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Mehr Geld für die BundeswehrAus der Reserve gelockt

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Kanzler Scholz hat seine Mehrheit für das Sondervermögen zusammenbekommen. Aber in die alte Rolle des Zauderers kann er schnell wieder zurückfallen.

Kanzler Scholz bei der Stimmabgabe für die Grundgesetzänderung zum Sondervermögen der Bundeswehr Foto: Michael Kappeler/dpa

F ür Bundeskanzler Olaf Scholz ist die Woche doch noch gut zu Ende gegangen – und das hat viel mit Friedrich Merz zu tun. Der Bundestag hat am Freitag mit den Stimmen der Ampel und der Union das Grundgesetz um das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr erweitert, das ja kein Vermögen, sondern die Erlaubnis zum Schuldenmachen ist. Damit hat Scholz eines der zentralen Versprechen aus seiner „Zeitenwende-Rede“, die er kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs im Bundestag hielt, eingelöst.

Dem Kanzler dürften mehrere Steine vom Herzen gefallen sein. Ein Scheitern des Sondervermögens – wie im Fall der von Scholz ebenfalls unterstützten Impfpflicht – hätten der Ampel einen schweren Schlag versetzt; und es bleibt offen, ob sie sich davon überhaupt erholt hätte. Dass Merz nun vor Selbstbewusstsein strotzend im Bundestag nicht ganz wahrheitsgemäß verkündete, die Bundesregierung sei auf alle Forderungen der Union eingegangen, und nur deshalb habe diese zugestimmt, dürfte da das kleinere Übel sein. Eher handelt es sich um eine Win-Win-Situation (was nicht für die Grünen gilt, aber von denen soll hier nicht die Rede sein).

Eine Win-Win-Situation gab es auch bei der Generaldebatte im Bundestag, bei der der Kanzler Merz einen bemerkenswerten Auftritt zu verdanken hat – zumindest teilweise. Der Oppositionsführer, der traditionell die Generaldebatte in der Haushaltswoche eröffnet, lockte Scholz mit Vorwürfen, Unterstellungen und Fragen zum Ukrainekrieg aus der Reserve. Der ließ sein Redemanuskript erst einmal liegen, sprach klarer als sonst – und sogar mit Leidenschaft.

Als er dann noch von Munition bis Sprengmaterial herunterratterte, was Deutschland der Ukraine bereits alles geliefert habe, auf versprochene Haubitzen und Geparde sowie Panzer im Ringtausch verwies und zudem ankündigte, nun käme noch das Flugabwehrsystem Iris-T und ein hochmodernes Ortungsradar dazu, da schien das Image des Zögerns und Bremsens – für das der Kanzler seit Wochen in der Kritik steht – von diesem abzufallen. Zumal die jetzt angekündigten Waffen aus Sicht von Experten hochmodern sind und das, was die Ukraine derzeit nötig braucht.

Der Kanzler ist mit den neuen Versprechen über die alten hinweggegangen

War die Rede also ein Befreiungsschlag für Scholz? Das ist offen. Die Bundesregierung muss die Versprechen erst einmal umsetzen. Scholz sagte ja nicht, wann all das schwere Gerät geliefert werden soll, was nach Angaben der Außenministerin Monate dauern kann. Man kann es auch so sehen: Der Kanzler ist mit den neuen Versprechen über die alten – bislang uneingelösten – hinweggegangen. In der Ukraine sind bisher weder Geparde noch Marder noch Panzerhaubitzen angekommen. Schnell kann Scholz also wieder als Zauderer und Bremser dastehen, als einer, der nur auf Druck reagiert – und damit immer zu spät.

Wobei es durchaus gute Gründe dafür gibt, dass der Kanzler sorgsam abwägt. Die berechtigte Sorge, der Krieg könne sich ausweiten, gehört ebenso dazu wie die drängende Frage, wie es überhaupt einen Weg heraus geben kann. Und dass in der SPD grundsätzliche Bedenken gegen die Lieferung schwerer Waffen weit verbreitet sind, das spielt natürlich auch eine Rolle.

Bedarf an Erklärung

Es wäre – zumindest innenpolitisch – schon etwas geholfen, wenn Scholz all das erklären würde. Aber er lässt die Bevölkerung nicht an seinen Überlegungen und Abwägungen teilhaben. Zwar gibt er inzwischen mehr Interviews, doch darin bleibt er oft so nebulös, dass man nachher nicht schlauer als vorher ist.

Nun hat nicht jeder das Talent eines Robert Habeck zur lustvollen Kommunikation, doch schon die positive Resonanz auf Scholz’ Rede im Bundestag zeigt, wie groß in dieser Zeit potenzierter Krisen der Bedarf an Erklärung durch den Kanzler ist. Steuert Scholz hier nicht um, dürfte er weiter an Zustimmung verlieren.

Außenpolitisch aber helfen alle Erklärungen nicht. Der ukrainische Außenminister sagte jüngst, man habe es satt, auf Deutschland zu warten. Entscheidend ist, dass die Bundesregierung jetzt das zugesagte schwere Gerät auch liefert. Oder, wie die Außenministerin es nennt: „Das Zeug muss ankommen.“ Bis dahin wird Unionsfraktionschef Merz noch einige Gelegenheit haben, den Kanzler zu piesacken. Es wird nicht immer eine Win-Win-Situation sein.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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7 Kommentare

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  • Versprechen und ankündigen kann man viel, es ist die Umsetzung, die entscheidend ist. Daran wird unsere Bundesregierung gemessen, aber es wird sich auch hier wohl weiterhin zeigen, das Scholz einfach Scholz bleibt.

