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Menschenrechte in ÄgyptenGegen Al-Sisi, für Freiheit

Ägyptische Aktivisten demonstrieren in Berlin gegen den ägyptischen Präsidenten Al-Sisi. Der ist für den Petersberger Klimadialog in Deutschland.

Teilnehmer der Protestaktion gegen den Stattsbesuch von Ägyptens Präsident Abd al-Fattah as-Sisi in Berlin Foto: Florian Boillot

Berlin taz | „Lasst sie alle frei!“ fordern Demonstrierende am Montag anlässlich des Besuchs des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah El-Sisi in Deutschland. Ihre Botschaft bezieht sich auf die zahlreichen ägyptischen Menschenrechtsverteidiger, die in Ägypten inhaftiert sind.

Al-Sisi nimmt in Berlin am Petersberger Klimadialog teil – eine jährliche Konferenz, bei der Impulse für die jährlichen UN-Klimakonferenzen entwickelt werden sollen. Er führt außerdem bilaterale Gespräche mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz und anderen prominenten Mitgliedern der deutschen Regierung.

Dass Menschenrechte – und vor allem Menschenrechtsverletzungen in Äygpten – dabei eine untergeordnete Rolle spielen, stößt vielen in Berlin lebenden ägyptischen Menschenrechtsaktivisten sauer auf. Ihren Protest dagegen machen sie hör- und sichtbar.

Einer der Organisatoren der Demonstration, der aus Sicherheitsgründen nicht namentlich genannt werden möchte, sagt: „Wir haben mehrere Botschaften. Die erste ist ein Aufruf an die deutsche Regierung, die militärische, sicherheitspolitische und politische Unterstützung für den Diktator Abdel Fattah Al-Sisi zu beenden. Die zweite Botschaft an Al-Sisi lautet: Wir werden Ihre Verbrechen öffentlich benennen, wohin Sie auch gehen“.

Die Bedingungen für Inhaftierte in Ägypten sind problematisch

Die britisch-ägyptische Aktivistin Sanaa Seif ist die Schwester des berühmten Menschenrechtsverteidigers Abdel Fattah, der sich seit 109 Tagen im Hungerstreik befindet. Seit acht Jahren sitzt er wegen seiner Meinung im Gefängnis und schwebt mittlerweile in Lebensgefahr. Bei der Demonstration sagt sie: „Sisi ist hier und wurde willkommen geheißen, und mein Bruder stirbt in seinem Gefängnis“.

Wenn Deutschland sich um Menschenrechte kümmern wolle, so Seif, dann solle es den Äygptern helfen. Sie saß selbst in Ägypten in Haft: „Ich weiß, was es bedeutet, in einem ägyptischen Gefängnis eingesperrt zu sein“.

Das Arabische Netzwerk für Menschenrechtsinformationen hat kürzlich einen Bericht veröffentlicht, der die problematischen Bedingungen für Gefangene in Ägypten aufzeigt. Er weist darauf hin, dass die Zahl der neuen Gefängnisse – deren Einrichtung nach der Revolution im Jahr 2011 beschlossen wurde – mittlerweile 35 erreicht hat, zusätzlich zu den 43 besteheneden Gefängnissen von vor der Revolution.

Die Organisation schätzt die Zahl der Gefangenen, Untersuchungshäftlinge und Inhaftierten in Ägypten bis Anfang März 2021 auf etwa 120.000 Gefangene. Darunter sind auch etwa 65.000 politische Gefangene.

„Deutschland darf die Augen nicht verschließen“

Karim Abdel-Radi, ein ägyptischer Menschenrechtsverteidiger, der im Exil in Berlin lebt und die Demonstrationen mitorganisiert hat, sagt: „Deutschland und die demokratischen Länder der Welt sollten ihre Augen nicht vor den Menschenrechtsverletzungen in Ägypten verschließen.“ Mit Al-Sisi zusammenzuarbeiten, ohne zu bedenken, dass Zehntausende politische Gefangene in Ägypten in Haft sitzen, mache unter anderem Deutschland zu Komplizen.

