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Mehr Umbruch von CO2-Speicher GrünlandEU-Kommission will noch laxere Umweltregeln für Bauern

Landwirte sollten mehr klimafreund­liches Grünland umpflügen dürfen, so die Europäische Kommission. Das soll die Bauern von Bürokratie entlasten.

Zeigen immer noch Wirkung: die Bauernproteste 2023/24 Foto: imago

Berlin taz | Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, weitere Umweltregeln für die Agrarsubventionen zu lockern. Die Mitgliedstaaten sollen vor allem die Möglichkeit bekommen, das Umpflügen von mehr Weiden und Wiesen als bisher zu erlauben. Beim Umbruch von Grünland wird Treibhausgas frei. Biobauern sollen von noch mehr ökologischen Anforderungen befreit werden. Künftig sollen die Behörden in jedem Betrieb der Landwirtschaft grundsätzlich nur noch höchstens einmal pro Jahr vor Ort überprüfen, ob er die Auflagen für EU-Agrarsubventionen einhält. Zudem will die Kommission eine Ausnahmeregelung für kleine Höfe erweitern, die Deutschland aber bislang nicht anwendet.

„Die Änderungen könnten Landwirten jährlich bis zu 1,58 Milliarden Euro und nationalen Verwaltungen 210 Millionen Euro einsparen“, teilte die Kommission am Mittwoch mit. Sie wolle die Agrarpolitik „vereinfachen“ und die Wettbewerbsfähigkeit der Bauern stärken. Bisher müssten Landwirte im Schnitt 7 Arbeitstage pro Jahr für Verwaltungstätigkeiten aufbringen. Die Auflagen würden „oft nicht den Realitäten vor Ort entsprechen“.

Die EU gibt von 2021 bis 2027 insgesamt 378,5 Milliarden Euro für die Agrarpolitik aus. Die Höfe bekommen im Schnitt die Hälfte ihres Einkommens vom Staat. Sie produzieren die meisten der in der EU verbrauchten Lebensmittel, verursachen aber laut EU-Rechnungshof auch insgesamt 13 Prozent der Treibhaus­gas­emissionen. Die Landwirtschaft ist zudem maßgeblich dafür verantwortlich, dass immer mehr Pflanzen- und Tierarten aussterben.

Ein Vorschlag könnte den CO2-Ausstoß um 125 Millionen Tonnen erhöhen

Doch seit den Bauernprotesten 2023/24 kommt die Kommission den großen Agrarverbänden immer weiter entgegen. Konkret verlangt sie nun, dass nicht nur 5 Prozent, sondern 10 Prozent des Dauergrünlands in einer Region umgebrochen werden dürfen, ohne dass die Bauern den Anspruch auf die wichtigste Subventionsart verlieren. Für Biobauern soll die Beschränkung komplett fallen. Diese Änderungen könnten nach einer Überschlagsrechnung der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) rund 125 Millionen Tonnen zusätzliches Kohlendioxid (CO2) freisetzen. Diese Menge entspreche ungefähr den gesamten Treibhausgasemissionen von Tschechien im Jahr 2023.

Bevor die neuen Regeln in Kraft treten können, müssen das Europaparlament und die EU-Staaten zustimmen. Dabei kommt es auch auf Deutschlands Stimme an. Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) bezeichnete die Vorschläge bereits als solide Grundlage. Ähnlich äußerte sich der Deutsche Bauernverband. Generalsekretär Bernhard Krüsken forderte jedoch, dass auch die konventionellen Betriebe vollkommen von den Regeln zum Grünlandumbruch ausgenommen werden.

Der Naturschutzbund dagegen kritisierte, die vorgeschlagenen Maßnahmen würden dem Klima und der Artenvielfalt schaden. Die Kommission bleibe Alternativen schuldig, die den Umweltschutz voranbringen könnten. Die AbL warnte davor, dass Betriebe mit viel Grünland nun auf Bio umstellen, um es umzubrechen, und danach wieder konventionell wirtschaften. „Anstatt mehr Grünland dem Umbruch preiszugeben, sollte die Kommission dafür sorgen, dass Grünlandbetriebe endlich wirtschaftlich gestärkt werden“, sagte Ottmar Ilchmann, AbL-Sprecher für Agrarpolitik. Nötig seien zusätzliche Förderangebote für solche Höfe.

