Medizinische Versorgung für Geflüchtete: Die gleiche Angst vor dem Virus
Keinen Notarzt zu rufen, wenn ein Mensch Hilfe braucht, und die zu bestrafen, die dagegen protestieren, ist zynisch.
W as macht das wohl mit Menschen? Hinter Zäunen auf einen Notarzt zu warten und der kommt einfach nicht? Sich an die Betreiber der Unterkunft zu wenden, davon zu berichten, dass ein Bewohner Fieber hat, und an Mitarbeiter:innen zu geraten, die die eigene Angst nicht ernst nehmen? Die erst reagieren, wenn man so laut ist, dass man nicht mehr ignoriert werden kann. Was macht das mit dem Vertrauen?
Der Betreiber der Unterkunft, die Malteser Werke, erkennt den Betroffenen mit seinem Verhalten ihre Menschlichkeit ab. Das wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass die Geflüchteten für ihren Protest auch noch bestraft werden. Steckt dahinter die Haltung, dass sie kein Recht dazu hatten, die medizinische Hilfe einzufordern?
Alle Menschen haben Angst davor, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, vielleicht auf die Intensivstation zu kommen oder Familienmitglieder, die zur Risikogruppe gehören, zu verlieren. Wir alle gehen auf Distanz, schränken unser soziales Leben ein, um die, die wir lieben, zu schützen. Geflüchtete, die in so großen Unterkünften leben, können das nicht.
In Wohnungen unterbringen
Manche teilen sich die Zimmer, viele das Bad. Sie können nicht weg. Sinnvoll wäre es, Geflüchtete aus Sammelunterkünften auf die Kommunen zu verteilen. In eigene Wohnungen. Natürlich nachdem sie auf das Virus getestet wurden, um auszuschließen, dass sie es verbreiten. Dafür fehlt der politische Wille. Man will schließlich keine falschen Anreize setzen. Menschen mit angeblich geringer Bleibeperspektive keine „Geschenke“ machen.
Vor diesem Hintergrund ist es das Mindeste, dass Geflüchtete im Akutfall schnellen Zugang zu medizinischer Versorgung bekommen. Es ist ganz einfach: Diejenigen, die in so großen Unterkünften leben, sind Menschen. Sie haben die gleichen Ängste wie wir alle. Sie sind keine Nummern oder Formulare. Es wird Zeit, dass wir sie auch so behandeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut
++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
Hamas und Israel werfen sich gegenseitig vor, Gespräche zu blockieren