Meduza-Auswahl 16. – 22. November: Gegen Regenbögen, für den Krieg
Die „LGBT-Bewegung“ könnte in Russland bald verboten werden. Derweil wandert eine Anti-Kriegs-Demonstrantin für sieben Jahre in den Knast.
Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.
In der Woche vom 16. bis zum 22. November 2023 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
Sind Regenbögen bald ein Zeichen des Extremismus?
Das russische Justizministerium gab am 17. November bekannt, dass es beim Obersten Gerichtshof eine Klage eingereicht habe, die fordert, die „internationale LGBT-Bewegung“ als „extremistische Organisation“ in Russland zu verbieten. Was genau mit „LGBT-Bewegung“ gemeint ist, erklärt das Ministerium aber nicht. Am 30. November soll sich der Oberste Gerichtshof damit voraussichtlich befassen.
Prominente russische Journalisten, Politiker und Blogger haben sich zu der Klage dazu geäußert. Meduza fasst ihre Reaktionen in diesem Beitrag (englischer Text) zusammen. Die Journalistin Ksenia Sobtschak äußert sich etwa empört: „Alle haben endlich den Verstand verloren. Es ist einfach unfassbar. Wir werden uns wirklich bald in der gleichen Liga wie Nordkorea, die Taliban und die Hamas wiederfinden“.
Sieben Jahre Gefängnis für Protestkunst
Am 16. November verurteilte das St. Petersburger Bezirksgericht Vasileostrovsky die Künstlerin Sasha Skochilenko, die ebenfalls aus der nördlichen Metropole stammt, wegen der Verbreitung von „Desinformation“ über die russische Armee zu sieben Jahren Gefängnis. Das Verfahren hatte die Polizei im vergangenen April gegen Skochilenko eingeleitet, nachdem sie in einem Supermarkt Preisschilder mit Antikriegsbotschaften ersetzt hatte.
In diesem Beitrag (englischer Text) veröffentlicht Meduza die Eindrücke und Ansichten eines guten Freundes der 33-Jährigen, die an mehreren chronischen Krankheiten leidet. Sie saß bereits lange in Untersuchungshaft – ohne angemessene medizinische Versorgung. Der Freund, Alexei Belozerov, ist auch Korrespondent des unabhängigen Journalistenkollektivs Bereg. Belozerov war bei der letzten Anhörung in Skochilenkos Fall anwesend. Er sagt: „Sie wird das Gefängnis nicht überleben“.
Von ihren Leben in Bergkarabach bleibt ihnen nichts
In dieser Woche vor genau zwei Monaten nahmen die aserbaidschanischen Streitkräfte in einer 24-stündigen Offensive das bis dahin armenisch besiedelte Bergkarabach ein. Fast alle Bewohner flohen daraufhin Richtung Armenien aus dem Gebiet. Die in Jerewan lebende armenische Journalistin Sone Hovsepyan schreibt im Rahmen des Projekts The Beet für Meduza (englischer Text) darüber, wie die aus Bergkarabach Geflohenen nun in Armenien von vorne anfangen müssen.
Die armenische Regierung hat den Geflohenen zwar finanzielle Unterstützung bereitgestellt, doch die meisten Familien müssen darum kämpfen, über die Runden zu kommen. Wie schwer das ist, erzählt etwa der 44-jährige Andranik Aloyan, der mit seiner schwangeren Frau, zwei kleinen Kindern und seinem alten Vater Bergkarabach verlassen hat: „Wir haben alles hinter uns gelassen“.
Putins Politik: Korruption und Mega-Bauprojekte
Viele Freunde von Russlands Nummer Eins Wladimir Putin haben von Mega-Bauwerken wie denen für die Olympischen Spiele in Sotschi oder der Brücke zur Halbinsel Krim profitiert. Diese Riesen-Projekte sind ein wichtiger Bestandteil von Putins Politik geworden.
Meduza fragt sich in einer neuen Folge seines Podcasts „Negativwachstum“ (russischer Text), welche Auswirkungen diese Mega-Bauwerke für die russische Wirtschaft gehabt haben. Sind solche Megaprojekte überhaupt wirtschaftlich sinnvoll? Sind sie ohne Korruption zu stemmen? Und wie hängen sie mit den Wahlergebnissen in verschiedenen Regionen Russlands zusammen?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut