Meduza-Auswahl 23. Februar bis 1. März: „Nun beginnt der dritte Weltkrieg“
Albträume in Mariupol, Putins absolutistisches Weltbild, Chinas Kriegsprofit, und das „Z“ bleibt radikal. Vier ausgewählte Texte des Exilmediums.
Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert ab 1. März unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz panter stiftung gefördert.
In der Woche vom 23. Februar bis 1. März 2023 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
Mstislaw Chernow über seinen Film „20 Tage in Mariupol“
Ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine veröffentlicht der ukrainische Filmemacher Mstislaw Chernow den Dokumentarfilm „20 Tage in Mariupol“. In der südukrainischen Stadt kam er zwei Tage vor Beginn des Krieges an. Im Gespräch mit Meduza erzählt er: „Wir fuhren entlang der Frontlinie nach Mariupol. Es war absolut still. Wir fuhren und witzelten: Nun beginnt der dritte Weltkrieg.“
Chernow ist ein erfahrener Kriegsreporter. „Wie viele Dokumentarfilmer, die in der Ukraine arbeiteten, wurde ich ab 2014 automatisch zum Militärkorrespondenten“, sagt er. Doch manches in Mariupol hat selbst er nicht gefilmt. Die Stadt, erzählt er, verfolge ihn in seinen Träumen: Immer rennend, Explosionen, tote Körper.
Grigori Judin: Nichts lasse Putin an seinem Weltbild zweifeln
Der Moskauer Soziologe Grigori Judin findet im Interview mit Meduza deutliche Worte: „Man sollte sich keinen Illusionen hingeben: Solange Putin im Kreml sitzt, wird der Krieg nicht enden. Er wird sich nur ausweiten.“
Judin ist quasi ein Prophet des Krieges: Zwei Tage vor dem Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 veröffentlichte er ein Essay mit dem Titel: Putin wird bald den sinnlosesten Krieg der Geschichte beginnen. Ein Jahr später zieht er Bilanz und rechnet auch mit dem Westen ab: „Forderungen nach Verhandlungen sind derzeit aussichtslos, weil Putin glaubt, dass er den Krieg gewinnen wird“ – noch.
Das Interview mit dem Soziologen Judin hat Dekoder ins Deutsche übersetzt. Die deutsche Internetplattform Dekoder.org veröffentlicht russischen und belarussischen Journalismus in deutscher Übersetzung mit kontextualisierenden Beiträgen europäischer Wissenschaftler.
China als großer Profiteur des Krieges
Ein drittes Gespräch führt Meduza mit dem chinesischen Wissenschaftler Temur Umarow. „Wenn es einen hauptsächlichen Profiteur des Krieges gebe, dann ist es China“, sagt er.
Der Zwölf-Punkte-Friedensplan, den China letzte Woche veröffentlicht hat, so Umarow, sei ein „kaum aufrichtiger Versuch, Frieden zu erreichen“. Und in dem Plan gehe es nicht nur um Russland und die Ukraine. Eine Passage des Plans appelliere etwa: „Versucht die Sicherheit mancher Regionen nicht durch den Ausbau militärischer Blöcke zu erreichen“ – ein klarer Hinweis auf Taiwan.
Das radikale „Z“
Im Krieg gegen die Ukraine ist der Buchstabe „Z“ zum pro-russischen Symbol geworden. Zwar sind im vergangenen Kriegsjahr neue Zeichen dazugekommen, etwa ein Vorschlaghammer. Doch das „Z“ sei nun das Symbol der radikalsten aller Patrioten, analysiert Meduza ein Jahr nach Beginn des Krieges.
Und erzählt noch eine kleine Anekdote: In dem Film „World War Z“ kämpft Brad Pitt gegen Zombies, daher der Buchstabe im Titel. Das Filmstudio veränderte den Schnitt kurz vor Veröffentlichung noch einmal deutlich. In der Originalversion kämpfte Pitt schließlich in Moskau gegen die Zombies – und gewann natürlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!