Nora Younes, Chefredakteurin von Al-Manassa, einer unabhängigen ägyptischen Nachrichtenseite, berichtet auf Facebook, dass diese zwei Tage vor Al-Sisis Besuch in Deutschland blockiert worden sei.

Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen steht Ägypten auf der Weltrangliste der Pressefreiheit auf Platz 168 von 180 Ländern, Hunderte von unabhängigen Presse-Websites sind blockiert, und Dutzende von Journalisten sind wegen ihrer journalistischen Arbeit inhaftiert.

Abdel-Radi sagt: Ägypten stehe der Meinungsfreiheit nach wie vor feindselig gegenüber. „Es verfolgt die Politik, unabhängige journalistische Websites zu blockieren“. Mittlerweile sagt er, gebe es keine journalistische Website mehr, die eine kritische Meinung vertrete und noch nicht gesperrt worden sei.

Demonstrierende haben Angst erkannt zu werden

Viele Demonstrierende tragen Masken, Sonnenbrillen und Mützen – ein Versuch ihre Identität zu verbergen. Sie fürchteten die Gewalt der ägyptischen Behörden gegen sie und ihre Familien in der Heimat, sagt eine Aktivistin, die nicht genannt werden will. Die Sicherheitskräfte der ägyptischen Botschaft seien immer präsent sind, sagt sie, wenn eine Demonstration gegen Al-Sisi stattfänden.

„Sie fotografieren uns und schreiben Sicherheitsberichte über unsere Aktivitäten im Ausland“, sagt sie. Und: „Niemand ist vor der Gewalt der ägyptischen Behörden sicher“. Und fügt hinzu: „Unsere Demonstration hat auch eine Botschaft an die deutsche Regierung: Die Unterstützung dieses Diktators gefährdet die Sicherheit Deutschlands und Europas. Es ist diese Politik der Unterdrückung, die Terrorismus hervorbringt und illegale Migration verursacht.“

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1 Kommentar

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  • Beeindruckende Schurken

    Zitat: „Wir haben mehrere Botschaften. Die erste ist ein Aufruf an die deutsche Regierung, die militärische, sicherheitspolitische und politische Unterstützung für den Diktator Abdel Fattah Al-Sisi zu beenden.“

    Die „New York Times" nannte den blutigen Sturz des formal demokratisch gewählten Mursi-Regimes 2013 zutreffend eine „Konterrevolution“. Deren Akteure, die vom Pentagon alimentierte Mubarak-Armee und der übrige Sicherheitsapparat des Ancien Régimes, bedienten sich dabei clever der Propagandafigur des „War On Terrorism“. Noch vor seiner folgerichtigen Freilassung war Mubarak dann die internationale publizistische Gnade zuteil geworden, nicht mehr, wie noch während des „Arabischen Frühlings“, als Diktator gebrandmarkt, sondern wieder auf den weniger abscheulichen Status eines „Autoritären Herrschers“ herabgestuft zu werden, eine euphemistische Kategorie, mit der traditionell jene Schurken-Herrscher bedacht werden, von denen es in Washington seit ewig heißt: „Es mögen Schurken sein, aber es sind unsere Schurken.“

    Das Problem der Diskurs-Designer bestand danach nun darin, die Massaker in Kairo mit den moralischen Ansprüchen des Anti-Terrorkampfes in eine rhetorische Paßform zu bringen und um jeden Preis störende Vergleiche zu Gadhafi und Assad zu vermeiden. 1000 Massaker-Opfer und die Ankündigung der Putschisten, 3 Mill. Moslembrüder innerhalb von 6 Monaten umzubringen („Le Monde“ 19. 8. 2013) reichten jedenfalls nicht für EU-Sanktionen. Ganz im Gegenteil: „Ich finde, Sie haben einen beeindruckenden Präsidenten.“ (Der damalige Vize-Kanzler S. Gabriel auf der Pressekonferenz in Kairo am 24. 4. 2017 über den neuen ägyptischen Diktator as-Sisi)