ende 2015. Etwa 730 von ihnen seien Salafisten, 260 mehr als vor eineinhalb Jahren. Von ihnen seien etwa 365 bis 400 bereit, den militanten Dschihad zu unterstützen. Grote spricht von einer „deutlich wachsenden islamistischen Szene in Hamburg“.

ExpertInnen gesucht

Der Islamismus geht von einer göttlichen Ordnung aus, der sich Gesellschaft und Staat unterzuordnen haben. Dieses Islamverständnis steht im Widerspruch zum Grundgesetz. Verletzt werden die Grundsätze der Trennung von Staat und Religion, der Geschlechtergleichstellung sowie der religiösen und sexuellen Selbstbestimmung.

Der Salafismus ist eine ultrakonservative Strömung innerhalb des Islams, die eine geistige Rückbesinnung auf die „Altvorderen“ anstrebt. Der Ausdruck bezeichnet auch bestimmte Lehren des sunnitischen Islams.

Der Dschihadismus ist eine militant-extremistische Strömung des sunnitischen Islamismus in seiner salafistischen Ausprägung. Seine Anhänger nehmen einen Einflussverlust des Islams wahr und leiten daraus den Anspruch ab, einen Wiederaufstieg des Urislams zu erreichen.

Gefährder sind im Sprachgebrauch der Sicherheitsbehörden Personen, bei denen zwar kein konkreter Hinweis vorliegt, dass sie eine Straftat planen, bei denen aber „bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen könnten“.

Dabei sucht die Innenbehörde für das LKA vor allem Islamwissenschaftler und Kriminalpsychologen, um sich, wie Grote sagt, „mit mehr Expertise ein genaues Bild über Gefahrenpotenziale“ machen zu können. Ein Auslöser für diese Aufstockung ist die sogenannte „Messerattacke von Barmbek“, bei der der 26-jährige Ahmad A. am 28. 7. in einem Supermarkt einen Mann erstach.

Bei dem Täter hätte es, so der derzeitige Ermittlungsstand, eine fatale Mischung von „psychischer Instabilität und Radikalisierungshintergrund gegeben“, betonte Grote. Er war den Ermittlungsbehörden bekannt, war jedoch nicht als Gefährder eingeschätzt worden – ein schwerwiegender Irrtum.

Aufgrund „der weiterhin hohen Gefahr islamistischer Anschläge in Europa“ will Grote beim Verfassungsschutz vor allem auch „im Bereich der Observation und Aufarbeitung von Hinweisen“, die bei den Sicherheitsbehörden eingehen, personell aufrüsten und die bereits radikalisierten Islamisten genauer beobachten lassen, „die noch nicht Gefährder sind“.

Bundesweit wurden durch die Länder Ende 2016 447 Personen als islamistische Gefährder eingestuft. Ihnen wird die Umsetzung einer erheblichen Straftat zugetraut. Bremen und Oldenburg gelten dabei als Hochburg des gewaltbereiten Islamismus im Norden.

Aufstockung läuft schon seit Jahren

Mit der Personalverstärkung steigt die Zahl der MitarbeiterInnen des Hamburger Verfassungsschutzes von derzeit 180 auf über 200. Es ist nicht die erste Stellenaufstockung. Seit 2014 hat der Verfassungsschutz, der damals über 153 Planstellen verfügte, schrittweise 26 neue Vollzeitstellen von Senat und Bürgerschaft bewilligt bekommen, die meisten von ihnen für die Observation der salafistischen Szene.

Neben den extremistischen Salafisten sind weitere islamistische Bestrebungen in Hamburg aktiv – und werden vom Verfassungsschutz genau unter die Lupe genommen.

So steht die an der Außenalster gelegene, als Blaue Moschee bekannte, schiitische Imam-Ali-Moschee weiterhin im Fokus der Verfassungsschützer. Trägerverein dieses Brückenkopfes des iranischen Regimes nach Deutschland und Europa ist das Islamische Zentrum Hamburg.

Die AfD, die Hamburg „für ein Zentrum für Islamisten“ hält, nutzte am Dienstag die Personaloffensive des Senats für die Forderung, die Beratungstätigkeit des „Aussteigertelefons“ für Rechtsextremisten auch „auf Linksextremisten und Islamisten auszuweiten“.

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