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Mein Speichel gehört mir!

Einhellige Ablehnung bei allen anderen Parteien ernten CDU- und CSU-Politiker mit dem Vorschlag, eine Gendatei aller Männer anzulegen, um die Verbrechensbekämpfung zu erleichtern

KÖLN taz ■ Auf breite Ablehnung ist der Vorstoß von CDU/CSU-Rechtspolitikern und des baden-württembergischen Justizministers Ulrich Goll (FDP) gestoßen, die Gendatei des Bundeskriminalamtes als präventive Maßnahme gegen Sexualverbrechen drastisch auszuweiten. Als Konsequenz aus dem Mord an der 12-jährigen Ulrike B. aus Eberswalde hatte der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Erwin Marschewski, gefordert, Männer bereits „beim geringsten Anfangsverdacht“ zu einem Gentest zu zwingen. „Da reicht es aus, wenn einer in fremde Schlafzimmer guckt.“

Goll kündigte eine Gesetzesinitiative an, wonach auch so genannte Spanner, Voyeure und Exhibitionisten in die BKA-Gen-Datei aufgenommen würden. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) ist dafür, die Liste der Straftaten, bei denen eine DNA-Analyse zulässig ist, in „erheblichem Umfang“ zu erweitern. Er habe außerdem keine Bedenken, die genetischen Daten aller Männer beim BKA zu speichern. Das hatte der CSU-Rechtspolitiker Norbert Geis gefordert.

Die rot-grüne Regierungskoalition reagierte mit scharfer Ablehnung. Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, bezeichnete die schwarzen Vorschläge gar als „durchgeknallt und völlig gaga“. Sie seien „elementar verfassungswidrig.“ Bereits am Sonntag hatte Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) von „populistischen Wahlkampfforderungen“ gesprochen. Auch die FDP-Bundestagsabgeordnete Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nannte den Vorstoß gegenüber der taz „typischen CSU-Populismus“. Auch den Überlegungen ihres Parteifreundes Goll erteilte sie eine Absage. Skepsis kam auch von der CDU-Spitze: CDU-Chefin Angela Merkel nannte Geis’ Vorschlag verfassungsrechtlich problematisch.

Dagegen hält der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Eike Bleibtreu, den Vorschlag für „diskutabel“. Er verspreche sich davon „eine hochpräventive Wirkung“, sagte Bleibtreu; allerdings müsse darauf geachtet werden, „inwieweit anonymisierte DNA-Formeln gespeichert werden können, um Unschuldige zu schützen“.

Im Fall des Sexualmordes an Ulrike B. gibt es bislang noch keine heiße Spur. Die Polizei geht den inzwischen mehr als 1.700 Hinweisen aus der Bevölkerung nach. Die Sonderkommission wurde dazu am Montag deutlich aufgestockt. PASCAL BEUCKER

brennpunkt SEITE 3

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