Menschenrechtsaktivist Ildar Dadin tot: Mann mit Prinzipien
Der russische Menschenrechtsaktivist Ildar Dadin hat in der Ukraine an der Seite Kyjiws gekämpft. Jetzt wurde er im Gebiet Charkiw getötet.
Dies berichtet der russische Oppositionelle Ilja Ponomarew, ehemaliger Abgeordneter der russischen Staatsduma, der seit 2014 in der Ukraine lebt, gegenüber ukrainischen Medien. Die genauen Umstände des Todes von Dadin, der auf ukrainischer Seite gegen die russischen Truppen gekämpft hatte, sind bislang nicht bekannt.
In jungen Jahren war Dadin nach eigenen Angaben lange Zeit ein unpolitischer Bürger gewesen. Politisiert wurde der junge Mann, der bis 2010 als Wachmann in der russischen Stadt Schlesnodoroschni im Großraum Moskau gearbeitet hatte, durch die russischen Wahlen, genauer gesagt durch das, was die russischen Machthaber als solche bezeichnen.
Aufgebracht durch die massiven Wahlfälschungen Ende 2011 hatte er sich entschieden, selbst Wahlbeobachter zu werden. Bei den russischen Präsidentschaftswahlen von 2012 war er Mitglied des Wahlkampfteams des Kandidaten und Oligarchen Michail Prochorow. Dadins häufige Protestaktionen, die er meist alleine in Form von Mahnwachen abhielt, waren den Machthabern zunehmend ein Dorn im Auge.
Drei Jahre Haft
Schließlich wurde gegen ihn ein Verfahren nach Artikel 212.1 des Strafgesetzbuchs der Russischen Föderation eingeleitet. Dieses erst im Juli 2014 verabschiedete Gesetz sieht Gefängnisstrafen für wiederholte Verstöße gegen die Regeln für Straßenaktionen vor. Dadin war der erste, der auf der Grundlage dieses Gesetzes zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Im Dezember 2015 verurteilte ein Moskauer Gericht Dadin zu drei Jahren Haft.
Im September 2016 ging einer seiner Briefe an seine Frau durch die Weltpresse. In diesem Schreiben hatte er von Folter in einer Strafkolonie in Karelien berichtet. So sei er von einem Dutzend Personen gleichzeitig geschlagen worden. Dabei habe man seinen Kopf in eine Toilette gedrückt, ihn mit Handschellen gefesselt aufgehängt und ihm mit Vergewaltigung gedroht.
Ein Wendepunkt in seinem Leben war der Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Im März 2022 reiste er über Polen in die Ukraine und schloss sich dort der ukrainischen Armee an. Dort gab er sich aus Respekt für Mahatma Gandhi den Kampfnamen „Gandhi“.
Dennoch blieb er ein Anhänger des militärischen Kampfes. In einem Interview mit dem oppositionellen russischen Medium Mediazona sagte er, er sei „eigentlich gegen Gewalt“, sehe aber im Moment keinen Sinn in einem gewaltlosen Widerstand gegen das Putin-Regime.
Letzte Botschaft
„Ich muss mich den Verbrechen Russlands entgegenstellen“, sagte Dadin in dem Interview. „Dazu gehören Mord, Folter, Vergewaltigung und Raub. Die extremste Art, einen Mörder zu stoppen, ist, den Mörder zu töten. Wenn ich die Massenmorde nicht stoppe, werde ich zu ihrem Komplizen.“
In der Nowaja Gazeta Europe findet sich die letzte Botschaft, die Dadin der Redaktion übermittelt hatte: „Das Wichtigste ist, dass ich ein Mensch war und immer noch bin, dass ich nach meinem Gewissen gehandelt habe und handle. Alles andere ist zweitrangig.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um Neuwahlen
Inhaltsleeres Termingerangel
Ausschreitungen in Amsterdam
Ein hitziges Nachspiel
Linkspartei nominiert Spitzenduo
Hauptsache vor der „asozialen FDP“
Obergrenze für Imbissbuden
Kein Döner ist illegal
Lehren aus den US-Wahlen
Wo bleibt das linke Gerechtigkeitsversprechen?
Überwachtes Einkaufen in Hamburg
Abgescannt