Mein Sohn und sein neuer Job: Das Demo-Business
Mein kommunistischer Sohn Mehmet hat ein neues Geschäftsmodell entdeckt: Er mischt Nazis auf und verdient gut dabei.
M it meinem kommunistischen Sohn Mehmet gehe ich wie immer am Anfang des Monats zur Bank, um den ganzen Stapel mit Strafzetteln zu bezahlen, die sich dank seiner sehr eigenwilligen Fahrweise binnen vier Wochen wieder angesammelt haben. Zu schnell gefahren, bei Rot gefahren und jede Menge Parksünden.
„Und alle wundern sich, warum ich immer noch einen uralten 68er Ford-Transit fahre. Wie kann ich denn so Geld sparen?“, jammere ich mit einer deutlichen Kritik in der Stimme.
Wer versteht – der versteht!
Da sieht Mehmet ein Plakat an der Wand mit der Ankündigung des „Liederabends für den globalen Frieden“, der von der Bank gesponsert wird. Mindestens 30 weitere stolze Geldgeber stehen noch auf dem Plakat.
„Das ist die Idee! Das mache ich auch“, springt Mehmet plötzlich begeistert hoch, als hätte er gerade die Druckmaschine entdeckt.
„Du willst auch Lieder für den globalen Frieden singen? Diese künstlerische Ader von dir war mir bis jetzt noch nie aufgefallen,“ sage ich ironisch.
„Ich lass mich für meine etlichen globalen Friedensaktivitäten auch sponsern“, brüllt er überschwänglich, als hätte er soeben persönlich den Dreißigjährigen Krieg beendet.
„Super Idee. Ich bin es wirklich leid, deine dämlichen Strafzettel seit Jahren ganz alleine abzustottern. Ein paar Sponsoren an meiner Seite könnte ich gut gebrauchen. Die Frage ist nur: Wer ist noch so blöd?“
„Vater, wer redet denn von dir? Die sollen mich sponsern. Das ist eine richtige Marktlücke im hart erkämpften Demo-Business“, sagt er mit glänzenden Augen, in Erwartung eines kräftigen Geldregens.
„Mehmet, du kannst doch nichts anderes als bei Demonstrationen die Schaufensterscheiben von Großbanken einzuschmeißen oder vor den Wahlen die Werbeplakate der AfD abzureißen. Aber komm bloß nicht auf die Idee, teure Kunstwerke mit Farbe zu bewerfen oder dich an teure Autos festzukleben“, warne ich ihn.
„Meine Demos sind auch globale Friedensaktivitäten“, grinst er wie ein Honigkuchenpferd.
Als Mehmet ein paar Wochen später wieder aufbricht, um eine rechtsradikale Demo aufzumischen, stellt er mir stolz einige seiner Sponsoren vor.
„Diesen Backstein, mit dem ich die Frontscheibe der Fascho-Partei zertrümmern werde, erwarb ich durch die finanzielle Hilfe der Glaserei ‚Wenn Fenster, dann Freddy‘. Hier auf dem Stein ist das Logo der Firma deutlich zu sehen. Und diesen stabilen Schlagstock verdanke ich, wie du hier am Griff lesen kannst, der freundlichen Unterstützung der Orthopädischen Praxis ‚Schädelbrüche sind unsere Sache. Knochenhauer und Sohn.‘“
Mit Tränen in den Augen umarme ich meinen genialen, geschäftstüchtigen Sohn:
„Mehmet, zum ersten Mal wird deine Arbeit gebührend entlohnt, mein Sohn. Ich bin so was von stolz auf dich.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“