Menschenrechtsverletzungen in Vietnam: Deutsche Kritik an hartem Urteil
Die Verlängerung der Haftstrafe des Landrechtsaktivisten Trinh Ba Phuong löst Kritik des deutschen Menschenrechtsbeauftragen Lars Castelucci aus.

Castellucci fordert Hanoi auf, den „internationalen Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte nachzukommen und das Urteil gegen Phuong zu überprüfen.“ Er schließt sich damit Forderungen von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch an.
Der 40-jährige Phuong kämpft gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder für Landrechte, seit der Familie 2008 ihr Landnutzungrecht entzogen wurde. In Vietnam gibt es keinen privaten Landbesitz, vielmehr verpachtet der Staat langjährige Nutzungsrechte. Diese können aber gegen eine geringe Entschädigung für Investitionsprojekte der Regierung oder privater Firmen, die mit der Regierung eng verbunden sind, entzogen werden, was immer wieder zu massiven Konflikten führt.
Phuongs Familie nahm an Protesten teil und nutzte dabei soziale Medien, um öffentlich den Entzug ihrer Landnutzungsrechte zu kritisieren und Bauern zu unterstützen, die auch ihr Land verloren hatten. Die Familie streamt 2021 eine gewaltsame Landnahme durch die Polizei live im Internet, was in Vietnam viel Aufsehen erregte.
Vorwurf „staatsfeindlicher Propaganda“
Familienangehörige waren seit 2014 immer wieder in Haft, die Mutter zwei Jahre lang, die Brüder kurzfristig. Sie standen ein Jahr unter Hausarrest. 2021 wurden Phuong, seine Mutter und sein Bruder wegen „staatsfeindlicher Propaganda“ zu Gefängnisstrafen verurteilt. Er selbst wurde für zehn Jahren Haft und anschließendem Hausarrest verurteilt, Mutter und Bruder zu acht Jahren Haft.
Im November 2024 trat der gefangene Phuong in einen Hungerstreik, nachdem Wärter seine Bücher, Papiere und Stifte beschlagnahmt hatten. Er hatte bereits 2023 gegen seine Behandlung protestiert. Darauf wurde er zehn Tage lang gefesselt in Einzelhaft gehalten. Auch in Freiheit lebende Familienmitglieder werden nach eigenen Angaben von Behörden schikaniert und überwacht. Die aktuelle Verurteilung Phuongs im zentralvietnamesischen Danang erfolgte wegen derselben „Straftat“.
Das vietnamesischsprachige Facebook-Posting mit der Kritik des deutschen Menschenrechtsbeauftragten auf der Botschaftsseite in Hanoi wurde inzwischen 83 Mal geteilt und 2.690 Mal kommentiert. Die meisten Kommentare kritisieren die Äußerung des Menschenrechtsbeauftragen allerdings als Einmischung in Vietnams innere Angelegenheiten und in das vietnamesische Recht.
Diese Kritik allerdings nur der nach offiziellen vietnamesischen Angaben 10.000 Mann starken „Internetarmee“ zuzuschreiben greift zu kurz. Der Nationalstolz ist in Vietnam weit verbreitet. Auch wird die deutsche Politik im Hinblick auf Israels Krieg in Gaza immer wieder als Beispiel angefügt, dass die Bundesregierung zu anderen Menschenrechtsverletzungen schweigen würde. Eine offizielle Reaktion auf Castelluccis Kritik gab es bisher nicht.
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