    Er wägt ab, ob es zu einer Ausweitung des Krieges kommt? Langsam kann ich dieses Argument nicht mehr hören. Unter welchen Voraussetzungen sollte es denn zu einer Ausweitung des Krieges kommen? Was sollte Putin davon haben, die NATO jetzt, in dieser Situation anzugreifen? Läuft es für ihn in der Ukraine so gut, dass er sich mit einem vielfach stärkeren Gegner zusätzlich anlegen kann? Wird das für seine Herrschaft förderlich sein?

    Es wurde schon oft klar gesagt: Ob dieser Krieg ausgeweitet wird, entscheidet Putin ganz allein, und zwar völlig unabhängig von westlichen Waffenlieferungen oder anderen realen Gründen. Wenn er eine Eskalation vom Zaun brechen will, wird er einen Grund fingieren, und wir können nichts dagegen tun. Das einzige, was uns bleibt, ist abzuwägen, ob Putin eine Eskalation nützt oder nicht. Wenn das der Fall wäre, hätte er schon die tausenden Stinger und Javelin als Kriegsgrund nehmen können, die seiner Armee das schnelle Niederwerfen der Ukraine vermasselt haben.

    • @Bussard:

      „Er wägt ab, ob es zu einer Ausweitung des Krieges kommt? Langsam kann ich dieses Argument nicht mehr hören.



      Es wurde schon oft klar gesagt: Ob dieser Krieg ausgeweitet wird, entscheidet Putin ganz allein, und zwar völlig unabhängig von westlichen Waffenlieferungen oder anderen realen Gründen. Wenn er eine Eskalation vom Zaun brechen will, wird er einen Grund fingieren, und wir können nichts dagegen tun.“



      Ich bin CDU Wähler… aber ich bin sehr froh einen Kanzler Scholz zu haben, der besonnen und überlegt abwägt und sich von niemand drängen lässt! Er ist mir wesentlich lieber, als die Schreihälse Strak Zimmermann von der FDP und aus meiner Partei, der CDU… namentlich Röttgen

  • Rein gar nichts davon ist zum Beifall-klatschen ... im Gegenteil es macht traurig wie leicht sich Politiker*innen von anderen beeindrucken lassen, um ihre einstigen Wahlversprechen reaktionär hinten anzustellen ...

    Anstelle von mehr Erneuerbaren bekommen wir nun LNG-Terminals um weiter vom, Treibstoffangebot anderer Abhängig zu sein und anstelle von bezahlbarem Wohnraum sollen Kampfflugzeuge made in USA angeschafft werden, neue Schulden für die Rüstung bzw. den Krieg wurden auf Oppositionsnachfrage im GG verankert ...

    Ich finde das nicht nur traurig, sondern schändlich im Hinblick auf die Verantwortung gegenüber folgenden Generationen - ihnen einen immer noch höheren Scheißeturm zu hinterlassen!

    • @Moe479:

      "Ich finde das nicht nur traurig, sondern schändlich im Hinblick auf die Verantwortung gegenüber folgenden Generationen - ihnen einen immer noch höheren Scheißeturm zu hinterlassen!"



      Stimme Ihnen zu, denke da an meinen Sohn und an meinen Enkel, der gerade 2 Jahre alt geworden ist!

  • 9G
    93851 (Profil gelöscht)

    "Sondervermögen" ...

    um nicht zu sagen – Schulden– !

    Schulden für die Entrostung und das Aufmotzen der Bundeswehr, als ob uns das retten würde vor russischen Einmärschen geschweige denn einem Atomkrieg.

    Auch ein Olaf Scholz wird irgendwann schon merken, dass er und mit ihm wohl noch einige andere auf dem Holzweg sind. Es wird nämlich alles so dermaßen teuer werden, dass die "Bundeswehr" ganz sicher dabei gar nicht helfen kann, lol.

    Daher kann man die 100.000.000.000 € besser gleich verbrennen.



    Schade aber auch und



    dumm gelaufen, was Olaf!?

  • Erst denken, dann handeln.



    Was mich an dem Hau Ruck 100 Milliarden Entschluss stört:



    1) Keine Zieldefinition



    Was soll die Bundeswehr können, davon hängt doch alles andere ab.



    2) Keine klare Bestandsaufnahme



    Wo stehen wir gemäß Zieldefinition, wo und wie müssen investieren.



    3) Klare Vorgaben bei der Beschaffung



    Viele Projekte explodierten in den Kosten, weil es zu viele "deutsche" Sonderwünsche gab. Also klare Definition von Standards, statt dauernd Sonderwünsche.



    4) Kostenmanagement wie in der freien Wirtschaft



    Klare Verträge mit Festpreis statt dauernde Änderungen während der Realisierung.



    Klare Vertragsstrafen wenn nicht wie bestellt und zum Termin geliefert wird.

    Ich fürchte genau so wird es nicht gemacht, es wird Geld mit der Gießkanne verteilt und dann kauft jeder wie wild, so lange noch Budget da ist. Die 100 Milliarden werden wohl zu 50% und mehr verpuffen.

  • Im Windschatten der Verhandlungen um das Sondervermögen passiert ein noch unkommentierter Skandal:



    "Finanzminister Christian Lindner erklärte, dass die Verhandlungen mit der Union zum Sondervermögen in seinem Ministerium, dem ehemaligen Reichsluftfahrtministerium, geführt worden seien. In diesen Räumen sei vor Jahrzehnten der aggressive Militarismus Deutschlands vorangetrieben worden. "Damals wurde Deutschlands militärische Stärke in Europa gefürchtet. Heute wird in Europa gefürchtet, dass Deutschland militärische Defizite hat." Das habe man nun gemeinsam verändert."



    www.tagesschau.de/...vermoegen-107.html