Menschenrechte in der Palmöl-Produktion: Margarine mit Beigeschmack
Ein neuer Bericht zeigt: Die Palmöl-Produktion gefährdet Menschen in Mittelamerika. Aldi hat einen Lieferanten bereits gesperrt.
Darin untermauert die Organisation ihre Argumentation, dass bei der Herstellung des Öls in dem mittelamerikanischen Land unter anderem die Gesundheit von Beschäftigten und AnwohnerInnen gefährdet werde. Und „mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit finde“ der problematische Rohstoff „seinen Weg in die Regale und Kühlschränke“ deutscher Supermärkte. Er sei zum Beispiel in Margarine enthalten. Als potenzielle Verkäufer nennt CIR unter anderem Aldi, Edeka, Lidl und Rewe.
Die aus den Früchten der Ölpalme gewonnene Flüssigkeit ist das meistgenutzte Speiseöl der Welt. Seine Herstellung ist in der Regel billiger als die von Ölen und Fetten aus Soja, Raps, Sonnenblumen oder Oliven. Der große Teil der Produktion findet in Indonesien und Malaysia statt. Aus Guatemala wird jedoch viel nach Deutschland geliefert. Der Anbau gilt als ökologisch und sozial problematisch, weil Plantagen Urwälder und die Landwirtschaft örtlicher Bevölkerungen verdrängen.
In Guatemala hat CIR zwei Unternehmen identifiziert, die die Menschenrechte von AnwohnerInnen und Beschäftigten verletzen könnten. Der Firma Natur Aceites werfen die KritikerInnen unter anderem die Vertreibung von Bauern der Bevölkerungsgruppe der Maya vor. Das Unternehmen Industria Chiquibul soll zum Beispiel Abwasser in einen Fluss geleitet haben, wodurch AnwohnerInnen erkrankten. Um solche Vorkommnisse geht es im Bericht von Arbeitsrechtlerin Heinlein.
Deutsche Marken betroffen
Die KritikerInnen haben Margarinen-Marken in deutschen Supermärkten ausgemacht, in denen wahrscheinlich das fragliche Palmöl steckt. Betroffen sollen demnach die Margarinen von „Gut& Günstig“ bei Edeka sein, das Pflanzenfett „Vita D’Or“ bei Lidl oder auch die Margarinen „Rama“ und „Lätta“ in diversen Supermärkten. Außerdem äußert CIR Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zertifikats RSPO (Roundtable Sustainable Palm Oil) für „nachhaltiges“ Palmöl, mit dem einige Plantagen und Mühlen von Natur Aceites ausgezeichnet seien.
Um derartige Probleme aufzudecken und auszuräumen, ist eigentlich seit gut einem Jahr das deutsche Lieferkettengesetz in Kraft. Große Unternehmen müssen eventuellen Risiken bei ihren Lieferanten nachgehen und versuchen, Verstöße gegen Menschenrechte wie Landbesitz und sauberes Wasser abzustellen.
Vor der Veröffentlichung ihres Berichtes hat CIR hiesige Händler kontaktiert. Anfragen der taz haben Aldi Nord, Aldi Süd, Edeka, Rewe und Lidl beantwortet. Alle Unternehmen betonten, die Vorwürfe ernst zu nehmen und eventuelle Konsequenzen zu prüfen. Rewe erklärte, beide Firmen aus Guatemala seien „mittelbare Zulieferer“. Aldi Nord und Süd haben Industria Chiquibul nach eigenen Angaben bereits gesperrt. Im Falle von NaturAceites recherchiere man.
Die Palmöl-Untersuchung von CIR zeigt, dass der hiesige Einzelhandel noch nicht genau weiß, woher seine Produkte letztlich stammen. Für die KritikerInnen sind die Firmengeflechte und Lieferwege von außen ohnehin schwer zu durchschauen. Denn der Weg des Öls verläuft von den Plantagen durch Dutzende oder hunderte Firmen in vielen Ländern, die es verarbeiten, mischen, kaufen, verkaufen, transportieren und verpacken.
Aufgrund des deutschen Lieferkettengesetzes sind die Händler seit einem Jahr jedoch gefordert, Transparenz herzustellen. „Wir wollen den Unternehmen Zeit geben, um zu reagieren,“ sagte Dominik Groß von CIR. Seien die Ergebnisse der Überprüfungen nicht zufriedenstellend, behalte man sich eine formelle Beschwerde beim Bundesamt für Wirtschaft vor, das die Umsetzung des Gesetzes durch die Unternehmen kontrolliert.
Ein europäisches Lieferkettengesetz, welches Unternehmen in der EU dazu zwingt, sich um Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Zulieferbetrieben zu kümmern, scheitert derzeit am Widerstand der FDP. Die belgische Ratspräsidentschaft verschob die Abstimmung der eigentlich ausverhandelten Richtlinie auf unbestimmte Zeit, nachdem Deutschland aufgrund der koalitionsinternen Querelen Enthaltung signalisiert hatte und andere Länder daraufhin dagegen gestimmt hätten.
SPD für EU-Lieferkettengesetz
Nun wirbt die SPD dafür, dass Deutschland doch noch zustimmt. „Enthaltung ist keine Haltung“, heißt es in einem Beschluss des Parteivorstands vom Montag. „Eine Enthaltung zur Richtlinie wäre für Unternehmen in Deutschland ein Wettbewerbsnachteil und ist für uns nicht hinnehmbar.“
Man stehe für eine Europapolitik der Verlässlichkeit und werbe nicht auf eigene Faust für Positionen, die nicht abgestimmt seien, kritisiert die SPD im Antrag. Man setze sich für eine Verabschiedung der Richtlinie im EU-Parlament noch vor den Wahlen im Juni ein. Fast 80 Prozent der deutschen Unternehmen hielten das Gesetz für umsetzbar.
„Die Behauptung der FDP, ein EU-Lieferkettengesetz überlaste deutsche Unternehmen, ist unzutreffend“, heißt es im Beschluss. Gleichzeitig ist man bereit, der FDP noch ein Stück entgegenzukommen, und „kleine und mittlere Unternehmen unter 500 Mitarbeitenden vollständig auszunehmen.“
Die europäische Richtlinie soll bislang für Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mindestens 150 Millionen Euro Umsatz gelten, aber auch kleinere Firmen ab 250 Beschäftigten und 40 Millionen Euro Umsatz verpflichten, die in etwa in der Textil- oder Lebensmittelbranche tätig sind und dort die Hälfte ihres Umsatzes erwirtschaften.
Der SPD-Beschluss war auf Drängen von Jusos und Parteilinken zustande gekommen, die forderten, die FDP von ihrer Blockadehaltung abzubringen.
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