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9 Kommentare

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  • Diese Regel macht Sinn. Wenn einerseits immer weniger Rinder gehalten werden, weil weniger Fleisch und Milch konsumiert wird, wird natürlich auch weniger Grünland benötigt. Denn nur Wiederkäuer können aus Grünland für den Menschen nutzbares Eiweiß produzieren. Was soll ich mit Wiesen, wenn ich den Aufwuchs nicht verwerten kann, aber zum Mähen gezwungen bin, weil das Grünland sonst vertuscht.



    Und das andere ist, dass ich spätestens nach 5 Jahren meine Wiesen umpflügen! muss, weil sonst aus Ackerland Dauergrünland wird, mit den bekannten Einschränkungen.



    Es gibt noch viel mehr Vorschriften, die einzuhalten sind. Aber das ist für hochgebildete urbane Bourgeoisie natürlich notwendig, weil der dumme Bauer sonst sein Land, was ihn und viele andere Menschen ernährt, sonst völlig verkommen lassen würde. Ironie off.

    • @fritzigil:

      Unsere Nachbarn mähen die Wiesen, aber nicht für Heu für ihre Kühe, sondern um daraus EU geförderten Bio Diesel herzustellen. Auf die Wiesen bringen sie in grossen Mengen Gülle aus ihren Schweineställen aus. Den Greifvögeln geht es gut, weil es eine regelrechte Mäuse Explosion gibt. Natürlich pflügen sie die Wiesen alle paar Jahre um, damit sie nicht unter die Verordnung fallen.

  • taz: *Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, weitere Umweltregeln für die Agrarsubventionen zu lockern.*

    Das ist ja auch viel einfacher, als sich um Klima- und Naturschutz zu kümmern.

  • Meine eigene Beobachtung in Südfrankreich sowohl als auch im Münsterland ist, das die Bauern, wenn sie eine Wiese anlegen, diese alle paar Jahre umpflügen, damit sie nicht unter diesen Schutzstatus fällt - also im Endeffekt mehr umgepflügt wird! Darum kann es sein, das eine Aufhebung einer solchen Regelung durchaus sinnvoll sein kann.

  • Statt sich den traurigen Gegebenheiten (Folgen der Klimaerwärmung) anzupassen, passt man die Gesetzgebung den persönlichen Befindlichkeiten an. Weil es bequemer ist. Die Quittung dafür kommt leider vermutlich eher, als wir denken. Zu viele vermögen nicht in Zusammenhängen zu denken, - vernichten wir doch gerade sämtliche Grundlagen für Wirtschaft, Wohlstand und unser Überleben. Als (parasitärer) Teil der Natur, die wir noch immer partout nicht schützen wollen.

  • "Die Mitgliedstaaten sollen vor allem die Möglichkeit bekommen, das Umpflügen von mehr Weiden und Wiesen als bisher zu erlauben"

    Kleiner Faktencheck: In Deutschland ist die Grünlandfläche seit vielen Jahren konstant und z.B. aktuell sogar noch leicht größer als 2010.



    Es ist also gerade für Deutschland völlig sinnlos sich irgendwelche CO2-Zahlen hochzurechnen wenn die Obergrenze in der EU von 5% auf 10% angehoben werden sollte.



    Davon abgesehen gilt in Deutschland wie so oft jetzt schon eine niedrigere Grenze als in der EU und selbst das wird nicht genutzt.

  • Und am Ende halten die Bauern wie immer die Hand auf und wollen Geld für Dürre, Trockenheit, Naturkatastrophen. Den meisten Bauern ist die Grundlage ihrer Geschäftsgrundlage völlig egal. Von der Qualität der Produkte ganz zu schweigen .... Ob als Subvention, Ausgleichszahlung oder für fragwürdig angebaute Produkte, Hauptsache der Rubel rollt.

    • @HoboSapiens:

      Und das wissen Sie woher genau? Welche Qualifikation haben Sie um darüber so genau Bescheid zu wissen? Sind Sie rehabiltierter Landwirt? Ich finde es eine Frechheit alle Landwirte über einen Kamm zu scheren! Ich lade Sie herzlich ein, einen Tag auf einem landwirtschaftlichen Betrieb zu verbringen. Sich die Arbeit im Büro anzuschauen, mit mir die Bestände zu kontrollieren, aus dem gesehenen Maßnahmen abzuleiten, diese Maßnahmen vorher mit den Anforderungen der Agrarpolitik und des QS Systems abzugleichen usw... Ich urteile doch auch nicht über Ihren Job und spreche Ihnen alle Fachkenntnis ab!

  • In Rhein-Main hat es seit 8 Wochen nicht geregnet. Wiesen sehen aus wie Strohmatten. Der Sommer hat noch nicht einmal angefangen

    Nur weiter so.