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Meduza-Auswahl 28. August – 3. SeptemberBis zu 3.000 russische Soldaten sterben wöchentlich

Meduza wertet neue Quellen zu den Todesjahren unter russischen Kämpfern im Ukraine-Krieg aus. Die Verluste haben ein völlig neues Ausmaß erreicht.

Die Verluste der russischen Streitkräfte sind vermutlich größer als bisher angenommen Foto: Stanislav Krasilnikov/imago

Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.

In der Zeit vom 28. August bis 3. September 2025 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:

Propaganda in Serien-Form

Im staatlichen Fernsehen in Russland sind jüngst alle Folgen der Serie „Gosudar“ (Der Fürst) erschienen. Sie handelt von Peter I. und ist eine Verfilmung des Romans „Peter der Erste“ von Alexei Tolstoi. Dessen Ziel es war, das sowjetische Volk an die Idee eines großen und autoritären Herrschers zu gewöhnen. Auch die neue Serie ist eng mit der Gegenwart verflochten: Die Anspielungen der Macher auf die Ähnlichkeit des Zaren mit Wladimir Putin und der Intriganten am Hof mit den Oligarchen der 1990er Jahre sind leicht zu erkennen.

Auf Anfrage von Meduza hat sich der Journalist Georgi Birger „Gosudar“ angesehen. Er erklärt auf Russisch, wie die Serie eine für die derzeitige Regierung günstige Geschichte erzählt und sich dabei auf eine lange Tradition der Propaganda stützt.

2.000 tote russische Soldaten in einer Woche

Anfang dieses Sommers hat der russische Föderale Dienst für Statistik (Rosstat) die Veröffentlichung der Sterblichkeitszahlen eingestellt. Nun sind Daten zu Erbschaftsfällen die einzige zuverlässige und ausreichend detaillierte Quelle, wenn man die Zahl der in der Ukraine getöteten russischen Kämpfer einschätzen will. Meduza und Mediazona verfolgen und analysieren die Daten des Nationalen Nachlassregisters seit 2023. Meduza berichtet auf Englisch.

In den sechs Monaten seit Meduzas letztem Bericht dazu sind neue Einträge hinzugekommen. Sie zeigen, dass die Verluste der russischen Streitkräfte im vergangenen Jahr ein völlig neues Ausmaß erreicht haben: In einigen Zeiträumen lagen die gemeldeten Todesfälle bei über 2.000 pro Woche. In den letzten Monaten des Jahres 2024 könnten sie sogar fast 3.000 erreicht haben. Und in jüngster Zeit ist ein neuer Faktor hinzugekommen, der sich auf die Berechnung dieser Zahlen auswirkt: Gerichte erklären immer mehr vermisste Soldaten für tot.

Mit neuen Gesetzen gegen die Meinungsfreiheit

Am 1. September treten in Russland zahlreiche neue repressive Gesetze in Kraft. Meduza erklärt die neuen Regelungen, die zu mehr Kontrolle über die Gesellschaft führen auf Russisch.

Die neue Fassung des Föderalen Gesetzes „Über die Kommunikation“ verbietet es ausdrücklich, Telefone oder SIM-Karten an „andere Personen“ weiterzugeben. Eine Ausnahme gilt nur für nahe Verwandte. Ein Verstoß gegen dieses Verbot gilt entweder als Ordnungswidrigkeit oder direkt als Straftat. Eine weitere Regelung besagt: Allen Personen, Organisationen und öffentlichen Vereinigungen, denen die russischen Behörden das Etikett „ausländische Agenten“ angeheftet haben, jegliche Bildungs- und Aufklärungsarbeit untersagt ist. Aufgrund dieser Entscheidung wurde bereits die historische Zeitschrift Gorb eingestellt.

In der neuen Fassung des Gesetzes „Über den Schutz der Verbraucherrechte“ sind außerdem zwei wesentliche Änderungen in Bezug auf vorinstallierte Programme auf Telefonen und Tablets festgelegt. Erstens wurde direkt im Gesetz die Anforderung aufgenommen, einen „multifunktionalen Informationsaustauschdienst“ vorzuinstallieren. Die Regierung der Russischen Föderation hatte kürzlich beschlossen, dass der Messenger Max diesen Status erhalten soll.

Unter Anti-Drohnen-Netzen lernen

In der russischen Region Belgorod, die an die Ukraine grenzt, wurden viele Gebäude mit Netzen abgedeckt, um sie vor ukrainischen Drohnen zu schützen. Zunächst wurden Anti-Drohnen-Netze an Gebäuden (und Krankenwagen) in Gebieten entlang der Grenze angebracht. Nun kündigte Gouverneur Vyacheslav Gladkov Ende August an, dass die regionale Hauptstadt und der umliegende Bezirk auch Netze über lokalen Kindergärten anbringen würde.

Nach Angaben des Gouverneurs kauften die lokalen Behörden 500.000 Quadratmeter Schutznetze – eine Fläche, die etwa 70 Fußballfeldern entspricht – und planten, vor Beginn des neuen Schuljahres am 1. September, 56 Gebäude damit zu bedecken. Er wies jedoch auch darauf hin, dass in den Grenzgebieten einige Schutznetze, die Wohngebäude und öffentliche Infrastruktur abdecken, bereits reparatur- oder austauschbedürftig sind.

Meduza zeigt Fotos der Anti-Drohnen-Netze, die über den Kindergärten von Belgorod installiert wurden und erstmals von der russischen staatlichen Nachrichtenagentur RIA Novosti verbreitet wurden (Englischer Text).

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