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Mercosur-Handelsvertrag der EUDes Bauern Leid ist der Industrie Freud

Das EU-Mercosur-Handelsabkommen bekommt gemischte Reaktionen: Deutsche Landwirte sind empört, hiesige Autokonzerne loben den Vertrag.

Deutsche wie auch französische Bauern befürchten Wettbewerbsnachteile Foto: Foto: Jean-Christophe Verhaegen/imago

Berlin/Brüssel taz/rtr/afp | Die Einigung der EU mit vier Staaten der südamerikanischen Mercosur-Gruppe auf ein Handelsabkommen ist auf ein geteiltes Echo gestoßen. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sprach von einem „echten Meilenstein“ für viele Unternehmen. „Gerade in Zeiten großer globaler Unsicherheit schafft das Abkommen für unsere stark exportorientierten Unternehmen endlich die dringend benötigte Planungssicherheit“, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier.

Die Zollerleichterungen seien ein Befreiungsschlag. „Die EU sollte diesen Schwung jetzt nutzen, um auch bei den Verhandlungen über Freihandelsabkommen mit Indien und Indonesien auf die Zielgerade zu kommen.“ Laut DIHK exportieren 12.500 deutsche Firmen in die Mercosur-Staaten.

Dem Großhandelsverband BGA zufolge kann es neue Absatzchancen für europäische Unternehmen besonders aus dem Auto- und Maschinenbau, der Chemie- und Pharmaindustrie sowie der Ernährungsbranche geben. Auch erneuerbare Energien und Umwelttechnik, der Konsumgüterbereich sowie der Finanz- und Dienstleistungssektor dürften profitieren.

Hinzu komme, dass die EU sich bei der Beschaffung von Seltenen Erden unabhängiger von China machen könne. Die beteiligten Mercosur-Staaten – Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay – dürften Experten zufolge im Gegenzug vor allem mehr Fleisch und Getreide nach Europa liefern.

Umweltschutzverbände wie Greenpeace sprechen von einem Giftabkommen

Es soll eine Handelszone mit mehr als 700 Millionen Menschen entstehen

Deutsche und europäische Landwirte reagierten enttäuscht. „Dieses Abkommen geht einseitig zu Lasten der europäischen Bauern und schwächt unsere Betriebe massiv im Wettbewerb“, erklärte der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied. Die Schutzmechanismen für Landwirtschaft und Lebensmittel nannte er „völlig unzureichend“. Der europäische Dachverband der Landwirte (Copa-Cogeca) kündigte für Montag neue Bauernproteste in Brüssel an. Mit dem Abkommen drohten weitere Einkommensverluste und Hofschließungen, erklärte der Dachverband.

Umweltschutzverbände wie Greenpeace sprechen von einem „Giftabkommen“, das den Weg für mehr Pestizide in Südamerika ebnet, die teils in der EU aus gesundheitlichen Gründen verboten sind. Zudem fürchten sie ein weiteres Abholzen des Regenwaldes in Südamerika, etwa für den Anbau von gentechnisch verändertem Soja und die Produktion von Rindfleisch.

Die EU-Kommission und vier südamerikanische Staaten der Mercosur-Gruppe hatten sich am Freitag in Montevideo auf das Handelsabkommen verständigt. Durch den Vertrag soll eine der größten Handelszonen der Welt mit mehr als 700 Millionen Menschen entstehen. Sie würde fast 20 Prozent der Weltwirtschaft und mehr als 31 Prozent der globalen Warenexporte abdecken.

China ist in Südamerika aktiver denn je

Die Verhandlungen und ihre Ergebnisse wurden bis zuletzt geheim gehalten. Daher ist unklar, ob noch zusätzliche Klimaschutz- und Nachhaltigkeits-Klauseln vereinbart wurden, wie dies vor allem auf EU-Seite gefordert wurde. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hatte wiederholt öffentlich vor dem Deal gewarnt. Die Regierung in Paris fürchtet Nachteile für ihre Landwirte und für die Verbraucher. Auch Polen und Italien haben Vorbehalte angemeldet.

Für den Deal haben sich vor allem Deutschland und Spanien ausgesprochen. Deutschland hofft auf größere Absatzchancen für die Autoindustrie, Spanien auf noch engere Beziehungen zu Lateinamerika. Die EU sieht sich vor allem von den USA und China heraus-gefordert. China ist in Südamerika aktiver denn je und könnte den Europäern lukrative Märkte wegschnappen. Der künftige US-Präsident Donald Trump hat der EU mit Strafzöllen gedroht. Zudem will er den Handelskrieg mit China ausweiten, was auch den deutschen und europäischen Handel treffen dürfte.

Allerdings ist unklar, ob die EU das Abkommen auch umsetzen wird. 2019 gab es schon einmal eine vorläufige Vereinbarung, die dann jedoch nicht ratifiziert wurde. Auch diesmal zeichnen sich Probleme ab; sie könnten sogar zu einer deutsch-französischen Krise führen. Macron versucht, im Ministerrat eine Sperrminorität zu organisieren, um das Abkommen in letzter Minute doch noch zu stoppen.

Kanzler Olaf Scholz plant jedoch bereits eine Parade. Man werde sich einem sogenannten „EU-only“-Abkommen nicht verschließen, wenn sich abzeichne, dass ein Abschluss anders nicht möglich sei, sagte eine Regierungssprecherin in Berlin. Bei einem „Nur EU“-Abkommen ist nur eine Ratifizierung in Brüssel, nicht aber durch die 27 Mitgliedstaaten nötig. Dafür müsste das Abkommen aber abgespeckt werden, sodass nur der Handelsteil übrig bleibt.

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat sich zuletzt offen für einen Kompromiss gezeigt. „Hauptsache, dieses Abkommen steht“, sagte eine Sprecherin seines Ministeriums.

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1 Kommentar

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  • Da der dürftige Selbstversorgungsgrad der EU mit Agrargütern aufgrund der politischen Rahmenbedingungen noch weiter absinken wird, ist man gut beraten sich in der Welt umzuschauen, wer liefern kann und will. Da sollte man bei den Standards nicht so kleinlich sein.



    Die Aussage des besten Wirtschaftsministers aller Zeiten "Hauptsache es steht" klingt ja schon fast verzweifelt.



    Die Südamerikaner werden ihre Industriegüter preisbewusst einkaufen. Ob da die gesenkten Zölle reichen werden bei der aktuellen Lage der Industrie, da habe ich meine Zweifel.