Mehr Grenzkontrollen wegen Migration: Abschreckung in Wort und Tat
Nun soll es also doch Grenzkontrollen geben, auch weil die politische Lage anders als 2015 ist. Doch flächendeckende Kontrollen sind unrealistisch – noch.
J etzt also doch mehr Grenzkontrollen. Nach der großen Aufregung über die vielen ankommenden Flüchtlingsboote auf Lampedusa und dem anschließenden Abschottungschor von allen Seiten lässt SPD-Innenministerin Nancy Faeser nun auch an den deutschen Grenzübergängen zu Polen und Tschechien Beamte stationieren, um die Einreise von MigrantInnen nach Deutschland zu überwachen. So, wie es die Union schon lange fordert. Faeser sieht sich zum Handeln gezwungen, weil nach den großen, erschreckenden Worten aus den eigenen Ampelreihen von der „Belastungsgrenze“ (Bundespräsident Steinmeier) bis zur „Migration, die das Land überfordert“ (FDP) Taten verlangt werden.
Grenzkontrollen also! Das soll hart, entschlossen und abwehrbereit klingen. Ist es aber nicht automatisch. Es kommt darauf an, was an den Grenzen in der Praxis wirklich geschieht. Und das ist noch nicht klar, das hängt von den weiteren Entscheidungen der Regierung ab. Auch die taz hat sich da schon getäuscht und nach der Einführung von Grenzkontrollen zu Österreich im September 2015 getitelt: „Deutschland macht dicht.“
Das Gegenteil trat ein, nie wurden mehr Asylsuchende in Deutschland aufgenommen als in den Wochen danach. An der Grenze wurden die Menschen zwar kontrolliert und registriert, aber nicht abgewiesen. Das war der entscheidende Unterschied. Aber was ist heute zu erwarten?
Leider sieht es inzwischen schlechter aus für die Geflüchteten, weil die politische Grundstimmung in ganz Europa noch feindseliger geworden ist und die deutsche Regierung keine klare Haltung zeigt, wie Angela Merkel im Herbst 2015. Sie hatte damals allerdings auch noch keine starke Opposition von rechts im Nacken wie die Ampel jetzt mit der Union und der AfD bei 22 Prozent.
Problem wird übertrieben
Olaf Scholz traut sich nicht zu sagen, dass die unbestreitbar schwierige Belastung der Kommunen nicht an der überschaubaren Zahl von Menschen liegt, die über Italien oder Polen kommen, sondern vor allem durch die Aufnahme von mehr als einer Million UkrainerInnen verursacht wurde, die zum Glück Zuflucht in Deutschland fanden. Weil daran Gott sei Dank niemand rüttelt, stürzen sich jetzt alle auf Geflüchtete aus anderen Ländern und übertreiben das Problem maßlos.
Die Ampel wird deshalb wohl versuchen, einige Asylsuchende wirklich an den Grenzen nach Polen und Tschechien zurückzuschicken. Klar ist aber auch, dass eine flächendeckende Kontrolle aller Grenzen nur mit einem riesigen Personaleinsatz und Zäunen möglich wäre. Davon sind wir zum Glück noch weit entfernt. Aber was heute unvorstellbar scheint, kann noch kommen, wenn sich die Politik weiter mutlos nach rechts treiben lässt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert