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Mega-Investitionen in HalbleiterbrancheChinas Kampf um Anschluss

Für Chinas Vision einer autarken Tech-Nation ist die Halbleiterbranche essenziell, Peking investiert massiv. Doch noch hinkt China hinterher.

Mit Geld allein ist es nicht getan. China benötigt zum Aufbau einer Chipindustrie auch Fachkräfte Foto: VCG/imago

Peking taz | Selten wird über die Bruchlandung eines chinesischen Prestigeprojekts auch in den Staatsmedien derart offen berichtet. Die „Hongxin Semiconductor Manufacturing Company“ (HSMC) sollte den Standort Wuhan zum neuen Mekka der heimischen Chipproduktion transformieren. Die Anschubfinanzierung für das erste Werk lag bei knapp 20 Milliarden Dollar. Doch noch ehe die ersten Halbleiter übers Fabrikband rollten, gingen plötzlich die Gelder aus.

Trotzdem liegt der Fokus der Wirtschaftsplaner in Peking auf keinem Feld derart stark wie auf der Halbleiterbranche. Mikrochips sind längst „die Goldbarren“ der modernen Gegenwart: Ohne sie gäbe es weder Laptops noch Smartphones, Drohnen oder künstliche Intelligenz. Dementsprechend haben Halbleiter eine Bedeutung inne, die weit über das wirtschaftliche hinausgeht: Der Zugang zu Halbleitern ist für Staaten vielmehr eine Frage der nationalen Sicherheit.

Dies gilt umso deutlicher für die Parteikader in Peking. Bereits Mitte der fünfziger Jahre führte die Regierung Halbleiterwissenschaften als Universitätsfach ein. Doch die Kulturrevolution, während der führende Intellektuelle in die Provinz verbannt wurden, setzte den damaligen Ambitionen eine jähe Zäsur. Andere Länder zogen an der Volksrepublik vorbei, darunter auch kleine Nachbarstaaten wie Südkorea und Taiwan.

Zwar ist China mit Einfuhren von über 300 Milliarden US-Dollar längst der weltweit größte Konsument von Halbleitern, doch das absolute Gros an Erlösen geht an ausländische Firmen. Jene Abhängigkeit gipfelte in einem regelrechten Trauma für die Staatsführung: 2019 hat der damalige US-Präsident Donald Trump in seinem Handelskrieg Halbleiter-Exporte als politisches Druckmittel missbraucht – und kurzerhand den Netzwerkausrüster Huawei von US-Technologie abgeschnitten. Im Folgejahr verbot es dem Konzern sogar, Geschäfte mit Zulieferern aus Drittländern zu machen, die Komponenten aus den Vereinigten Staaten verwenden. In wenigen Monaten rutschte Huawei vom weltweit erfolgreichsten Smartphone-Produzenten aus der Top-5-Spitzengruppe.

Xi will „technologische Selbstversorgung“

Seither arbeitet Staatschef Xi Jinping mit Hochtouren an der „technologischen Selbstversorgung“, die er zum Kernziel der nationalen Entwicklung ausgerufen hat. Der aktuelle Fünfjahresplan liest sich wie eine einzige Replik auf den Konfrontationskurs Washingtons. Eines der Kernziele lautet, wichtige Technologien künftig selber zu produzieren.

Dementsprechend massiv fallen die Investitionen aus: Allein 2020 hat die Regierung Halbleiter-Konzerne mit Direktzahlungen in Höhe von mindestens 35 Milliarden US-Dollar unterstützt, wie Recherchen des Fachmediums Technode ergeben. Dies ist eine Steigerung von über 400 Prozent im Vergleich zum vorangegangenen Jahr. Das private Risikokapital stieg im selben Zeitraum fast ebenso steil an.

China investiert Milliarden

Der bisher vielversprechendste heimische Produzent ist die Semiconductors Manufacturing International Corporation (SMIC) mit Sitz in Shanghai, deren Aktienkurs gleich am ersten Tag nach der Börsennotierung in Shanghai um mehr als 200 Prozent stieg. Zudem kündigte die Firmenleitung erst Mitte März den Bau einer neuen Fabrik im südchinesischen Shenzhen an, die über 2,3 Milliarden Dollar kosten wird.

Trotz der schwindelerregenden Zahlen sind die Fortschritte der chinesischen Halbleiterbranche bislang minimal. Sie wächst zwar laut offiziellen Daten im zweistelligen Bereich, doch auf einem Niveau, das nach wie vor noch Lichtjahre von der Konkurrenz in Taiwan und vor allem der USA entfernt ist.

Investitionen reichen nicht

Experten rechnen fest damit, dass die Wirtschaftsplaner in Peking ihr Ziel – bis 2025 rund 70 Prozent der Halbleiter für den eigenen Markt aus heimischer Produktion zu beziehen – deutlich verfehlen werden. Derzeit liegt man bei etwa 30 Prozent.

Doch Investitionen allein reichen nicht aus, um an die Weltspitze aufzusteigen. Dafür braucht es Generationen an Ingenieurskunst, Know-how und vor allem hochqualifizierte Fachkräfte – eine technische Infrastruktur also, deren Aufbau und Pflege Jahrzehnte dauert. Tatsächlich jedoch fehlt es der Branche an talentierten Universitätsabgängern, die sich für die Halbleiterbranche entscheiden. Chinesische Firmen versuchen dies mit der Abwerbung von Spezialisten aus Taiwan zu kompensieren, denen sie oft ein Mehrfaches an Lohn anbieten.

Der Weg zur technologischen Autarkie ist zweifelsohne ein steiniger: Jahrelang müssen Unsummen investiert werden, ohne jedoch Garantie auf Fortschritte zu haben. Bei den immensen Summen könnte auch der Volksrepublik China irgendwann die finanzielle Puste ausgehen. Zum Vergleich: Allein Marktriese Intel aus den USA investiert 13 Milliarden Dollar in seine Forschungsabteilung – und das jedes Jahr.

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5 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Na bitte, da haben wir doch die Archilles-Verse!

    Dass hierzulande immer noch chinesische Laptops massenhaft verkauft werden ist eine Schande.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Trotz der Strategien, die Peking einsetzt, um der heimischen Halbleiterindustrie praktisch unbegrenzte Finanzmittel und ein günstiges politisches Umfeld zu bieten, wird die technologische Leistungsfähigkeit in Zukunft ein wesentlicher begrenzender Faktor sein.

    Die beherrschende Stellung von US-amerikanischen und japanischen Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe ist beispielsweise das Ergebnis starker und langjähriger Kundenbeziehungen. Dies bedeutet, dass Ausrüstungslieferanten Herstellungsprozesse über mehrere Generationen von immer fortschrittlicheren Produkten hinweg gemeinsam entwickeln und so einen positiven Zyklus aus Wissensentwicklung und Technologie-Iteration schaffen, der zu erheblichen Ansammlungen von technischem und systembasiertem Wissen führt, das nur sehr schwer nachzuahmen oder mit illegalen Mitteln zu zu stehlen ist.

    Während chinesische Unternehmen in einigen begrenzten Marktsegmenten zulegen können, wäre es für inländische Fertigungsunternehmen schwierig, sich für einen nachhaltigen Geschäftsbetrieb aufnur in China entwickelte Geräte zu verlassen.

    das bedeutet:



    Handel und der Aufbau von Vertrauen sind die Konstanten nach denen sich letztendlich wirtschaftliche Entwicklung vollzieht. Der Griff Chinas in die Mottenkiste imperialistischer brutalst möglicher hegemonialer Politik wird kaum dazu geeignet sein die bestehenden Defizite auszugleichen - im Gegenteil.

    Soviel Kritik an der politischen Entwicklung in China wie derzeit hat es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Und es sieht nicht danach aus als ob sich das ändern wird.

  • Wo ist da wohl Deutschland einzustufen? 🙈

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @BerlinerausBerlin:

      Deutschland diskutiert - aber die Bundesregierung der Bundesrepublik



      unterstützt die Wertschöpfungskette von der Forschung bis zur Produktion von Spezial-Prozessoren.

      Das Forschungsministerium stellte Mitte letzten Jahres ein Förderprogramme mit einem Volumen von 45 Millionen Euro vor, mit denen „vertrauenswürdige“ Elektronik entwickelt werden soll.

      Damit soll das schon existierende Förderprogramm des Wirtschaftsministeriums für die Chip-Produktion ergänzt und das Forschungsprogramm Mikroelektronik ausgebaut werden.

      Vor allem in sicherheitspolitischen Bereichen - aber auch im Mobilfunk, beim Autonomen Fahren, in der Medizin, aber auch in der digitalisierte Produktion 4.0 geht es derzeit darum Wertschöpfungsketten



      vom Entwurf von Prozessoren bis zur Produktion von Halbleitern aufzubauen.

      Europa hatte 2018 nur noch einen Anteil von 9% im Halbleiterbereich.

      Bundesregierung und vor allem die EU versuchen seit Monaten, die Abhängigkeit von chinesischer Hardware und amerikanischer Software weiter zu verringern.

  • Die Chinesen werden das schaffen. Wer die Entwicklung rund um Shenzhen verfolgt, weiß, dass die Chinesen in wenigen Jahren das schaffen, wozu andere Jahrzehnte brauchen. Ob Halbleiter, Handys, Schnellzüge oder Flughäfen - in China läuft es schneller.