Messerangriff durch Burschenschaftler: Schweigen über rechte Gewalt
Mitte Februar stach in Bingen ein Burschenschaftler auf einen anderen ein. Das Opfer hatte sich zuvor über Nazi-Musik beschwert.
![Polizeiwappen aus Rheinland Pfalz Polizeiwappen aus Rheinland Pfalz](https://taz.de/picture/6220016/14/REchtsextreme-Gewalt-Polizeisttistik-1.jpeg)
Der Frankfurter Rundschau fiel in der Statistik der Bundesregierung zu rechtsextremen Straf- und Gewalttaten der Vermerk einer versuchten Tötung auf. Die Nachfragen der Zeitung ergaben, dass Polizei und Staatsanwaltschaft in Mainz ermitteln.
An dem Tag war der Täter zu Besuch bei der Studentenverbindung. Der 23-Jährige Burschenschafter aus Hessen soll demnach rechtsextreme Musik abgespielt haben. Ein Mitglied der Verbindung des Hauses gefiel die Musik nicht. Eine verbale Auseinandersetzung folgte. „Im weiteren Verlauf des Geschehens soll der Beschuldigte den Geschädigten mit einem Messer angriffen und ihm Stichverletzungen im Bereich des Oberkörpers zugefügt haben“, berichtete ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der taz. Der 20-Jährige wurde lebensgefährlich verletzt.
Weitere Informationen dürfe er wegen der laufenden Ermittlungen nicht geben, so der Sprecher. Dass die Staatsanwaltschaft keine Pressemitteilung veröffentlichte, erklärt der Sprecher damit, dass sich „die Tat zum einen in einem privaten Rahmen ereignete und zum Tatzeitpunkt keine Öffentlichkeitswirkung eingetreten war“ und „zum anderen musste Berücksichtigung finden, dass bei der Tat keine gravierenden Rechtsgutsverletzungen eingetreten sind, kein dringender Tatverdacht für ein versuchtes Tötungsdelikt bestand“.
Das Nichtöffentlichmachen von möglichen rechtsextremen Straf- und Gewalttaten durch Behörden ist allerdings keine Ausnahme. Nicht selten bleiben auch mögliche Tathintergründe bei einer Pressemitteilung unerwähnt.
„In diesem Bundesland besteht eine Kontinuität, rechtsextreme Straf- und Gewalttaten herunterzuspielen“, sagt Heike Kleffner der taz. Die Geschäftsführerin des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) erinnert an die Tötung des Obdachlosen Frank Bönisch 1992 in Koblenz durch einen Rechtsextremen. Bis heute führt die Bundesregierung Bönisch nicht als Opfer rechter Gewalt.
Kleffner weißt außerdem auf den Brand eines von geflüchteten Familien bewohnten Haus am 25. Januar in Berlin. Im Februar war eine 43-jährige Syrerin an den Folgen der Verletzungen gestorben. Sie hinterlässt ihren Mann und sechs Kinder. Ein rassistisches Motiv bei dem Brand im Stadtteil Pankow sahen die Ermittelnden anfänglich nicht.
Der VBGR warnt regelmäßig vor unkritischer Übernahme von Polizeimitteilungen in den Medien. Ihr Ausbleiben deutet Kleffner auch als Versuch, „das alltägliche Ausmaß rechter und rassistischer Gewalt“ zu verschleiern. Für die VBRG-Geschäftsführerin „ein Rückfall in die Verschleierungs- und Verharmlosungspolitik“ vor der Zeit der Selbstenttarnung der rechtsextremen Terrororganisation „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). Auf Bundesebene fragt die Abgeordnete der Linken, Petra Pau, diese Taten regelmäßig ab.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss