Meduza-Auswahl 25. bis 31. Mai: In Moskaus geheimen Gefängnissen

Aus der Ukraine entführte Zivilist*innen erleben in russischer Haft Folter. Menschen kehren in das befreite Donezk zurück. Texte aus dem Exilmedium.

Ein Plakat in den russischen Nationalfarben und dem Symbol "Z" hängt an einer Hauswand

St. Petersburg, 23.03. 2023: Am Eingang einer U-Bahn-Station hängt ein „Z“-Plakat Foto: Celestino Arce/NurPhoto/picture alliance

Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.

In der Woche vom 25. bis 31. Mai 2023 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:

Russlands Geheimgefängnisse für Zi­vi­lis­t*in­nen

Tausende Zivilist*innen, die meisten von ihnen Ukrainer*innen, wurden seit Beginn des Angriffskriegs im Februar 2022 von Russland entführt – von ukrainischem Boden. Einige von ihnen sind Jour­na­lis­t*in­nen und freiwillige Kämpfer*innen, andere Sol­da­t*in­nen und Beamte.

Da den Entführten der Status von Kriegsgefangenen nicht gewährt wird, dürfen sie weder Anwälte noch Angehörige sehen. Die Meduza-Sonderkorrespondentin Lilia Japparowa hat mit Verwandten und Anwälten der Gefangenen gesprochen und von der Existenz geheimer Gefängnisse erfahren, in denen auch gefoltert wird.

In diesem Bericht (englischer Text) veröffentlicht Meduza Details dieser Recherche: Allein in Simferopol, Hauptstadt der 2014 völkerrechtlich annektierten Halbinsel Krim, befinden sich demnach mehr als 100 zivile Geiseln aus den von Russland besetzten ukrainischen Gebieten. Das Geheimgefängnis auf der Krim sei kurz nach der Invasion am 24. Februar 2022 vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB gegründet worden.

Nawalny-nahe Oppositionelle vor Gericht

“Putin ist Korruption, niedrige Löhne und steigende Preise. Putin ist Krieg!“, rief Lilia Tschanyschewa Anfang der Woche in einem Gerichtssaal der russischen Stadt Ufa, etwa 100 Kilometer westlich des Uralgebirges. Tschanyschewa leitete das Regionalbüro des russischen Oppositionsanführers Alexei Nawalny in Ufa. Ihr wird vorgeworfen, eine “extremistische“ Gemeinschaft gebildet zu haben. Die Staatsanwaltschaft fordert 12 Jahre Haft für die Oppositionelle.

Meduza veröffentlicht die Schlusserklärung Tschanyschewas vor dem Gericht in Ufa in vollem Wortlaut (russischer Text): „Während des Prozesses habe ich Ihnen (dem Richter) von meinen Erfolgen erzählt. Unterstützen Sie mich als Politikerin, als Frau, und ich werde mein Bestes tun, um Sie von dem illegalen Druck der Exekutive zu befreien. Ich werde weiterhin gegen Korruption und Gesetzlosigkeit in unserer Republik kämpfen.“

Was können wir aus Belarus lernen?

Im Jahr 2020 fanden in Belarus landesweit Proteste als Reaktion auf die Präsidentschaftswahl statt. Die Oppositionskandidatin Swjatlana Zichanouskaja floh nach der Wahl nach Litauen. Über 6.000 Menschen wurden damals in nur wenigen Wochen festgenommen. Viele Experten haben lange das Regime des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin mit dem des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko verglichen.

Im Interview mit Meduza (englischer Text) erklärt der belarussische Politikwissenschaftler und Non-Resident Scholar am Carnegie Russia Eurasia Center, Artyom Shraibman, was den Rus­s*in­nen noch blühen können, sollte sich das Land weiter in die gleiche autoritäre Richtung wie Belarus entwickeln.

Die Onlineplattform Dekoder, die russische und belarussische Texte auf Deutsch veröffentlicht, hat das Interview mit Shraibman ins Deutsche übersetzt: „Zunächst kam es in Belarus zu einer Normalisierung von physischer Gewalt bei Festnahmen, in den Polizeidezernaten und Untersuchungshaftanstalten“. Folter und Prügel seien auch in Russland nichts Neues, doch in Belarus sei Gewaltanwendung bei Festnahmen aus politischen Gründen seit 2020 Routine. Der Vergleich mit dem Russland von heute liegt nahe.

Herausforderung: Antikriegsaktivismus in Aserbaidschan

Meduza berichtete bereits im März über die ungelöste Krise im Latschin-Korridor, die einzige Verbindung zwischen Armenien und der von Armeniern besiedelten, von Aserbaidschan umschlossen gelegenen Region Bergkarabach. Nun dokumentiert Meduza (englischer Text), wie schwierig es für die Menschen in Aserbaidschan ist, sich gegen die Gewalteskalation in Bergkarabach zu positionieren.

An­ti­kriegs­ak­ti­vis­t*in­nen sind eine Minderheit im Land und haben es nicht leicht, ihre Stimme durchzusetzen: „Die Mehrheit der aserbaidschanischen Opposition besteht aus Politikern, die im Westen als rechtsextrem gelten würden. Ihre Rhetorik ist fast dieselbe wie die der Regierung“, erklärt der Soziologe Sergei Rumjanzew im Meduza-Bericht.

Meduza begleitet auch Hamida Giyasbayli, eine aserbaidschanische Journalistin und Menschenrechtsaktivistin, die seit 2012 an Friedensprojekten beteiligt ist. Eins ihrer Ziele ist, dass Ar­me­nie­r*in­nen und Aser­bai­dscha­ne­r*in­nen auf einer gemeinsamen Plattform ins Gespräch kommen können.

Rückkehr in die Heimat, ein Dorf in Donezk

Vor etwa einem Jahr wurden die Be­woh­ne­r*in­nen des Dorfes Bogorodichnoye im ostukrainischen Gebiet Donezk evakuiert. Jetzt sind einige von ihnen in ihre zerstörten Häuser zurückgekehrt. Der Meduza-Fotograf Oleg Petrasyuk hat diese Rückkehr begleitet (russischer Text).

Bogorodichnoye wurde am 14. Mai 2022 von russischen Streitkräften besetzt und Mitte September 2022 von der ukrainischen Armee wieder befreit. Vor dem russischen Angriffskrieg lebten etwa 800 Menschen in dem Dorf.

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